Fledertiere haben mich schon immer fasziniert und seit ich einmal eine dressierte Fledermaus gesehen habe, die auf einen unhörbaren Pfiff aus einer Ultraschallpfeife angeflattert kam und sich kopfüber an den ausgestreckten Zeigefinger ihres Betreuers hing, wollte ich auch eine haben.
Eines Tages bot sich dann die Chance, als am hellichten Tag in einem Biergarten eine Fledermaus über unsere Köpfe zischte und eine paar Meter weiter zu Boden ging. Ich sammelte sie auf und brachte sie in einem Schuhkarton nach Hause und begann im Internet zu studieren, was so ein Flugsäugetier denn so braucht. Und bald war mir klar, dass das nichts wird und glücklicherweise erreichte ich einen Spezialisten vom NABU, dem ich das Tier noch an demselben Samstag zur Pflege vorbeibringen konnte. Und so endete meine Kurze Verantwortlichkeit für das wunderbare Fledertier.
Vampirfledermaus (Bild: Wikipedia)
Damit genug Anekdoten, schon letzte Woche gab es eine sehr interesante virologische Meldung im Zusammenhang mit einem Fledertier. Und zwar hat man in einem Gebiet im Amazonas, das von Vampirfledermäusen, also tatsächlich bluttrinkenden Tieren, berichtet, dass ein Teil der untersuchten Menschen dort eine Tollwutinfektion überlebt hatte, in ihnen konnten Tollwutvirus-spezifische Antikörper nachgewisen werden und nur einer der Getesteten hatte eine Impfung erhalten. Das ist schon eine Sensation, da ein ungeimpfter Mensch, bei dem die Symptome der Tollwut ausbrechen, praktisch immer daran stirbt. Es gibt nur eine Hand voll gegenteiliger Berichte, die zum Teil auf eine fragliche experimentelle Therapie mit einem künstlichen Koma verweisen, deren klinische Wirksamkeit aber nicht belegt ist. Es scheint aber in dieser Gegend in Peru tatsächlich Menschen zu geben, die eine Resistenz gegen die Tollwut entwickelt haben.
Das lässt sich zumindest teilweise durch den geteilten Lebensraum mit den Vampirfledermäusen erklären, die eine extrem hohe Tollwutt-Virusträgerrate haben, und Menschen oft von den Tieren heimgesucht werden, wobei es zu einer häufigen Ansteckung kommen sollte. Andererseits könnte es sein, dass der Biss der Vampirfledermaus viel weniger Viren überträgt, als es zum Beispiel der Biss eines infizierten Hunde tut, und das Opfer somit bessere Chancen hat, eine effektive Immunantwort zu generieren.
Und heute hab ich eine zweite Publikation in PLoS Pathogens gesehen, die sogar von einem ganz neuen Virus, entdeckt in australischen Flughunden, berichtet. Bei dem neuentdeckten Virus handelt es sich um einen Vertreter der Paramyxoviren, zu denen auch die Erreger von Masern und Mumps zählen, aber auch hochgefährliche Viren wie Hendra- und Nipahvirus, die von Flughunden auf Menschen, Nutz- und Haustiere übertragen werden. Bei einer Virusübertragung von Tier zu Mensch spricht man von einer sogenannten Zoonose, die im Fall von Hendra- und Nipahviren in 40 – 100% der Fälle tödlich verlaufen kann. Bisher kam es nur in Australien zu Hendravirusinfektionen, die zwar sehr schwer verlaufen, aber sehr selten vorkommen, da das Virus eine geringe Kontagiösität besitz.
Nipahviruspartikel (Bild: Wikipedia)
Das Nipahvirus dagegen wurde nach einem Ausbruch in Malaysia entdeckt, wobei es meist Schlachthofarbeiter infizierte und bald wurde der Zusammenhang mit Schweinezuchten geklärt. Aber auch beim Nipahvirus ist das natürliche Reservoir ein Flughund der.
Flughundkolonie (Bild: Wikipedia)
Um diese Virusgattung der Henipahviren genauer zu untersuchen, sammelte und untersuchte die australische Forschergruppe um Glenn A. Marsh Urinproben von freilebenden Flughundpopulationen in Queensland und screente die Proben nach Henipahviren. Dabei stiessen sie auf einen neuen Vertreter dieser Gattung, den sie in Anlehnung an den Fundort Cedarvirus tauften.
Laboruntersuchungen an Flughundzellinien und Frettchen und Meerschweinchen zeigten, dass das Virus infektiös ist, aber zumindest in den getestetn Modellen keine Pathologie auslöst. Es konnten Replikationsmarker und Cedarvirus-spezifische Antikörper nachgewiesen werden, doch die Tiere zeigetn keinerlei klinische Symptome. Eine genetische Untersuchung zeigte, dass dem Cedarvirus im Gegensatz zu seinen beiden hochpathogenen Verwandten ein hochinteressnater Prozess namens RNA-Editierung fehlt, bei welchem unterschiedliche Proteinprodukte von ein und derselben RNA-Matritze generiert werden. Dadurch fehl dem Virus das V-Protein, dass massgeblich an der Pathogenität der bisher bekannten Henipahviren beteiligt zu sein scheint. Dies spiegelte sich auch in der deutlich unterschiedlichen Induktion von immunologischen Botenstoffen wieder, die für Interferon Beta ein gegensätzliches Profil zeigte.
Um die Verbreitung diese neuen Vertreters in den freilebenden Flughungpopulationen zu untersuchen, wurden zuvor gesammlte Serumproben auf das Vorhandensein von spezifischen Antikörpern untersucht. Dabei zeigte sich eine Infektionsrate von etwa 23% der Tiere.
Ich finde, dass diese Beispiel zeigt, wieviel unentdeckte Erreger noch in ihren natürlichen Reservoirs schlummern und wir nie sagen können, wann sie die Brücke vom Fledertier zum Menschen schlagen, entweder direkt oder über einen Zwischenwirt. Dass das neuntdeckte Virus nicht-pathogen war, ist wohl eher ein Zufall. Denn auch andere hochpathogene Viruszoonosen wie Ebola-, Marburg- oder SARS-Viren, verbringen ihre Zeit meist in ihrem natürlichen Reservoir, den Fledertieren. Warum gerade die Fledertiere optimale Bedingungen für zoonotische humanpathogene Viren bieten, bleibt zu klären. Ein Kommentator hypothetisierte, dass es an der ähnlichen Lebensweise liegen könnte, da viele Fledertiere in riesigen Populationen mit engen Interindividualkontakten leben, was der Verbreitung einer Virusinfektion immer zuträglich ist.
Evidence of Rabies Virus Exposure among Humans in the Peruvian Amazon. Amy T. Gilbert et al. Am J Trop Med Hyg (2012) vol. 87 no. 2 206-215. doi: 10.4269/ajtmh.2012.11-0689
Cedar Virus: A Novel Henipavirus Isolated from Australian Bats. Glenn A. Marsh et al. PLoS Pathogens (2012) 8(8): e1002836. doi:10.1371/journal.ppat.1002836
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