Das Grippevirus ist durch seine Eigenschaft sich in verschiedenen Wirtstieren mit verschiednen Virusstämmen genetisch auszutauschen, eines der wandlungsfähigsten Viren. Daraus resultiert auch die Geschwindigkeit, mit der sich neue potentiell pandemische Virusstämme bilden können. Eine koreanische Studie hat nun bei der Untersuchung von Schweinen einen potentiellen neuen pandemischen Virusstamm entdeckt, der ein relativ hohes Gefahrenpotential besitzt.
Influenzavirus (Bild: Wikipedia)
Das Influenzavirus besitzt ein segmentiertes Genom, dass aus acht Ribonukleinsäure (RNA)-Fragmenten besteht. Außerdem kann das Influenzavirus relativ einfach zwischen den verschiedenen Wirtsspezies wechseln. Neben Menschen, Schweinen und Vögeln, kann das Influenzavirus auch noch eine Fülle anderer Säugetierarten befallen. Doch die Hauptproblematik entsteht bei der Mehrfachinfektion von ein und demselben Wirt mit unterschiedlichen Virusstämmen. Wird eine Wirtszelle von mehreren Viren befallen, beginnen diese innerhalb der Zelle mit der Bildung von Nachkommenviren und reproduzieren zu diesem Zweck ihre jeweiligen RNA-Segmente, die als virales Genom in die neugebildeten Viruspartikel verpackt wird. Dabei kann es dann zu einem Austausch der verschiedenen RNA-Segmente von unterschiedlichen Virusstämmen kommen, was zur Bildung neuer Viren mit neuen Eigenschaften führt. Dieser Vorgang kann zum Beispiel ein niedrigpathogenes Virus, also ein Erreger mit geringem Gefahrenpotential leicht in ein hochpathogenes verwandeln. Ausserdem können wenig infektiöse Viren durch einen solchen Austausch schnell luftübertragbar werden, was das Gefahrenpotential gewaltig steigern kann, einfach durch die viel höhere Übertragungswahrscheinlichkeit.
Es ist heute bekannt, dass viele dieser “gefährlichen” Neuentstehungen aus Kombinationen der Genomsegmente von Vogel-, Schwein- und Menschenviren in Schweinezuchtpopulationen entstehen. Das pandemische Influenzavirus (H1N1) der Schweinegrippe von 2009 entstammte, wie der Name schon sagt, einer Schweinepopulation. Um herauszufinden, wie hoch das Gefahrenpotential von in Schweinpopulationen schlummernden Influenzaviren ist, untersuchten koreanische Forscher Isolate aus koreanischen Schweineherden und testeten die isolierten Influenzaviren im Frettchenmodell, dass eine Aussage über die Schwere und Übertragbarkeit des Virusstammes erlaubt. Dabei entdeckten die Forscher ein aus drei Vorgängerviren neu zusammengesetztes Virus, ein H1N2-Virus, dass eine hohe Luftübertragbarkeit durch Tröpfcheninfektion und eine gesteigerte Pathogenität in den Frettchen zeigte. Innerhalb von 10 Tagen starb ein Tier und die übrigen entwickelten so starke Symptome, dass sie getötet werden mussten. Bei der einfachen Übertragung durch Tröpfchen auf nicht infizierte Tiere entwickelte das Virus zwei weitere Mutationen in Schlüsselgenen, was zu einer zusätzlichen Steigerung der Virulenz führte. Das Virus konnte außerdem effizient menschliches Lungengewebe infizieren, was zusammengenommen auf ein potentiell pandemisches Risiko hinweist.
Ob diese Virus tatsächlich eine Pandemie auslösen würde, kann man durch eine solche Beobachtung noch nicht sagen, aber das Potential besitzt es. Und es zeigt außerdem, dass eine Menge solcher Viren in Schweinpopulationen rund um den Globus schlummern könnte. Ein Screening der weltweiten Nutzschweinpopulationen würde also durchaus Sinn machen, doch wer soll das bezahlen?
Und ein weiterer Punkt ist, dass möglicherweise die traditionelle Schweinehaltung, bei der Schweine und Hühner im gleichen Stall gehalten werden, durch den engen Kontakt der Tiere das grösste Risiko für eine Neubildung gefährlicher Viren darstellt. Diese Art der Tierhaltung ist aber mit Sicherheit kaum überwachbar, da unzählige Tiere in sehr kleinen Tierhaltungen in fast allen Ländern Asiens so gehalten werden, und es vielleicht erst durch eine weitere Übertragung zu einer Infektion von großen komerziellen Herden kommt. Doch auch ein einziger infizierter Vogel in einer grossen Schweineherde könnte erfolgreich die Vogelgrippebestandteile zu einem neugebildeten Virus beisteuern.
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