Der Stifterverband hat die bisherigen Preisträger des mit jeweils 50.000 Euro dotierten und gemeinsam mit der DFG ausgeschriebenen “Communicator-Preises” zum Stand und zu den Perspektiven der Wissenschaftskommunikation in Deutschland befragt.

Fazit: “Die Wissenschaftskommunikation in Deutschland ist bunt, lebendig und vielfältig; noch aber fehlt ihr die feste Verankerung in den Fachgebieten und in den Institutionen. Und das bildungsferne Publikum bleibt links liegen.” So der Stifterverband in seiner heutigen Pressemitteilung.

Die Wissenschaftler und ihre Institutionen bleiben demnach aufgerufen, sich noch stärker für den Dialog einzusetzen. Öffentliche Debatten seien oft durch einen Mangel an wissenschaftlichem Sachverstand geprägt. Pressestellen seien unterausgestattet, das Engagement für den Dialog werde bei Begutachtungen, in Berufungsverfahren oder bei Mittelbewilligungen kaum oder gar nicht gewürdigt.

“Die Äußerungen der Communicator-Preisträger fallen ernüchternd aus”, bilanziert Frank Stäudner, Autor der Umfrage: “Wenn der Dialog mit der Öffentlichkeit zu den anerkannten Aufgaben eines Wissenschaftlers gehört, dann müssen Leistungen in der Wissenschaftskommunikation zu einem beurteilten Kriterium in Förder-, Evaluierungs- und Berufungsverfahren werden. Es ist an der Zeit, dass die Wissenschaftsorganisationen ihr 1999 gegebenes Versprechen einlösen.”

Ergebnisse der Umfrage, inklusive Originalaussagen der Befragten: www.stifterverband.de/communicator-umfrage/

Befragt wurden (und geantwortet haben):

Prof. Jutta Allmendinger, Ph.D., Preisträgerin 2009
Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung

Prof. Albrecht Beutelspacher, Preisträger 2000
Mathematiker, Universität Giessen

Prof. Dr. Wolfgang Heckl, Preisträger 2002
Nanophysiker, damals LMU München, heute Deutsches Museum und TU München

Prof. Dr. Harald Lesch, Preisträger 2005
Astronom und Physiker, LMU München

Prof. Dr. Heinz Miller, Preisträger 2007
Arbeitsgruppe Glaziologie, Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven

Prof. Dr. Friedemann Schrenk, Preisträger 2006
Paläobiologie, Universität Frankfurt/Main

Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Wolf Singer, Preisträger 2003
Direktor des Frankfurter Max-Planck-Instituts für Hirnforschung

Prof. Dr. Gerold Wefer, Preisträger 2001
Meeresgeologe, DFG-Forschungszentrum Ozeanränder an der Universität Bremen

Prof. Dr. Hubert Wolf, Preisträger 2004
Kirchenhistoriker, Universität Münster

Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Preisträger 2008
Mathematiker, Technische Universität Berlin

Kommentare (9)

  1. #1 Andrea N.D.
    26. Oktober 2009

    “dann müssen Leistungen in der Wissenschaftskommunikation zu einem beurteilten Kriterium in Förder-, Evaluierungs- und Berufungsverfahren werden.”
    Mir ist die Bedeutung dieses Satzes nicht ganz klar. Bedeutet es, dass die Leistungen der Wissenschaftskommunikation selbst zu einem zu beurteilenden Kriterium werden, d.h. dass die Leistungen der Wissenschaftsjournalisten beurteilt werden? Inwiefern spielen dann Evaluierungs und Berufungsverfahren eine Rolle? Oder bedeutet es, dass die Leistungen der Wissenschaftskommunikation als Kriterium in Förderverfahren etc. berücksichtigt werden sollen?

  2. #2 Alexander Gerber
    26. Oktober 2009

    Gemeint ist wohl, dass die Kommunikation bestenfalls Kür, keinesfalls aber Pflicht für Wissenschaftler ist, dies aber sehr wohl sein sollte. Warum — so wohl der Hintergrund von Frage und Antwort — sollte nicht die Bewilligung von Forschungsprojekten daran gebunden sein, über Fachpublikationen hinaus zumindest die Ergebnisse des Projekts öffentlichkeitswirksam aufzubereiten? Gleiches könnte zukünftig bei Berufungen gelten, wo Wissenschaftlern ja immer noch allzu “kommunikatives” Agieren eher schadet als nutzt.

  3. #3 Andrea N.D.
    26. Oktober 2009

    Eine Konsequenz davon wäre dann, dass der Wissenschaftsjournalismus überflüssig wird?

  4. #4 Alexander Gerber
    27. Oktober 2009

    Nein, ich denke ehrlich gesagt nicht, dass das eine viel mit dem anderen zu tun hat. Die Botschaft der Stäudner-Studie ist wohl eher, dass Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft bei Wissenschaftlern eine zu geringe Wertschätzung bei jenen erfährt, die Projektanträge bewilligen, Uni-Rankings erstellen, über Berufungen entscheiden u.s.w.

    Was das für den Wissenschaftsjournalismus hieße, wenn plötzlich alle Wissenschaftler draufloskommunizierten, und das auch noch gut? Dann würde sich evtl. die Rolle der Journalisten verschieben — vom news-orientierten “Heute ist mal wieder Donnerstag” hin zu einem vielleicht sogar investigativen Wissenschaftsjournalismus, der dabei auch gleich noch das „Science in the Making“ transparent macht — also Geschichten und Formate, die Prozesse und Methoden des „Wissenschaffens“ und „Innovierens“ zeigen und die Aussagekraft von Forschungsergebnissen bewerten. Schließlich geht es in der Wissenschaft ja nicht um absolute Wahrheiten, sondern um die Interpretation von Zusammenhängen…

  5. #5 Alexander Gerber
    27. Oktober 2009

    Übrigens hat mir Frank Stäudner auf Ihre erste Frage gestern noch schnell zugerufen:
    “Forschern, die sich für den Dialog einsetzen, soll das in ihrer Karriere nützen, zumindest aber nicht schaden.”

  6. #6 Andrea N.D.
    27. Oktober 2009

    Der Ansatz ist ein anderer, vielleicht zeitlich früherer. Jetzt soll zunächst einmal versucht werden, Wissenschaftler “kommunikativer” zu machen. Sobald sie das jedoch sind, wird Wissenschaftsjournalismus überflüssig, weil die Wissenschaftler selbst über “Science in the Making” oder Schaffensprozesse von Wissen besser berichten können als Außenstehende. Die Bewertung der Aussagekraft von Forschungsergebnissen würde ich auch eher einem Fachgebietler (gerne auch Jemand, der nicht direkt an der Studie/Forschung beteiligt war) zutrauen, als Jemanden, der mit dem Gebiet nicht so vertraut ist.
    Gibt es eigentlich Philosophiejournalismus oder Soziologiejournalismus? Und wenn nein, warum benötigen Naturwissenschaften, Medizin, etc. Journalismus und Geisteswissenschaften nicht? Aber das führt hier vielleicht zu weit.

  7. #7 Frank Stäudner
    28. Oktober 2009

    Antwort an Andrea N. D. WIssenschaftskommunikation durch Wissenschaftler macht Wissenschaftsjournalismus nicht überflüssig. Denn Wissenschaftsjournalisten sind mehr als nur Übersetzer. Sie ordnen ein, wählen aus, kommentieren, kritisieren. Sie tun eben all das, was der Journalimus als 4. Gewalt tut. Und diese Rolle können die Wissenschaftler den Journalisten nicht abnehmen. Obwohl manche Wissenschaftsfunktionäre es vielleicht gern hätten.
    Zweitens. Ja, es gibt Wissenschaftsjournalismus der Geisteswissenschaften. Dessen traditioneller Ort ist aber häufig das Feuilleton. Deshalb dominieren auf den Wissenschaftsseiten Naturwissenschaften und Technik.
    Frank Stäudner

  8. #8 Andrea N.D.
    28. Oktober 2009

    Hier scheint das populäre Verständnis ein sehr differentes zu sein. Wenn im Feuilleton eine Rezension steht, dann ist das eine Bewertung, Kritik, eine Einordnung. Dieser kann ich als Leser (je nach Vorbildung und Interesse, d.h. ich habe z.B. das besprochene Werk gelesen, das Theaterstück gesehen) einordnen. Ich kann einer Kritik zustimmen oder sie ablehnen. Meistens hat dies kaum Folgen für meine persönliche Existenz.

    Bei den Naturwissenschaften zeigt sich ein anderes Bild. Hier ist definitiv der Wissenschaftler der Experte. Dieser kann von einem anderen Wissenschaftler kritisiert werden. Die Kritik an der Wissenschaft, die Interpretation von wissenschaftlichen Studien, das Zusammenfügen von Fakten zu Argumenten verbunden mit einer entsprechenden journalistischen “Aufmachung” des “Wissenschaftsjournalismus” spiegelt oftmals die wirklichen wissenschaftlichen Ergebnisse nicht wieder. Hier geht es nicht um Intentionen eines Autors, eine Fehlinterpretation eines Journalisten im Feuilleton, sondern es geht beispielsweise darum, ob ich mich impfen lassen soll oder ob ich einen Tumor bekomme, wenn ich viel mit dem Handy telefoniere. Es geht um alles, was hier ständig auf SB stattfindet. Und bereits hier kann man feststellen, dass die Berichte der Wissenschaftler meist wesentlich detaillierter und faktenbezogener sind, als die der Wissenschaftsjournalisten. Auch die Antworten sind meist profunder und verständlicher. Anhand des oftmals proklamierten Defizits an Öffentlichkeit oder Kommunikation der Naturwissenschaften stellt sich mir schon die Frage, ob man diesen schwarzen Peter ausschließlich den Wissenschaftlern zuschieben soltle oder ob ein großer Anteil nicht gerade auf den Wissenschaftsjournalimus fällt und ob nicht hier auch nach Verbesserungspotential Ausschau gehalten werden sollte.

  9. #9 Alexander Gerber
    4. November 2009

    Den “schwarzen Peter” sehen die hier zitierten Experten / Preisträger ja durchaus auch bei den “Kommunikatoren”. So wird harsche Kritik an dem von der MPG koordinierten Wissenschaftszug “Science Express” geübt, insbesondere in Bezug auf Konzeption und Kosten-Nutzen-Verhältnis. “Etablierte Orte der Wissenschaftskommunikation
    wie Museen sollten stärker in die Initiativen einbezogen werden”, heißt es dort (wobei diese Forderung vom Deutschen Museum kommt), und “einzelne
    Initiativen (Pro Geisteswissenschaften) seien verpufft, weil die Scientific
    Community sich dem Dialog nicht oder nur halbherzig verschrieben habe.”