Nicht etwa renommierten Molekularbiologen, sondern einigen Dutzend interessierten Laien ist es kürzlich gelungen, die Struktur eines Proteins zu entschlüsseln, das bei Rhesusaffen die Immunschwächekrankheit AIDS auslöst. Ein bahnbrechender Fortschritt für die Medikamentenentwicklung, ermöglicht durch ein Computerspiel.
»FoldIt« haben inzwischen Hunderttausende von Menschen weltweit gespielt – meist junge Nutzer ohne größere Vorkenntnisse in Physik oder Biologie, angelockt durch den zeitgemäßen, spielerischen Umgang mit ernsthaften wissenschaftlichen Fragestellungen. Die Entwickler des Computerspiels, Forscher an der Universität von Washington, machen sich dabei unser räumliches Vorstellungsvermögen zunutze – genauer gesagt unsere Fähigkeit zur »Mustererkennung«, die in solch komplexen Fällen noch immer deutlich effizienter funktioniert als automatisierte, maschinelle Verfahren.
Das wohl bekannteste Beispiel jenes Forschungsansatzes, der breite Bevölkerungsschichten aktiv in den Erkenntnisprozess mit einbezieht, ist wohl das Projekt SETI, doch leider ist die Suche nach außerirdischer Intelligenz in Funksignalen bisher »Erfolgsmeldungen« wie jüngst bei Foldit schuldig geblieben, weshalb das Projekt zusehends um seine Finanzierung bangen muss. Andere Projekte wiederum setzen sich viel bescheidenere Ziele und erreichen diese deshalb auch umso schneller, wie etwa jüngst »artigo« von Prof. Hubertus Kohle, Institut für Kunstgeschichte der LMU München: Hier haben mittlerweile weit über 10 000 Spieler rund vier Millionen Schlagwörter gesammelt.
Das einzigartige Potenzial solcher Ansätze liegt aber nicht nur in der »Öffnung« von Forschung selbst, sondern mindestens ebenso sehr in den Kommunikations-Effekten solcher Projekte. Gerade in jenen Vorhaben, in denen es nicht um einen weiteren Weg zur Aktivierung bekannter Fachcommunities geht, wie etwa bei Vogelzählungen durch Hobby-Ornithologen, besteht die große Chance, völlig neue gesellschaftliche Gruppen zu erreichen. Die enge Bindung, die Laien dabei zu einer Forschungsdisziplin eingehen, ist deshalb eine hervorragende Antwort auf das seit Jahren beklagte Problem des »Preaching to the Converted«. Da die beteiligten Laien oft sogar aktiv mit einbezogen sind, wird sozusagen als indirekter Lerneffekt für sie das eigentliche »Wissenschaffen« wirklich transparent und authentisch – ein Kontrastprogramm sozusagen zum medialen Zerrbild von Forschung als vermeintlicher Aneinanderreihung absoluter Wahrheiten und Erfolgsgeschichten.
Während der Einsatz solcher »Serious Games« in der US-amerikanischen Wissenschaft schon beinahe »Mainstream« ist und es dort sogar bereits spezielle Verbände und Proejektsuchmaschinen gibt, fristet das Thema in Europa nach wie vor ein Schattendasein. In einem Webinar wollen wir deshalb die Chancen und Risiken von »Citizen Science« sowohl für die Forschung als auch für deren Kommunikation besprechen. Wir diskutieren außerdem Fragen nach den Erfolgskriterien, Motivationen sowie zu möglichen Umsetzungsmodellen.
Citizen Science, Bürgerwissenschaft, Partizipation, Dialogformate, Wissenschafts-PR, Wissenschaftskommunikation, Wissenschaftsmanagement, Schulung
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