Kaum zu glauben, wie der Spiegel auf die Idee gekommen ist, ein so wichtiges Thema dermaßen einseitig und bar jeder Realität (geschweige denn “Streits”) zu verzerren: “Die sollten sich schämen!”
Sicherlich ist es überfällig, viele Strukturen und Strategien aus der vergangenen PUSH-Ära zu hinterfragen – was wohl auch Ernst Peter Fischer reflektierter getan hätte, wäre er nicht moderativ abgewürgt und/oder zusammengekürzt worden, so wie ich ihn kenne – aber deshalb gleich die alte Kreuzzugskeule „Journalismus vs. PR“ aus der Mottenkiste zu holen, bringt uns keinen Millimeter weiter.
Dass die Wissenschaftsberichterstattung in überregionalen Printmedien “besser geworden” sein mag (Wormer), ist bestenfalls ein empirischer Befund, täuscht aber geradezu fahrlässig darüber hinweg, wie stark genau jene “überregionalen Printmedien” in ihrer Kommunikationswirkung nachgelassen haben. Wie übrigens der Journalismus insgesamt, wenn es um das Vertrauen der Bürger in Vermittler von Wissenschaft geht; so dokumentiert etwa die exzellente Datenbasis etlicher Eurobarometer-Studien seit mehr als einem Jahrzehnt den rapiden Niedergang.
Das renommierte Münchner Blatt, bei dem Kollege Wormer zuletzt gearbeitet hat, soll inzwischen auf eine Leserschaft mit einem Durchschnitts(!)alter von 62 Jahren kommen. Könnte es also sein, dass dieses vermeintliche “Streitgespräch” über “Wissenschaftskommunikation” sich den Marginalien widmet, während ganze Generationen von whatsappenden Abiturienten dem MINT-Studium den Rücken kehren? Wenn ich bei meinen Studenten aus Versehen mal das Wort “Fernsehen” sage, brauche ich erst einmal drei Wochen, um wieder zu beweisen, dass ich den Medienwandel doch nicht ganz verpasst habe. Einfach mal den Test machen und in eine Abi-Klasse hineinfragen, wer in den letzten 6 Monaten mit Absicht um 20 Uhr die Tagesschau eigeschaltet hat oder regelmäßig “Galileo” und “Nano” guckt. Die Frage nach der letzten Tageszeitungslektüre rate ich von vornherein zu vermeiden.
Bei den angeblich “winzigen Leserschaften” von Wissenschaftsblogs ist Kollege Wormer wohl entgangen, dass einzelne Blogger stärker kommentiert werden als SpOn, SZ und FAZ-net zusammen. Ich persönlich würde mit fliegenden Fahnen sofort Erstunterzeichner, Crowdfunder und wasausimmer jeder Petition für mehr investigative “Wächter” (Wormer) eines wissenschafts(politischen?) Journalismus werden, wobei sich ja gerade dieser bekanntlich seit Jahrzehnten größtenteils in der Rolle des Erklärbärs gefällt. Das Problem ist nur, dass der Pragmatiker in mir weiß, wie irrelevant dieses Wunschdenken geworden ist — rein medienökonomisch. Der Ruf nach stiftungsfinanzierter Subvention einer Wissenschaftskommunikation ohne jede Nachfrage in den jungen Generationen ist als Selbsterhaltungstrieb verständlich und womöglich demokratietheoretisch sogar ehrenvoll aber deshalb doch noch lange nicht im heutigen Mediensystem plausibel.
Ob die Vermittlung von Wissenschaft “intellektuell oft anspruchsvoller ist” als das Wissenschaffen selbst (Fischer), ist sicherlich etwas zugespitzt, aber zumindest ist die Aufgabe eines Wissenschaftskommunikations-Profis heute zigfach komplexer als die reine “Rechtfertigung” der Verwendung von Steuergeldern (Wormer). Institutionelles Kommunikationsmanagement ist vielleicht nicht immer “intellektuell” (Fischer), aber in jedem Fall nur noch von verantwortungsvollen Spezialisten zu leisten, die auch etwas von Governance und Führung verstehen, auf dem forschungs- und bildungspolitischen Parkett tanzen können usw.
Gleiches gilt meiner Meinung nach für die gesellschaftspolitische Dimension hochkontroverser Wissenschafts- und Technikthemen. Auch hierzu finden die Diskurse nur noch in Fragmenten im sogenannten Qualitätsjournalismus statt, sondern längst in anderen Sphären, wo unterschiedlichste Interessengruppen die Evidenz aus der Politik herausdrängen (siehe EFSA, Glover, Impfgegner, Tierversuche…). Und der Rat der “Experten” hierzu soll “weniger Kommunikation” seitens der institutionalisierten Wissenschaft sein? Kapitulation auf ganzer Linie? Na dann gute Nacht.
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