In dieser neuen Rubrik versuche ich einmal pro Monat eine neue wissenschaftliche Publikation aus dem Bereich Nanotechnologie vorzustellen, um die wissenschaftlichen Entwicklungen in der Nanotechnologie regelmäßiger abzubilden. Die verwendeten Artikel werden meistens nicht älter als ein Jahr sein und aus verschiedensten Journals mit Fokus auf Nanotechnologie kommen.
Der erste Artikel kommt aus dem August diesen Jahres und erschien in dem Journal NanoLetters.
Italienische und israelische Wissenschaftler haben eine Archimedische Schraube in der Größe weniger Nanometer hergestellt. Das Prinzip der Archimedischen Schraube funktioniert so, dass eine Schnecke sich in einem eng angepassten Rohr um ihre Mittelachse dreht. In den dadurch entstehenden Kammern kann Wasser, oder andere Sachen, (meist von unten nach oben) befördert werden.
Die Fähigkeit eine solche Schraube in der Größe weniger Nanometer herzustellen ist im Zuge der Miniaturisierung natürlich sehr reizvoll. Um ihr Ziel zu erreichen, untersuchten die Forscher das Verhalten von zweiwändigen Boronnitrid Nanotubes unter Stress. Da diese Aussage wahrscheinlich mehr Fragen als Antworten aufwirft, schauen wir einmal was das bedeutet:
Nanotubes sind Strukturen die wie kleine Röhren (tubes) aussehen. Im Idealfall ist die Röhrenwand nur eine Atomschicht (!) dick, die Breite der Nanotubes selbst kann dabei zwischen einem und mehreren hundert Nanometern variieren. Im Vergleich zu ihrer Breite sind Nanotubes extrem lang. Ihre Länge kann sogar in den Bereich von Mikrometern gehen. Durch diese Geometrie haben die Nanotubes einige besonders positive Eigenschaften. Sie sind sehr leicht, extrem stabil und können elektrisch Leitfähig sein. Die bekanntesten Vertreter sind die Kohlenstoffnanoröhrchen. Wichtig ist, dass in den Nanotubes die Atome in bestimmten, festen Position sitzen. Diese Positionen können selbst bei dem gleichen Material unterschiedlich sein, je nachdem wie die Nanotubes hergestellt wurden. Unten sieht man z.B. die Armchair (ja heißt wirklich so…) oder Zig-zag Muster in Nanotubes:
Allerdings gibt es noch zwei wichtige Zusatzinformationen:
- Je nach Verwendung können Nanotubes aus nur einer Schicht Atome oder aus mehreren (sog. multiwall Nanotubes) bestehen.
- Multiwall Nanotubes (vor allem aus Boronnitrid) sind nicht immer perfekt rund, sondern können Ecken (Facetten) bekommen.
Um diese Facettenbildung näher zu untersuchen haben die Forscher Nanotubes aus zwei Wänden (doublewall Nanotubes) im Computer zusammengebaut. Dabei bildeten sich Nanotubes mit verschiedenen Facetten aus. Im Bild unten sieht man ein Beispiel:
Das Spannende war jedoch, als man im Computer angefangen hat die Nanotubes zu drehen, also Stress auszuüben. Den die beiden Wände, die im Kontakt zueinander sind, bewegen sich nicht gleich. Es gibt zwar starke Wechselwirkungen zwischen beiden Wänden die sie zusammenhalten, aber sie bewegen sich trotzdem relativ zueinander, wenn die Nanotubes gedreht werden. Dadurch formten sich während der Drehung neue Facetten, oder besser gesagt die Facetten sind schneller gewandert als sich die Nanotubes selbst gedreht haben. Wenn man die Nanotube um 2° dreht, sind die Facetten bis zu 45° gewandert (!!!). Den Unterschied sieht man auf dem folgenden Bild:
Man könnten jetzt natürlich sagen, tolle Sache aber wen interessiert das? Aber in der Nanotechnologie ist die gezielte Manipulation auf dieser Größenebene genau das was wir machen und verstehen wollen, denn wenn wir auf dieser Größe gezielt manipulieren können, können wir das für uns ausnutzen. Da kommt auch die archimedische Schraube ins Spiel.
Die Autoren haben gezeigt, dass für eine bestimmte Boronnitrid Nanotube, die Facetten sehr gleichmäßig wandern, wie bei einer archimedischen Schraube (ganz oben im Bild). Die Anwendungen die sich dadurch ergeben sind natürlich ziemlich cool. Die Archimedische Schraube kann, wie das große Vorbild für Transportprozesse genutzt werden. Die Autoren schrieben dazu:
The resulting screw-like motion of the faceted helical pattern establishes the smallest realization of an Archimedian screw with the potential to achieve directional transport of weakly adsorbed molecules along the Surface of the tube
Statt Wasser bewegt man also einzelne Moleküle. Dadurch kann unglaubliche Präzision erreicht werden. Weiterhin ist eines der großen Medienthemen, im Bezug auf Nanotechnologie, die Erschaffung von Minirobotern. Dafür könnten diese Nanotubes als Gewinde eingesetzt werden. Überhaupt überall wo es um Miniaturisierung geht, könnten dieses Verhalten der Nanotubes interessant sein.
Die Ergebnisse dieser Arbeit sind also nicht nur für das reine Verständnis wichtig, sondern liefern auch sehr interessante Ideen für zukünftige Anwendungen.
Quelle: Guerra, R. et al. (2017) Smallest Archimedean Screw: Facet Dynamics and Friction in Multiwalled Nanotubes, Nano Letters
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