Roger Y. Tsien ist noch lange nicht zufrieden. Der Chemie-Nobelpreisträger des Jahres 2008 hat weitere, hoch ambitionierte Forschungspläne. Gestern abend sorgte Roger Tsien mit seinem inspirierenden Vortrag für einen bemerkenswerten Schlußakkord des ersten Kongresstages.
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Der 57 Jahre alte Professor für Pharmakologie, Chemie und Biochemie an der University of California in San Diego erzählte vor dem komplett besetzten großen Saal des Kongresszentrums, welche Etappen seiner Forscherkarriere schließlich zu der Entwicklung des grün fluoreszierenden Proteins (GFP) geführt haben, für das er letztes Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Und dann skizzierte Tsien seine aktuelle Forschungsarbeit, die – sollte er seine Vision umsetzen können – einen kleine Revolution in der Krebstherapie bedeuten könnte.

Aber der Reihe nach: denn eigentlich begann die ganze Geschichte ja vor schon vor Jahrmillionen. Denn so lange schwimmt die Quallenart “Aequorea Victoria” schon durch den Pazifischen Ozean. Ihre Besonderheit ist die Biolumineszenz. Dank eines fluoreszierenden Proteins leuchtet die Qualle blau. Und damit nahm die Geschichte ihren Anfang, an deren vorläufigem Ende die Forschungsarbeiten von Roger Tsien stehen.

Tsien hatte – wie hier auf ScienceBlogs schon beschrieben – die Arbeiten seines Kollegen Shimomura weitergetrieben und schließlich nicht nur das grün fluoreszierende Protein, sondern ein ganzes Spektrum an Fluoreszenzmarkern entwickelt, die aus der biotechnologischen Forschung nicht mehr wegzudenken sind.

Die neuen Pläne des Nobelpreisträgers

Seine mit dem Nobelpreis gewürdigte Leistung reicht ja eigentlich schon für ein Forscherleben, aber für Tsien ist dieser Erfolg kein Grund sich zurückzulehnen oder sich gar als etwas besseres zu fühlen. Er sieht sich – wie er letztes Jahr zur Auskunft gab – lediglich als derjenige, der anderen Kollegen adäquate Hilfsmittel für deren Forschung zur Verfügung stellt. Oder wie Tsien sagte: “I’m just the guy, who makes the tools.”

Nobelpreisträger Tsien: “I’m just the guy, who makes the tools.”

Irgendwie logisch, daß so einer (der offenbar eher zum Understatement in eigener Sache neigt) bei seinem Vortrag nicht müde wird, all die Kollegen und Mitarbeiter aufzuzählen, die irgendeinen Beitrag zu seiner Forschungsarbeit geleistet haben.

Und diese Arbeit läuft bei Roger Tsien und seinem Team weiter auf Hochtouren. Allerdings beschäftigt er sich seit einiger Zeit nicht mehr mit den ursprünglichen Fluoreszenzproteinen, sondern mit der Entwicklung synthetischer Moleküle, die keinen Gentransfer erfordern, kleiner als GFP und Co. sind und einen klinischen Einsatz ermöglichen.

Und welche Zielsetzung er dabei im Auge hat, illustrierte Tsien mit eindrucksvollen Bildern. Es ist nämlich die (operative) Krebstherapie, die er im Auge hat und von der er hofft, dass seine Arbeit sie ein Stück weit revolutionieren kann.

Tsien demonstrierte anhand verschiedener Folien, wie zielgenau sich fluoreszierende Moleküle an Krebsgewebe andocken lassen. Und genau diesen Effekt will er sich zu Nutze machen: denn wenn das Tumorgewebe auf diese Weise zum “leuchten” gebracht werden könnte, dann könnte für die Chirurgie eine neue Ära beginnen. Die Vorteile einer optimalen operativen Krebstherapie liegen für Tsien auf der Hand: “Tumors cannot aquire resistance to resection”, stand auf einer seiner Folien.

Wenn es gelingt mit floureszierenden Molekülen Tumore zu markieren, dann kann gesundes Gewebe geschont und das Krebsgewebe vollständig entfernt werden. Die Bilder sprechen für sich (in grün die fluoreszierenden Tumorzellen):

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Im Gegensatz dazu das selbe Gewebe unter weißem Licht:

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Tsien ist jedenfalls anzumerken, wie wichtig ihm die Sache ist. Der Professor aus San Diego hat noch einiges vor. Wenn es ihm gelingt, die “Molecular Fluorescence Guided Surgery” auf den Weg zu bringen, soll es uns allen wohl recht sein.

Hier Tsiens Folie vom gestrigen Abend:

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Kommentare (2)

  1. #1 Stella Koufou
    September 14, 2009

    Forschergeist ein Perpetuum Mobile mit dem Ziel Gutes noch zu verbessern!

    Selbstverständlich, war Roger Tsiens Vortrag auch auf dem 11th Young Scientist Meeting of the German Society for Cell Biology (DGZ) “Imaging Cell Migration” beeindruckend. Vorallem für die jungen Forscher mitzuerleben, dass man sich nach solch einem hochdotierten Preis nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen brauch, sondern es noch Tausend innovative Ideen zu erforschen gibt, wofür man den Nobelpreis auch als ein Beschleunigungsfaktor der Wissenschaft ansehen könnte.
    Interessant waren Tsiens fortlaufende Forschungsarbeiten vorallem in Bezug auf die chirurgische Anwendbarkeit seines “Tools” GFP. Die Entwicklung des GFPs hat sich als Gut erwiesen und dessen Nutzung auch mittlerweile sehr gut in der Forschungslandschaft etabliert…und dennoch konnte es nun durch dessen chirurgischen Einsatz bei der fluoreszenten Visualisierung von Tumoren und nicht erkennbaren Rest-Krebszellen verbessert werden.
    Ansätze zu dieser Entwicklung bestanden schon bei der Photodynamischen Diagnostik, welche Fluorophore, wie z.B. Porphyrine, zur fluoreszenten Tumorvisualisierung, nutzt. Die Spezifität und Sensitivität bzw. Vor- und Nachteile beider Einsätze wird über deren zukünftigen Nutzbarkeit bestimmen. Letztendlich, profitieren die Krebspatienten durch diese Entwicklung ungemein.
    Roger Tsien zeigte nicht nur den spezifischen Einsatz seiner fluoreszierenden Proteine bei der Krebserkennung, sondern auch bei der Darstellung von peripheren Nerven. Auch wenn er diese Forschung als “Langweilig” herunterspielte, damit ermöglicht er es Chirurgen schwerwiegende, operationsbedingte Nervenschädigungen zu vermeiden. Jedoch müßte er diesen Gedanken noch weiter ausbauen, da Chirurgen manchmal dennoch Nerven durchtrennen müßen, um an das darunterliegende Gewebe zu gelangen. Besser wäre es zwischen den beiden peripheren Nervenarten (sympathisch und parasympathisch) differenzieren zu können, um als Chirurg besser abwägen zu können, welchen Nerv man getrost kappen darf und welcher Nerv für den Patienten entscheidende Funktionen beherbergt.
    Schlußendlich, erkennt man durch Roger Tsiens Vortrag wie fundamental Grundlagenforschung und Methodenentwicklung ist, auch wenn zunächst ein Nutzen für Mensch und Natur nicht ersichtlich zu sein scheint.

  2. #2 Marc Scheloske
    September 15, 2009

    Hallo Stella,

    ja, anscheinend war Tsiens Vortrag auf dem “Young Scientists Meeting” (wo Du ihn gesehen hast?) und auf dem Weltkongress recht ähnlich. Danke jedenfalls für Deine weiteren Anmerkungen, in denen ich Dir zu 100% zustimme.

    Wobei an einer Stelle muß ich doch noch was hinzufügen: der Wunsch, daß man durch eine Einfärbung zwischen den verschiedenen Nervenarten unterscheiden kann, wird wohl (wenigstens soweit ich die Möglichkeiten verstanden habe) wohl auch durch Tsiens Arbeiten nicht in Erfüllung gehen. Aber man kann ja nicht alles auf einmal haben. 😉