Die Angst vor dem Neuen ist ein sehr menschliches Verhaltensmuster. Wer lernt, Ski zu fahren, steht beim ersten Mal oben auf dem Berg, das Herz rutscht in die Hose, und man fragt sich, wie man hier je wieder heil herunter kommt (geschweige denn im Stil aller anderen um einen rum). Nach ein, zwei Tagen, die Lernkurve ist steil, gehts ploetzlich, und man sieht vielleicht schon die ersten anderen, die noch nie auf Ski standen, unbeholfen am Lift und weiss genau, wie die sich wohl fuehlen muessen.
Beim Skifahren ist es wie bei allem Neuen: Man kann die Angst durch ausprobieren ueberwinden. Der Bogen zur aktuellen Stammzelldebatte ist schnell geschlagen: Die Angst vor dem Neuen, unverstaendlichen, ist auch hier in weiten Kreisen der Bevölkerung verbreitet. Nur wie ist diese Angst zu nehmen, vor etwas, dass man nicht so einfach ausprobieren kann?
Eine haeufig angewendete, bequeme Strategie, ist das kategorische Ablehnen. Diese Haltung findet man auch in der aktuellen Debatte um den Import embryonaler Stammzelllinien. Der unbequemere Weg geht ueber sich Informieren, ueber Hinterfragen. Es geht auch mit Vernunft.
Eine Variante des Ausdrucks der Angst in dieser Debatte ist das sich berufen auf ethische Moralvorstellungen. Es werden Grundgesetzartikel ausgepackt, mit religoesen Werten um sich geworfen und Verbindungen hergestellt, die der eigentlichen Thematik der Diskussion in keinster Weise Rechnung tragen und kausale Zusammenhaenge groesstenteils vermissen lassen.
Letztendlich geht es darum, Forschern in Deutschland die Moeglichkeit zu bieten, ihre Arbeit zu tun. Es geht um grundsaetzliche Fragen der Zellbiologie, es geht um ungeahnte Moeglichkeiten der Therapie, die erst entdeckt werden muessen, es geht ums verstehen.
Wie kommt man also in der aktuellen Debatte zu einer Meinung, die unvoreingenommen und nicht von Resentiments gepraegt ist? Hier liegt das Dilemma: Die Thematik ist so komplex, dass man eigentlich unweigerlich auf die Meinung Dritter angewiesen ist. Nicht jeder hat eben ein Grundwissen in Zellbiologie, Genetik und Molekularbiologie, um selbst zu einem Ergebnis zu kommen.
Wen fragt der interessierte Laie also wohl am besten? Doch wohl Menschen, die sich mit der Thematik auskennen, also Wissenschaftler. Einige solcher Informationsquellen sind hier auf der Seite ja auch verlinkt, zum Beispiel die Artikel in der Zeit von Ernst-Ludwig Winnacker, oder von Anthony Ho.
Es geht aber nicht nur ums fragen, es geht auch ums Vertrauen. Und es geht um Bescheidenheit: Wer sich unzureichend und einseitig informiert, wer die Zusammenhaenge nicht hinreichend versteht sondern nachplappert, muss sich das selber auch eingestehen koennen. Es ist keine Schande, zu komplexen Themen keine eigene Meinung zu haben. Ein hilfloses “Ich weiss es nicht” ist hier meistens besser als ein voreingenommenes, von Aengsten und Resentiments gepraegtes Urteil.
In diesem Zusammenhang machen auch Telefonumfragen wie diese hier zur Akzeptanz der Stammzellforschung in Deutschland keinen Sinn. Menschen lehnen eben erst einmal ab, was sie nicht verstehen.
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