Kritiker der Forschung an embryonalen Stammzellen und an anderen Gebieten der modernen Biologie argumentieren immer mit der Ethik. Aber was ist Ethik eigentlich? Ich versuche hier, den Begriff zu definieren und dessen Missbrauch in den Debatten um biologische Themen aufzuzeigen.
Die Ethik ist seit der Antike eine philosophische Disziplin. Sie beschäftigt sich mit menschlichem Handeln und Moral und sie ist, ganz wichtig, vernunftbestimmt. Wie jeder Wissenschaft liegen ihr also logische, rationale Gedankengänge zugrunde. Ethik versucht allgemeingültige Normen und Werte zu formulieren, Kriterien für gutes und schlechtes Handeln aufzustellen und Folgen abzuwägen und zu bewerten. Ethik ist nicht mehr und nicht weniger als das gedankliche Gerüst des Humanismus.
Die Argumente der Kritiker der Gentechnik und Stammzellforschung entspringen jedoch nicht der vernunftbestimmten Ethik, sondern der theologischen Ethik. Diese hat mit ersterer in etwa soviel gemein wie ein “Walfisch” mit anderen Fischen: Ein Wal schwimmt auch im Wasser, sieht in etwa aus wie ein Fisch, ist und bleibt aber doch ein Säugetier, also etwas komplett anderes.
Walskelett – Quelle: https://www.flickr.com/photos/ajy/651198274/
Analog: vernunftbestimmte Ethik und theologischer Ethik haben beide zum Ziel allgemeingültige Normen und Werte zu formulieren und Kriterien für gutes Handeln zu etablieren. Während die vernunftbestimmte Ethik dabei aber argumentativ vorgeht, baut die theologische Ethik auf die göttliche Offenbarung, den Glauben, und die Begründung sittlicher Prinzipien und moralischer Werte als Gottes Wille. Sie ist dadurch nicht schlechter oder besser, man muss aber fragen, welche ethische Herangehensweise auf Themen wie Gentechnik und Stammzellforschung anwendbar ist.
Dazu ein Gedankenexperiment:
Man stelle sich vor, in einem brennenden Labor befinden sich ein Kind sowie eine Kulturschale mit hundert künstlich befruchteten Eizellen. Sie haben die Möglichkeit entweder das Kind oder die Kulturschale zu retten. Wie würden Sie entscheiden?
Die theologische Ethik würde zu dem Schluss kommen, die Kulturschale zu retten, da sie ja der befruchteten Eizelle die volle Menschenwürde zubilligt. Das ist gleichermaßen absurd und pervers. Jeder einigermaßen vernunftbegabte Mensch würde natürlich dem Kind helfen!
Das Gedankenexperiment ist nicht von mir, sondern von Michael Sandel, Professor für politsche Philosphie in Harvard. Das Experiment, das erstmals 2006 in der Sonderausgabe “Ethics and the Life Scicenes” im “Journal of Philosophical Research” publiziert wurde (wie eine google Suche ergab), wurde von dem Virologen Alexander S. Kekulé bereits in seinem Artikel in der Zeit aufgegriffen.
Es macht vor allem eins deutlich: So richtig die moralischen Normen der theologischen Ethik auch sein mögen, auf die Stammzelldebatte ist sie einfach nicht anwendbar. Hier bedarf es vernünftiger Kriterien.
So gesehen geht es bei der aktuellen Diskussion eigentlich nicht um embryonale Stammzellforschung ja oder nein oder um die Verschiebung eines Stichtages, sondern um die gebotene Trennung von Staat und Kirche. Schließlich soll ein Gesetz geändert werden, und da haben religiöse Argumentationen nichts zu suchen.
Vor diesem Hintergrund ist auch eigentlich unverständlich, dass gleich vier Theologen in dem am 13. Februar 2008 neu benannten Deutschen Ethikrat sitzen: Dr. theol. Herrmann Barth, Landsbischof Dr. theol. Christoph Kähle, Weihbischof Dr. theol. Dr. rer. pol. Anton Losing und Prof. Dr. theol. Eberhard Schockenhoff.
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