Christine Prußky schreibt auf Spiegel online über die angeblich stark verbesserten Bedingungen für Nachwuchsforscher in Deutschland. Im Forum werden ihr die Argumente gleich wieder um die Ohren gehauen und die tatsächliche Situation wird durch Erfahrungsberichte dargestellt.
Klar ist: Eine Karriere als Wissenschaftler in Deutschland ist alles andere als einfach. Die Unsicherheit, ständig auf zeitlich befristeten Stellen zu sitzen, die Abhängigkeit von hierarchisch höher gestellten Wissenschaftlern, der Zwang, den Arbeitgeber mehrfach zu wechseln und umziehen zu müssen, die administrativen Aufgaben, das generell natürlich zu niedrigen Gehalt und die chronischen Überarbeitung bieten wenig Anreize, eine akademische Laufbahn anzustreben.
So sind letztlich die verbleibenden Wissenschaftler diejenigen, die einfach nicht anders können. Und zwar aus zwei Gründen: Weil sie
a) nicht gesellschaftsfähig sind, die Sozialkompetenz eines taubstummen Eremiten besitzen und eventuell mal wieder duschen sollten, und
b) weil Wissenschaft einfach wunderschön ist, die Freiheit zu forschen, Ideen zu haben und umzusetzen unbezahlbar ist, und die Flexibilität, die gefordert wird, sowieso genau dem eigenen Lebensstil entspricht.
Frauen in der Wissenschaft. Genau so siehts in einem Labor aus. Quelle: flickr, cc
Eine weitere, gleichermaßen bekannte wie erschreckende Tatsache ist das Ungleichgewicht bei der Besetzung von Lehrstühlen nach Geschlechtern: Nur 11% aller Universitätsprofessoren in Deutschland sind Frauen. Ich dachte bisher immer, dieses Ungleichgewicht läge letztendlich daran, dass zu viele ungeduschte Wissenschaftler der Spezies a) auf die ganzen Studentinnen und Doktorandinen abstoßend wirken, und diese sich daher lieber auf Jobs in der Industrie stürzen, mit geduschten Managern als Vorgesetzte.
Das Problem ist wohl vielschichtiger. Ich wurde auf einen sehr guten Essay von Christiane Nüsslein-Volhard in Current Biology vom 11.03.2008 aufmerksam gemacht: Women in science – passion and prejudice. Hier schreibt die Nobelpreisträgerin, wie es ihr als Frau auf der eingeschlagenen wissenschaftlichen Laufbahn ergangen ist, und was die wichtigen Faktoren und kritischen Punkte bei der Karriereplanung in der Wissenschaft heute sind.
Lesenswert, für Frau und Mann.
Nach der Lektüre mutet es seltsam oberfächlich an, zu sehen, dass das BMBF unter Annette Schavan 200 Profesorenstellen nur für Frauen schaffen will. Das hilft, um die Statistik zu verbessern, geht aber am eigentlichen Problem nicht nur vorbei, sondern überdeckt auch die eigentlichen, strukturellen Gründe für den Frauenmangel in akademischen Führungspositionen.
Ich denke, dass Frauen in der Wissenschaft durch diese Maßnahme nicht geholfen wird. Sie werden im Gegenteil eher diskreditiert. Die Berufung auf eine Professur ist eine Anerkennung der wissenschaftlichen Leistung. Wenn die Berufung basierend auf politischen Entscheidungen erfolgt, wird jede junge Professorin wohl häufiger als ihre männlichen Kollegen ihre Qualifikation rechtfertigen müssen.
Ganz richtig hat auch Jan Hubal einen meiner vorherigen Einträge kommentiert: “Die Vergabe von wissenschaftlichen Stellen sollte nur von der Qualifikation und Kompetenz der Bewerber abhängen, nicht vom Geschlecht, Nationalität, Rasse, Religionszugehörigkeit“.
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