Ich bin ja hier für ScienceBlogs.de gecastet worden, weil ich in erster Linie Wissenschaftler bin, der in zweiter Linie auch hin und wieder was darüber schreibt. Über meinen persönlichen wissenschaftlichen Hintergrund habe ich bisher herzlich wenig hier geschrieben.
Ich habe Biologie studiert und dann über Proteinfaltung und Chaperone promoviert. Inzwischen bin ich seit eineinhalb Jahren in Barcelona am Forschen. Ich bin also ein Postdoc.
Eine Frage, die ich mir bisher dreimal in meiner Laufbahn als Biologe stellen musste, war die, nach welchen Kriterien ich mir ein neues Labor und einen neuen Chef raussuche. Jedes Mal waren es andere Argumente und andere Gründe, die zur Entscheidung geführt haben.
Möchte man umziehen? Wie entscheide ich mich für ein Forschungsgebiet oder Projekt, Ist ein großes Labor besser oder ein kleines? Oder ein mittelgroßes? Ist ein renommierter Professor, der einen nicht direkt betreuen kann und der häufig nicht da ist, besser als ein junger Gruppenleiter, der voll hinter dem Forschungsprojekt steht, weil sein Erfolg direkt von dem eigenen Erfolg abhängt? Wie wichtig ist der Charakter des Chefs oder der Chefin? Und: Wie ist überhaupt sein oder ihr Charakter?
Eine allgemeine Dozententypologie gibt es seit gestern auf Spiegel Online. Ich führe hier diese Typologie für den biomedizinischen Sektor weiter aus. Der unten eingebundene Cartoon soll als kleine Charakterisierungshilfe für Forschungsgruppenleiter dienen. Am besten ausdrucken, ausschneiden und zum nächsten Bewerbungsgespräch mitnehmen, da nur so ein sofortiger, direkter Vergleich möglich wird.
(klick aufs Bild machts groß).
The nine types of Principal Investigators. Eingebunden mit freundlicher Genehmigung von Alexander Dent.
Den Cartoon habe ich in einem zweiteiligen Essay von Jonathan Yewdell in Nature Reviews Molecular Cell Biology gefunden: How to succeed in science: a concise guide for young biomedical scientists (1,2). Der Essay dient als Karriereratgeber und Leitfaden für junge biomedizinische Wissenschaftler. Er ist absolut lesenswert.
Aber zurück zur Frage, nach welchen Kriterien man sich ein Labor für die noch junge biomedizinische Karriere aussuchen könnte:
Diplomarbeit: Nachdem man alle Scheine gemacht hat, in diversen Laboren mehrwöchige Praktika hinter sich gebracht hat und möglicherweise Erfahrung als HiWi gesammelt hat, stellt sich die Frage, in welchem Labor man die Abschlussarbeit anfertigt. Spätestens hier ist der erste Moment der Konfrontation mit der Realität gekommen.
Hat man noch angefangenm Biologie zu studieren, weil man “irgendwas mit Tieren” machen wollte, in der Schule “in Bio gut” war, immer schon “Gentechnik interessant” fand, oder sein angelesenes Wissen und die lange Erfahrung bei Anbau und Zucht diverser Grünpflanzen (die Freunde habens bestätigt, man hat den grünen Daumen) in ein “vertiefendes Studium” überführen möchte, so stellt sich jetzt die Frage, wird es mikrobielle Physiologie, zelluläre Biochemie, molekulare Genetik oder Strukturbiologie.
Wenn man die Möglichkeiten nach den eigenen Interessen eingegrenzt hat, sollte man vor allem auf folgende Kriterien achten: Gute und direkte Betreung durch eine(n) erfahrene(n) Doktoranden/ Doktorandin oder einen Postdoc, regelmäßige Laborseminare, in denen Daten präsentiert und diskutiert werden, und die nationalen und internationalen Kooperationen der Arbeitsgruppe. Letztere eröffenen einem möglicherweise Kontakte zu Laboren für eine angestrebte, externe Promotion.
Doktorarbeit: Die Promotion sollte vor allem zwei Dingen dienen: Erstens sein Methodenspektrum so weit auszubauen wie irgend möglich, denn nur durch detaillierte Kenntnis der technischen Möglichkeiten kommen die Ideen für neue Experimente und man findet Anknüpfungspunkte zu benachbarten Forschungsfeldern für Folgeprojekte. Und zweitens: herauszufinden, wo die eigenen Grenzen liegen. Das bezieht sich auf das Ausloten der eigenen Frustrationstoleranz, weil die meisten Experimente erst mal nicht funktionieren werden. Und das bezieht sich auf die Erkenntnis, dass manche neuen Kollegen, und sei es nur durch die Jahre an Erfahrung in der Forschung, einfach mehr wissen als man selbst. Das sollte nicht Anlass sein, sich auf eigene Steckenpferde zu beschränken oder zu resignieren, sondern vielmehr Motivation, von den anscheinend intellektuell Überlegenen zu lernen.
Bevor man einen Vertrag über die unterbezahlte BAT2a/2 Stelle unterzeichnet, sollte man dem zukünftigen Chef gegenüber zwei Punkte angesprochen haben, oder zumindest mit den zukünftigen Kollegen darüber gesprochen haben: Wie lange dauert die Promotion in der Regel (fünf Jahre sind eine lange Zeit, drei Jahre sind oft zu knapp, und es dauert immer länger als man denkt!), und wie oft hat man die Möglichkeit, auf (idealerweise internationale) Konferenzen zu reisen? Zwei Konferenzen sollten schon drin sein, am besten schon eine, bevor man publikationsreife Daten hat, um sich selbst einen Überblick über das eigene Forschungsgebiet verschaffen zu können.
Ideal sind auch sogenannte “Summer schools”, in denen man sich intensiv theoretisch und experimentell mit einem Themenkomplex auseinandersetzt. Wenn man bis zu drei Wochen gemeinsam mit 30 Kollegen irgendwo in Südtirol oder einer schwedischen Kleinstadt kaserniert ist, sind intensive Kontakte zu Gruppenleitern sowie Doktoranden (und Doktorandinnen!) anderer Institute fast unvermeidlich, die dann nicht selten in langen Freundschaften münden.
Literatur:
1. How to succeed in science: a concise guide for young biomedical scientists. Part I: taking the plunge.
Nat Rev Mol Cell Biol. 2008 May;9(5):413-6
2. How to succeed in science: a concise guide for young biomedical scientists. Part II: making discoveries
Nat Rev Mol Cell Biol. 2008 Apr 10. [Epub ahead of print]
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