Letzte Woche in Spiegel Online: Provinzabgeordnete der CDU auf großer USA Reise. Mit dabei war auch der Stammzellkritiker Hubert Hüppe:
Am Ende der Reise verlangte der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe, 51, ein Stadtoberinspektor aus dem westfälischen Werne, der seit 17 Jahren im Bundestag sitzt, zum Flughafen begleitet zu werden. “Ich kann kaum Englisch”, sagt er. Deshalb habe er sich “hilflos gefühlt. Beim Einchecken kann immer was passieren, und dann steh’ ich da”.
Wir erinnern uns, Hüppe war der Antragsteller, der einen komplettes Verbot der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen forderte. Kann angeblich kein Englisch, aber will eine differenzierte Meinung zur Forschung an embryonalen Stammzellen haben. Mit Fachliteratur kann er sich also schon mal nicht auseinander gesetzt haben.
Noch mal in den Bundestag: Einige von meinen Lesern werden auch eine Erinnerungsmail bekommen haben: Dr. Anton Hofreiter, MdB der GRÜNEN und promovierter Biologe hat sich nach 10 Wochen zu einer Antwort auf meine Anfrage vom 20.04.2008 per Abgeordnetenwatch hinreißen lassen.
Ist ja nun schon eine ganze Weile her. Es ging um die Abstimmung im Bundestag zur Verschiebung des Stichtags zum Import von humanen embryonalen Stammzelllinien. Ich habe Dr. Hofreiter folgendes gefragt:
Sie haben bei der Abstimmung zur Änderung der Stammzellgesetzgebung gegen den eingebrachten Antrag zur Verschiebung des Stichtags für den Import embryonaler Stammzelllinien gestimmt.
Sie sind ja promovierter Biologe und haben sicher eine qualifizierte Meinung. Könnten Sie mir bitte erklären, was die Hintergründe für Ihr Abstimmungsverhalten sind?
Seine Antwort liest sich so:
Die alte Regelung, mit der ich zufrieden war, stellte einen guten Kompromiss zwischen ethischer Verantwortung und der Forschungsfreiheit dar. Vom Standpunkt eines Wissenschaftlers aus betrachtet, finde ich die adulte Stammzellenforschung spannender als die embryonale Stammzellenforschung.
Dann folgen noch zwei Sätze zu technischen Aspekten der Abstimmung.
Spannender ist sie also, die Forschung an adulten Stammzellen, und daher soll an embryonalen nicht geforscht werden. Ich finde diese Antwort nicht gerade befriedigend, und da ich mir doch noch gerne eine qualifizierte Meinung zum Thema Forschung an embryonalen Stammzellen einholen wollte, habe ich Prof. Dr. Konrad Hochedlinger im Rahmen eines Gastvortrags hier an dem Institut an dem ich arbeite ein paar Fragen gestellt.
Konrad Hochedlinger ist Österreicher und Assistent Professor für Medizin in Harvard. Sein Labor versucht die molekularen Mechanismen zu verstehen, die der Pluripotenz und der Reprogrammierung von Stammzellen zu Grunde liegen. Sie arbeiten mit humanen und murinen ES Zellen (embryonalen Stammzellen).
WG: In Deutschland wurde Anfang diesen Jahren eine intensive Debatte über die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen geführt mit dem Ergebnis, dass es weiterhin einen Import-Stichtag für solche Zelllinien gibt, die in der Forschung verwendet werden dürfen. Neue humane ES-Zelllinien dürfen in Deutschland nicht hergestellt werden. Denkst du, das ist ein gelungener Kompromiss, oder sollte die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen weiter liberalisiert werden?
KH: Ich persönlich bin der Meinung, dass humane ES Zelllinien von überzähligen Emrbyonen aus in-vitro Fertilisationen für die Forschung hergestellt werden sollen, sofern die Zustimmung der Eltern besteht.
WG: Ihr beschäftigt euch intensiv mit der Reprogrammierung von somatischen Zellen zu sogenannten iPS Zellen (induzierte pluripotente Stammzellen), die embryonalen Stammzellen gleichen. Inwieweit kann die Forschung an iPS Zellen die Forschung an echten embryonalen Stammzellen ersetzen und wo sind die wichtigsten Unterschiede?
KH: Es ist noch nicht klar, ob iPS Zellen wirklich identisch mit ES Zellen sind. Daher wird es weiterhin wichtig sein, beide Zellarten parallel zu studieren, nicht zuletzt um herauszufinden, worin mögliche Unterschiede liegen. Es wird also essentiell sein, weiterhin ES Zellen zu untersuchen, zumindest als Kontrolle bzw. Referenz für die Qualität von iPS Zellen.
Der große Vorteil von iPS Zellen ist, dass man sie direkt von Patienten gewinnen kann, von denen natürlich keine ES Zellen mehr zur Verfügung stehen. Diese Zellen können zur Untersuchung spezifischer Krankheiten genutzt werden, aber auch potentiell zur Behandlung von Krankheiten ausdifferenziert werden.
WG: Die Stammzellforschung wirbt gerne mit etlichen potenziellen Therapiemöglichkeiten. Was sind deiner Meinung nach die ersten Krankheiten, die tatsächlich mit Hilfe von gezielt ausdifferenzierten Stammzellen behandelt werden können, und werden reprogrammierte körpereigene Zellen dafür verwendet werden?
KH: Ich glaube wir sind weit entfernt von der Behandlung von Krankheiten mit iPS Zellen, weil momentan noch potentiell schädliche Viren benutzt werden, um iPS Zellen herzustellen. Ich sehe die unmittelbare Anwendung eher in der Entwicklung von Medikamenten im Labor mithilfe von iPS Zellen, die für Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Diabetes hergestellt werden. In diesem Fall gelangen die Zellen nie zurueck in den Patienten sondern dienen nur zur Entwicklung oder zum Testen von Medikamenten.
WG: Du bist Österreicher, forschst aber in Harvard. Wie lange bist du schon in den USA und kannst du dir vorstellen, möglicherweise auch erst in einigen Jahren, wieder nach Europa zurück zu kommen und hier weiter zu forschen?
KH: Ich bin seit 8 Jahren in den USA und seit 3 Jahren an der Harvard Universität. Das wissenschaftliche Umfeld und die Möglichkeiten, schnell in neue Gebiete einzusteigen sind hier bemerkenswert und besser ausgeprägt als in den meisten europäischen Universitäten. Es hat sich aber in den letzten Jahren viel in Europa bewegt in der Richtung und ich schließe es nicht aus, dass ich in Zukunft einmal nach Europa zurückkehre.
WG: Konrad Hochedlinger, vielen Dank für das Interview.
Dann doch lieber die Meinung eines Fachmanns. Die Folgenden zwei Abbildungen sind Originalslides aus dem Vortrag von Konrad Hochedlinger. Click auf die Bilder macht sie größer.
Differenzierungswege einzelner Zelltypen nach der Befruchtung. Je weiter ausdifferenziert ein Zelltyp ist, desto geringer das Potential, sich in alternative Zelltypen zu differenzieren. Ziel der Reprogrammierung ist es, diese Differenzierungsschritte rückgängig zu machen und einzelne Zelltypen zu modifizieren.
Schematische Darstellung der Zelldifferenzierung. Grüne Pfeile zeigen die normale Ausdifferenzierung an. Rote gestrichelte Pfeile stehen für Erfolge bei der Reprogrammierung. Die jeweiligen Transkriptionsfaktoren, die für eine erfolgreiche Reprogrammierung in den Zellen exprimiert werden müssen, sind angegeben.
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