Zwei Portale im Internet zu den Themen Gentechnik und Stammzellen. zellux.net und wie-weit-wollen-wir-gen sind fast komplementär aufgebaut und beide haben Stärken und Schwächen: zellux.net ist statisch, informativ und wenig übersichtlich. wie-weit-wollen-wir-gen.de ist dynamisch, fachlich unterbesetzt und wenig frequentiert. Wie kann Wissenschaft thematisch fokusiert am besten kommuniziert werden?
Ich versuche seit dem Wochenende verzweifelt auf dem Blog “Diagnose Mensch” der ZEIT einen Kommentar zu posten. Sehr weit komme ich nicht. Ich werde, nachdem ich auf “Abschicken” klicke, darauf hingewiesen, dass mein Kommentar als Spam eingeordnet wurde, dem Administrator vorliege, und ich die Blogautorin per Email darauf aufmerksam machen könne. Wenn ich denn eine Emailadresse auf der Seite finden könnte, hätte ich das auch gemacht.
Katrin Zinkant (Biochemikerin) schreibt dort in ihrem Blogeintrag “Fast alles über Stammzellen” über die vom BMBF geförderte Webseite zellux.net. Die Seite ist nach eigenen Angaben ein „Diskursprojekt zu ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen in den modernen Lebenswissenschaften“. Katrin Zinkant von der ZEIT findet die Seite soweit super. Fast alle Aspekte der Stammzelldebatte würden ausgewogen abgedeckt und übersichtlich dargestellt. Was das Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster mit Unterstützung von Didakten und evangelischer Kirche auf die Beine gestellt habe, sei wohl derzeit das umfangreichste Informationsportal zum Thema Stammzellen. Ein paar Haare findet sie dennoch in der Suppe. Unter anderem neige sich die Waage zu sehr in Richtung Forschung bei den Didaktikmaterialien für Lehrer.
Das Dilemma mit der Menschenwürde
Tja. Stammzelfoschung ist eben kein Religionsunterricht, möchte man antworten, ohne sich die betreffende Sektion angeschaut zu haben. Tatsächlich geht es dort um einen Text mit ethisch brisantem Inhalt. In die Geschichte “Die Rettung” verpackt, wird das Hauptargument der kirchlichen Argumentation contra Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ad absurdum geführt. Wie würden Sie entscheiden: Sie können aus einem brennenden Labor entweder eine Laborantin retten, oder einen Inkubator der Kulturschalen mit Zellklumpen, sprich Embryonen enthält?
Jeder vernünftig denkende Mensch würde selbstverständlich die Zellklumpen zurück lassen und den Menschen retten. Und wenn es hunderte Zellklumpen wären. Nur die theologische Ethik käme eben zu dem Schluss, die Embyonen zu retten, da nach deren Argumentation Embryonen in Petrischalen die volle Menschenwürde zugestanden wird. Das ist absurd und unmenschlich zugleich, und zeigt, dass theologische Argumentationen in der Stammzelldebatte nichts zu suchen haben. Dieses Gedankenexperiment ist übrigens auch nicht neu, sondern von Michael Sandel, Professor für politsche Philosphie in Harvard, schon 2006 publiziert worden (siehe auch hier).
Informationsportale für Stammzellen und Gentechnik
Doch zurück zu der im ZEIT Blog besprochenen Seite. zellux.net ist ein ausführliches Informationsportal zur Stammzellforschung. Biologische Grundlagen, medizinsche Anwendungen, gesetzliche Rahmenbedingungen, sowie ethische Fragestellungen und die Positionen der Kirchen werden gleichermaßen dargestellt und erörtet. Mitglieder des dieses Jahr neu einberufenen Ethikrates kommen in Videointerviews zu Wort. Zu empfehlen: Der Jurist Jochen Taupitz. Ein Besuch lohnt sich, einzig etwas übersichtlicher könnte die Seite sein, und ich vermisse eine Suchfunktion.
zellux.net ist nicht die einzige Seite im Internet, die Kontroversen der modernen Biolgie thematisiert. Seit Anfang des Jahres gibt es die Seite wie-weit-wollen-wir-gen.de. Nach eigenen Angaben ein “offenens Blog zur Genforschung”. Die Seite hat nach dem Launch erst mal ihr Fett abgekriegt, und sich seither gemausert.
Die Aufmachung der Seite ist weniger statisch als bei zellux.net, Es gibt direkt auf der Startseite die Möglichkeit zu vorgeschlagenen Themen seine Meinung zu äußern (aktuell “Ich stelle meine Gen-Daten ins Internet”), und die der anderen Teilnehmer zu diskutieren. Mehr Partizipation, weniger trockene Hintergrundinformation. Guter Ansatz, nur die Zielgruppe ist zu eng gefasst. Die Seite richtet sich, auch im Ton, ausschließlich an Jugendliche. Nach der Zahl der Kommentare zu urteilen, sind es nicht allzu viele, die dort ihre Sorgen und Wünsche zu den vorgegebenen Themen äußern.
wie-weit-wollen-wir-gen wurde von politik-digital und dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung aus Berlin konzipiert, und die Seite wird, wie auch zellux.net, vom BMBF unterstützt. Mit dem Projekt soll herausgefunden werden, welche Fragen zur Gentechnik Jugendliche interessieren. Es fällt auf, dass weder im Team von wie-weit-wollen-wir-gen, noch im Beirat ein Biologe, Biochemiker, oder überhaupt ein Naturwissenschaftler sitzt. Um ein glaubwürdiges Portal zu Fragen der modernen Biologie zu führen, zudem mit Aktualitätsanspruch, wäre es doch angebracht, einen Fachmann zu den Themen der Seite an Bord zu haben. Zumindest auf redaktioneller Ebene.
Ein weiterer, vielleicht noch wichtigerer Punkt ist die Frage, wer überhaupt auf die Webseite findet. Ein zielgruppengerichtetes Portal muss auch irgendwie von der Zielgruppe spezifisch wahrgenommen werden, und ich bezweifel, dass die Verweise von Google da alleine ausreichen. Wird wie-weit-wollen-wir-gen in Schulen beworben? Bei überregionalen zielgruppenspezifischen Veranstaltungen, wie “Jugend forscht”? Werden eventuell Anzeigen in passenden Print- und Onlinemedien geschaltet? Würde das etwas ändern?
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