Was ist bei der Wahl der Stelle für die Doktorarbeit wichtiger: Die Stadt oder der Chef? Wie findet man zu einer Entscheidung, wenn es zu viel Auswahl gibt? Ist die Karriere in Gefahr, wenn man nicht ins Ausland zieht? Wird der Doktortitel in Deutschland anerkannt? Ein Leitfaden für die Wahl des richtigen Labors für die Doktorarbeit in den Biowissenschaften.
Wohl in wenigen Forschungsgebieten gibt es ähnlich viele freie Doktorandenstellen, wie aktuell in den modernen Biowissenschaften. Das liegt vor allem daran, dass irgend jemand ja die ganze Laborarbeit machen muss, die in den Forschungsanträgen in ein, zwei Absätzen lediglich angedeutet wird. Wer sich also während des Studiums molekularbiologische Grundlagen aneignet und weiß was er will, wird auch einen Job in einem Labor an einer Uni oder einem Institut finden.
Viele freie Stellen bedeuten aber auch, dass man eigene Entscheidungskriterien entwickeln muss, und dass man tatsächlich aktiv eine Entscheidung für eine Stelle zu treffen hat. Die Frustration durch Absagen auf etliche Bewerbungen (wie etwa bei Versuchen in der Industrie unter zu kommen) verschiebt sich also zur Qual bei der Wahl des richtigen Labors bei unüberschaubarer Auswahl.
Sinnvolle Entscheidungskriterien werden zwei Argumenten gerecht: Sie sind logisch nachvollziehbar, und sie reduzieren die Auswahlmöglichkeiten. Eine erste Einschränkung geschieht natürlich fachlich. Während des Studiums bilden sich Präferenzen für gewisse Felder. Welche Kriterien letztendlich für die Entscheidung ausschlaggebend sind, hängt dann von persönlichen Prioritäten ab. Und diese lassen sich wiederum eigentlich recht klar typologisieren:
1. Der Konservative
2. Der Mobile
3. Der Karriereorientierte
Der Konservative
Der Konservative Typ schränkt seine Auswahlmöglichkeiten dadurch ein, dass er bestehende Strukturen nutzt. Entweder die Doktorarbeit wird am gleichen Lehrstuhl geschrieben wie die Diplom- oder Bachelorarbeit, oder bei einer Gruppe an der gleichen Uni oder bei einem bekannten Kooperationspartner, mit dem während der Abschlussarbeit sowieso schon zusammen gearbeitet wurde. Das hat nicht von der Hand zu weisende Vorteile: Du hast ein bestehendes soziales Umfeld, die Beziehung leidet nicht. Die Kollegen und der Chef sind bekannt, man hat einen ersten Überblick über das Forschungsgebiet der Promotion, und man kann vielleicht sogar am Thema der Abschlussarbeit weiter arbeiten.
Wenn du zum konservativen Typ gehörst, verschafft das dir möglicherweise einen nicht unerheblichen Vorsprung bei der Bearbeitung deines Promotionsthemas, der es realistischer macht, tatsächlich nicht länger als geplant für die Promotion zu brauchen. Doch schon während der Promotion wirst dich wiederholt fragen, ob du gegen die ganzen tollen Hechte mit der vielen Auslandserfahrung auf dem Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance hast und spätestens im dritten Jahr liest du verstohlen die Angebote im Pharma-Außendienst.
Der Mobile
Das genaue Gegenteil des Konservativen Typs. Treibendes Motiv für den Mobilen ist die Möglichkeit, Dank der kompletten Internationalisierung der Biowissenschaften, wo immer man möchte seine Doktorarbeit zu schreiben. Bevorzugt natürlich Ausland. Und weit weg. Da Mobilität alleine kein hinreichendes Kriterium zum Einschränken der Möglichkeiten ist, und es nun ja etliche Länder mit noch mehr Universitäten und Instituten gibt, werden sekundäre Argumente zur Entscheidungsfindung herangezogen. Für die einen ist das Wetter ausschlaggebend, die Schönheit oder die Urbanität einer Stadt, der Traum von einem fernen Land, oder das Essen und gutes Bier.
Andere Kriterien, die dem Mobilen bei der Auswahl helfen können sind: Dauer der Doktorarbeit: Schnell kann man in Großbritannien und in Dänemark promovieren. In den USA dauert es wohl am längsten. Gehalt während der Promotion: In Dänemark und in der Schweiz sind die Löhne für Doktoranden meines Wissens nach am höchsten. In Belgien und in den Niederlanden verdient man auch noch überdurchschnittlich viel.
Du hast deine Traumstelle an einem exklusiven Institut in einem exotischen Land ergattert und kannst theoretisch in der Mittagspause zum surfen gehen. Das Leben wäre schön, wenn endlich mal deine Experimente funktionierten, und du tatsächlich Zeit hättest, das alles zu genießen, was du dir vorgenommen hast. Spätestens bei deiner Rückkehr musst du dich dann damit auseinandersetzen, ob dein Doktortitel zu Hause auch etwas Wert ist. Hier daher der Link zum Informationssystem zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse (Anabin).
Der Karriereorientierte
Der Typ des Karriereorientierten deckt sich teilweise mit dem des Mobilen. Der Umzug ist für den Karriereorientierten jedoch nicht das primäre Argument. Ihm geht es vielmehr darum, in einem Top Labor zu landen. Soll heißen: Bekannter Chef, weil andere Kriterien sind aus der Ferne schwer anzulegen. Die Chancen in solch einem Labor unterzukommen stehen nicht schlecht, da deutsche Absolventen generell als sehr gut ausgebildet und fleißig gelten. Inwieweit sich das mit der flächendeckenden Verkürzung der Studienzeiten Dank Bologna ändert, wird sich im Lauf der Zeit zeigen.
Du bist karriereorientiert, und wusstest schon im Grundstudium, dass du am besten statt deines Professors da vorne stündest. Du freust sich fast schon masochistisch auf 60 Stunden Wochen und Wochenendarbeit. Dafür ziehst du natürlich auch ohne Murren um. Meist in ein kleines, überteuertes WG-Zimmer in Arbeitsplatznähe, was dir aber nichts ausmacht, da du sowieso die meiste Zeit im Labor verbringen wirst. Über Lebensqualität hast du dir wahrscheinlich bisher wenig Gedanken gemacht hat. Zwei Anmerkungen noch: Eine Promotion in den USA dauert in der Regel deutlich länger als in Europa, und nicht vergessen, sich ein soziales Netz aufzubauen. Nur mit guten Freunden kommst du über Phasen des Zweifels und der Frustration hinweg. Und die wirst du unweigerlich haben.
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