Die unvermeidliche Unsitte Jahresrückblicke zu verfassen hält auch auf diesem Blog Einzug. Zur Abwechslung geht es weder um die Gewinner noch um die Verlierer des Jahres 2008, sondern um unglückliche Kompromisse bei Stammzellen, Wege der Wissenschaftskommunikation und um ResearchBlogging, ein Projekt zur Bündelung von Blogeinträgen zu Forschungsartikeln.
Wenn man sich “zwischen den Jahren” dem lustvollen Genuss kollektiver Traditionen bezüglich Tannenbaum, Weihnachtsgebäck, gebratener Großvögel, und als Freund der Winzer und ihrer Produkte, qualitativ hochwertigem Alkohol hingibt, bleibt es nicht aus, das fast vergangene Jahr retrospektiv Revue passieren zu lassen. Letztendlich sind diese kontemplativen Momente nur Ausdruck der ungewohnten Freiheit, den eigenen Geist nicht ausschließlich zur Bewältigung des Alltags einsetzen zu müssen.
Ich möchte in meinem Rückblick allerdings weder auf die Sportler des Jahres (Schwimmerin Britta Steffen, Gewichtheber Matthias Steiner und die Hockey-Nationalmannschaft) noch auf die Verlierer des Jahres (Ihr Aktiendepot, Andrea Ypsilanti und Sarah Palin) eingehen, sondern noch einmal an die Debatte um den Import aktueller humaner embryonaler Stammzelllinien erinnern. Ihnen bleibt nichts erspart.
Die Ergebnisse der Stammzelldebatte
Zur Erinnerung: Das Ergebnis der Debatte war ein unbefriedigender Kompromiss, der meiner Meinung nach bis in spätestens fünf Jahre erneut hinfällig ist, und den Import von humanen embryonalen Stammzelllinien erlaubt, die vor einem willkürlich festgelegtem Stichtag im Jahr 2007 hergestellt wurden, die Herstellung derselben in Deutschland jedoch weiterhin verbietet.
Der wünschenswerten Liberalisierung der Forschung an jenen Zelllinien, die zahlreiche medizinische Anwendungen und Einsichten in die Differenzierungsmöglichkeiten von Zellen verheißen, stand und steht eine Opposition selbsternannter Experten gegenüber, die zwar meistens nicht verstehen, wovon sie reden, aber dennoch über Gebühr Einfluss auf die gesellschaftliche Meinung und politische Entscheidungen haben. Diese, im Mäntelchen der Ethik verkleidete Koalition der Kritiker und Mahner, deren Argumente sich ausschließlich aus religiös motivierten Ressentiments und ökologisch-konservativen Ängsten speisen, ist absolut ernst zu nehmen. Wir werden mit ihnen bei jeder anstehenden wissenschaftspolitischen Entscheidung zu kämpfen haben.
Ich meine, neben der Entlarvung jener wissenschaftsfeindlicher ideologisch geprägter Argumente, tut es für zukünftige Debatten vor allem Not, das Vertrauen in die Wissenschaft und in Wissenschaftler zu stärken. Bei Entscheidungsträgern und in der Öffentlichkeit. Ein wichtiges Werkzeug dazu ist die Wissenschaftskommunikation. Hier bieten Blogs von Wissenschaftlern durch ihre Authentizität, ihre Aktualität und die Möglichkeit der direkten Diskussion besondere Möglichkeiten.
Was leisten Wissenschaftsblogs?
Zu lange wurde die Wissenschaftskommunikation ausschließlich sogenannten kritischen Wissenschaftsjournalisten überlassen, deren Ambitionen häufig eher darin liegen, die Leser davon zu überzeugen, sie verstünden wovon sie schrieben, als sich tatsächlich intensiv mit den referierten Forschungsergebnissen und deren Hintergründe und Konsequenzen zu beschäftigen. Vermutlich werden die Journalisten dazu durch Zeitdruck und eng gesteckte Abgabefristen und Wortbegrenzungen in den Beiträgen gezwungen.
Blogs, geführt von Wissenschaftlern, bieten eine Alternative. Artikel unterliegen hier keiner redaktionellen Kontrolle, außer der eigenen, es besteht kein Zeitdruck, außer des sich vom Autor selbst auferlegten, und es gibt keine Begrenzung der Wortzahl, so dass Zusammenhänge ohne Reue erklärt werden können.
Wichtiger noch: Es besteht kein Zwang, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die nicht in das eigene Interessengebiet fallen, und es besteht eine Kultur der Recherche, die doch meistens zu qualifizierten und durchdachten Beiträgen zu wissenschaftlichen Themen im Kompetenzbereich des Autors führen.
Es sind zwei wesentliche Fragen, die sich für die Leser von Wissenschaftsblogs stellen: Wie finde ich die interessantesten Blogs, und wie kann ich fundierte Artikel von unwissenschaftlicher Meinungsmache unterscheiden. Die Bündelung von Blogs in glaubwürdigen Blogportalen, wie die ScienceBlogs oder die Wissenslogs sind eine Möglichkeit. Das beinhaltet explizit auch die verlinkten Blogs in der Blogroll, hier bei ScienceBlogs jeweils in der linken Spalte.
ResearchBlogging
Eine weitere Möglichkeit bieten Metaseiten, die einzelne, gewissen Qualitätskriterien entsprechenden Blogartikel sammeln. Seit September diesen Jahres gibt es die Seite ResearchBlogging.org auch für deutschsprachige Artikel. Dort werden ausschließlich Blogposts aggregiert, die wissenschaftliche Veröffentlichungen aus Fachmagazinen zum Thema haben.
ResearchBlogging.org hat zwei Kontrollstufen, um die Qualität der Artikel zu garantieren. Zum einen wird jedes Blog manuell geprüft, bevor entsprechende Artikel automatisch bei ResearchBlogging.org gesammelt werden, und zum anderen gibt es die Möglichkeit für die Leser, im ResearchBlogging Forum auf einzelne Blogposts hinzuweisen, die den Qualitätskriterien nicht genügen. Inzwischen sind über 400 Blogs weltweit für ResearchBlogging.org akkreditiert, etwa 40 davon bloggen in deutscher Sprache, zum Teil über aktuellste Forschungsergebnisse, bevor sie in den klassischen Medien ebenfalls aufgenommen werden.
Ich hoffe,WeiterGen ist in diesem Jahr ebenfalls Ihren Qualitätsansprüchen an ein Wissenschaftsblog gerecht geworden, ich würde mich freuen, Sie weiterhin als regelmäßigen Leser meiner Artikel zu behalten, und bedanke mich herzlich bei all jenen, die meine Blogposts kommentiert haben.
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Foto via flickr (cc)
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