i-5438b9aa33afa8d7ca175314b5d35d85-dna-sequencing-thumb-250x192.jpg

Die Methoden zur DNA-Sequenzierung haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Hier ein Überblick über die Aktuellsten, die es bald möglich machen könnten, für unter 1000 Euro ein komplettes menschliches Genom zu sequenzieren. Bei gegebener technischer Machbarkeit stellt sich die Frage: Was passiert, wenn die Daten in die Hände der Krankenkassen geraten?

Eine Schlüsseltechnologie der modernen Molekularbiologie ist die DNA Sequenzierung. Spätestens seit 2001 medienwirksam die erste Version der kompletten DNA-Sequenz eines Menschen publiziert wurde, interessiert sich auch die Allgemeinheit dafür. DNA sequenzieren heißt: Die genaue Abfolge der einzelnen Basenpaare in der DNA zu bestimmen, und die Sequenzdaten in die richtige Reihenfolge bringen. Das wird seit den 1980ern erfolgreich und in großem Ausmaß getan, und komplette DNA-Sequenzen von verschiedensten Organismen sind seither publiziert worden.

Wer verwaltet die DNA-Sequenzen?

Publizierte Sequenzdaten werden hauptsächlich in drei Datenbanken zentral gespeichert: In der EMBL Nucleotide Sequence Database am EBI in Großbritannien, in der GenBank in den USA und in der DNA Data Bank of Japan. Dort werden Petabytes an Daten verwaltet und die Menge der publizierten Sequenzdaten steigt ständig weiter an. Hier in der Grafik ist die Zahl der vollständig sequenzierten Organismen in GenBank dargestellt.

Sequenced organisms in GenBank.jpg

Revolution der Sequenziermethoden

Die Methoden zur DNA Sequenzierung haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Das erklärte Ziel der Branche ist möglichst bald das menschliche Genom für unter 1000 Dollar zu sequenzieren. Momentan wird von Complete Genomics angekündigt, demnächst ein ganzes Humangenom für 5000 Dollar sequenzieren zu können. Zum Vergleich: Das erste sequenzierte menschliche Genom hat rund 4 Milliarden Dollar gekostet.

Hauptsächlich zwei technische Weiterentwicklungen ermöglichen es, günstiger zu sequenzieren. Zum einen ist es eine massive Parallelisierung der eigentlichen Sequenzierreaktion, und zum anderen wird durch Miniaturisierung versucht, die Menge der benötigten teuren gelabelten Nukleotide zu verringern, oder gleich ganz darauf zu verzichten. Hier drei Beispiele, um aktuelle Sequenziermethoden zu verdeutlichen. Das ist High-Tech.

Bei der Methode von Helicos werden relativ kurze DNA-Stücke massenhaft auf einer Oberfläche fixiert. Nach Zugabe von gelabelten DNA-Bausteinen (Nukleotide) und einer Polymerase wird Schritt für Schritt die Sequenz der kurzen Stücke bestimmt.

Ähnlich funktioniert die Methode von Pacific Bioscience. Hier der Link zum Video. Eine DNA Polymerase baut die unterschiedlich gelabelten Nukleotide in die DNA ein; die Zeit, die zum Einbau nötig ist, reicht aus, um eindeutig zu bestimmen, welches Nukleotid gerade verbaut wird.

Einen völlig anderen Ansatz wählt Oxford Bioscience, deren revolutionäre Methode vor Kurzem in Nature Nanotechnology publiziert wurde.

Im zugehörigen Video wird gezeigt, wie Nanoporen mit angehefteter Nuklease eingebettet in eine künstliche Membran, genutzt werden können, um die Sequenz einzelner DNA-Moleküle schnell und kostengünstig zu bestimmen. Nukleasen sind Enzyme, die DNA in die einzelnen Nukelotide zerlegen. Was wie Science-Fiction aussieht, war der Firma Illumina, einem der Marktführer bei der DNA-Sequenzierung, immerhin ein Investment von 18 Millionen Dollar wert, um sich Rechte an der Methode zu sichern.

Ein weiterer Vorteil der Methode von Oxford Bioscience ist, dass deutlich längere DNA-Stücke sequenziert werden können. Das verringert die Komplexität und die Dauer der momentan limitierenden Auswertung der Sequenzdaten am Computer.

Wir sind nicht mehr weit entfernt von der Sequenzierung eines kompletten Humangenoms für unter 1000 Euro und ich würde selbstverständlich meine DNA sequenzieren lassen. Die Frage, die mich zur Zeit beschäftigt ist: Was würde meine Krankenkasse machen, wenn sie Zugang zu den Daten hätte? Oder anders gefragt: Wäre es denkbar, dass Krankenkassen ihren Kunden besondere Konditionen anbieten, wenn die Versicherten den Kassen freiwillig ihre DNA-Sequenzen zur Verfügung stellen würden?

Aktuelles Paper in Nature NanotechnologyResearchBlogging.orgJames Clarke, Hai-Chen Wu, Lakmal Jayasinghe, Alpesh Patel, Stuart Reid, Hagan Bayley (2009). Continuous base identification for single-molecule nanopore DNA sequencing Nature Nanotechnology DOI: 10.1038/nnano.2009.12
Gutes Blog mit ähnlichen Themen: Genetic Future auf ScienceBlogs.com
Bild oben via flickr (cc).

Kommentare (7)

  1. #1 Chris
    19. März 2009

    Ich würde es nicht machen lassen. Kenntnisse über genetische Dispositionen, die evtl. unter bestimmten Umständen Krankheiten auslösen könnten. Und dann? Sein restliches Leben in Ungewissheit und Paranoia verbringen? Und Risikofaktoren für Krankheiten, die derzeit nicht heilbar sind, was dann?
    Habe gerade kein Link zu Hand, aber nicht wenige Frauen haben sich wohl (ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe) ihre Brüste vorsorglich abnehmen lassen, weil sie ein Risikogen besitzen. Nee, lass mal.
    Die Krankenkassen werden Dir vielleicht 200 Paybackpunkte gutschreiben und danach Deine Beiträge um den Faktor X für jedes Risikogen erhöhen..

  2. #2 Marie
    19. März 2009

    Die Hoffnung auf eine Art Krankenkassen-Beitragsrabatt wird zumindest in Deutschland eine solche bleiben, denn nun nimmt sich in bewährter Weise die Politik der Sache an:

    1. wird Art. 3(3) GG novelliert:
    „Niemand darf wegen …seiner genetischen Disposition… benachteiligt oder bevorzugt werden.“

    2. wird das AGG novelliert:
    „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der …genetischen Disposition… zu verhindern oder zu beseitigen.“

    3. wird im Eilverfahren gleichzeitig und analog zum StZG ein Sequenzierungsgesetz (etwa: „Gesetz zur Sicherstellung des Sequenzierungsverbots…“) verabschiedet.

    Allerdings wird kaum zu verhindern sein, dass (außerhalb des Gesetzgeltungsbereichs) Headhunter auf mögliche Datensammlungen von Rating-Agenturen zugreifen können. Und Ehewillige legen ihre GenCard vor. Wer AAA+ hat, der hat schon mal die Nase vorn.

  3. #3 Xenia
    20. März 2009

    Selbst wenn man die Gelegenheit hätte kurzfritsig zu sparen, weiß man nicht welche Konsequenzen weitere Forschung mit sich bringt. Beispielsweise wäre es doch denkbar, dass ein Paar, dem aufgrund seiner DNA-Sequenz keine Gesundheitsrisiken zugesprochen werden, ein Kind bekommt. Aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer statistischer Auswertungsverfahren ist es aber später möglich, spezifische Krankheiten oder gesundheitliche Anfälligkeiten des Kindes mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zu antizipieren. Da ja schon die ursprüngliche GenCard (also die der Eltern) nur probabilistische Aussagen über die relative Gesundheit einer Person erlaubt, glaube ich nicht, dass man von der Auswertung von noch unsicheren Daten zurückschrecken würde. Dieses Kind müsste als Erwachsener seine GenCard freigeben, da den Unternehmen ja eh Daten vorliegen, die sie, so unsicher sie auch sein mögen, verwenden würden. Man gibt also nicht nur seine eigene DNA-Sequenz preis, sondern indirekt Einblick in die potentiellen Sequenzen von Familienangehörigen.

  4. #4 Ulino
    21. März 2009

    Hey Tobi,
    sehr interessanter Artikel. Ich wuerd natuerlich mein Genom sofort sequenzieren lassen, vorwiegend aus wissenschaftlicher Neugier. Ich weiss, dass dieser Blog eher ethisch in Richtung soll-ich-mein-genom-sequenzieren geht, aber ich denk, dass einige vielleicht auch an den Methoden interessiert sind und die in der eigenen Forschung benutzen wollen. Die Methoden, die du hier vorstellst sind, ausser Helicos, next Generation und wohl nicht in den naechsten 1-2 Jahren zu einem vernuenftigen Preis fuer Dr. Joe Sixpack zu haben. Im Moment sind die Marktfuehrer Produkte wie Illumina/Solexa, 454/Roche, und ABI solid. Dabei ist zu beachten, dass die verschiedenen Methoden sehr unterschiedliche Laengen von Gen-Fragmenten erzeugen (454 titanium ~500 bp; Solexa ~ 75 bp; ABI solid ~ 100 bp; Helicos ~35 bp) bei sehr unterschiedliechen Datamengen. Das ist sehr wichtig fuer die anschliessende Bioinformatik um die Stueckchen wieder zusammen zu kleben. Die Assembler (Software die aus Milliarden Fragmenten ein komplettes Genom machen) hinken eindeutig den Sequenziertechnologien hinterher. Je nachdem was fuer ein Experiment man plant, kann es besser sein viele kleine Fragmente oder weniger grosse Fragmente zu haben. Die meisten kompletten Genome (ich wuerd sagen alle, bin mir aber nicht 100% sicher) die in der ersten Grafik auftauchen sind mit der traditionellen (und teueren) Sanger-Methode sequenziert worden und das ist auch immer noch die beste Wahl fuer neue Organismen. Wie so oft ist es auch beim Sequenzieren schwer Qualitaet und Quantitaet unter einen Hut zu bringen.

    Gruss nach Barca

    https://www.roche-applied-science.com/publications/multimedia/genome_sequencer/amplicon_07/wbt.htm
    https://www.illumina.com/media.ilmn?Title=Sequencing-Workflow-Video&Cap=&Img=spacer.gif&PageName=illumina%20sequencing%20technology&PageURL=203&Media=10
    https://www3.appliedbiosystems.com/AB_Home/applicationstechnologies/SOLiDSystemSequencing/OverviewofSOLiDSequencingChemistry/index.htm

  5. #5 Tobias
    21. März 2009

    @Xenia:
    Richtig, dein Kind hat bis zu 50% deiner Gene. Das mit dem Sparen und dein Argument mit den Firmen verstehe ich nicht ganz.

    @Ulino: Ja, momentan ist 454 und Solexa state of the Art, und es stimmt, das Assembly is momentan limitierend. Ich denke nicht, dass man den Preis mit den aktuellen Methoden soweit drücken kann, dass sich Joe Sixpack sein Genom sequenzieren lassen kann. Mit den hier vorgestellten Techniken scheint es in greifbare Nähe zu rücken.
    Gruß nach La Jolla.

  6. #6 Xenia
    21. März 2009

    Ich meine, dass man vielleicht kurzfristig einen Nutzen davon hat seine DNA-Sequenz zur Verfügung zu stellen, weil man bessere Konditionen der Krankenkasse angeboten bekommt. Die Methoden der Gentechnik und das molekularbiologische Wissen wächst jedoch stätig und man weiß zum heutigen Zeitpunkt nicht mal wirklich welche Information man da tatsächlich preisgibt. Es ist bisher beispielsweise nicht ergründet inwiefern kognitive Fähigkeiten durch die Gene bestimmt sind. Es wäre doch denkbar, dass betimmte Krankheiten deren konkrete genetische Grundlage derzeit noch erforscht werden bald auf einige bestimmte Allel-Frequenzen zurückzuführen sind. Dann könnte man beispielsweise sagen, sofern die DNA-Sequenz beider Eltern bekannt ist, dass ein Kind mit 30% Sicherheit diesen Gen-Cocktail geerbt hat. Deshalb erhöht sich das Risiko, dass dieses Kind erkrankt so sehr, dass es der Diskriminierung zum Opfer fallen könnte. Ich habe zu dieser Überlegung einen Beitrag geschrieben, falls dich meine moralphilosophische Begründung weiter interessieren sollte.

  7. #7 Emanuel Heitlinger
    21. März 2009

    Hey,
    ich glaube, dass die Methoden, die lange Sequenzen produzieren auf die Dauer bei der Genom-Sequenzierung die Nase vorne haben werden.

    Ein “neues Genom” sequenziert man im Moment mit einem Hybrid Ansatz aus 454 und Solexa. Bei uns wird so gerade das ~450MB Genom des Regenwurms Lumbricus rubellus sequenziert .

    Was bei Helios geil ist, sind die poly-A Adapter. Da kann man theoretische cDNA sequenzieren, ohne Tags herzustellen, so wie das bei Solexa bislang läuft… ich muss unbedingt mal nen Artikel schreiben “Microarrays, tot wie erin Dodo”