Ilse Aigner hat den Anbau von Bt-Mais in Deutschland verboten. Die Entscheidung stößt bei Wissenschaftlern weitgehend auf Unverständniss. Tatsächlich ist Bt-Mais sicher, ökologisch, und die Liberalisierung der grünen Gentechnik würde das Quasi-Monopol von Monsanto verhindern, eines der Hauptargumente der Gentechnikgegner. Es gibt zahlreiche weitere Gründe für die Förderung der grünen Gentechnik.
Die Entscheidung Ilse Aigners, den Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Deutschland zu verbieten, hat hohe Wellen geschlagen. Hier auf WeiterGen wird seit einer Woche ebenfalls diskutiert – mit inzwischen fast 100 Kommentaren.
Die Sachlage ist komplex: Die Sicherheit von Bt-Mais muss beurteilt werden, es gilt, ökologische und ökonomische Argumente zu bewerten. Ich möchte hier einige kontroverse Punkte aufgreifen und außerdem erklären, wozu wir die grüne Gentechnik überhaupt brauchen.
Vorneweg: Auch ich bin kein Freund der Monopolwirtschaft, und wenn Monsanto (oder wer auch immer) das Monopol bei gentechnisch veränderten Pflanzen hat, ist das nicht gut zu heißen. Ohne Fachmann in Wirtschaftsfragen zu sein, ist mir ein Mittel gegen Monopolisierung doch bekannt: Liberalisierung der Märkte und die Ermöglichung von Wettbewerb. Durch ein Verbot wird mit Sicherheit das Gegenteil erreicht. Doch so weit reicht der Blick der Kritiker nicht. Solange ein klares Feindbild ausgemacht ist, wird die globalisierungskritische Keule geschwungen und draufgehauen.
Marktliberalisierung und Wettbewerb verhindern die Monopolbildung
Landwirtschaft ist eine Industrie mit allem was dazu gehört. Bauernhöfe sind landwirtschaftliche Unternehmen, die Geld verdienen müssen. Im konventionellen Anbau genauso wie in der ökologischen Landwirtschaft. Wer das nicht begreift und verinnerlicht hat, hängt einem heillos romantischen Bild nach, das so wohl seit der Erfindung des Mineraldüngers nicht mehr existiert. Landwirte kaufen ihr Saatgut. Sie wollen möglichst viel Geld für das, was sie mit möglichst wenig Aufwand und möglichst wenig Ernteausfall anbauen. Subventionen mit eingerechnet. Wenn der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen sich finanziell nicht lohnen würde, würden sie nicht angebaut.
Die Kritik an gängigen ökonomischen Praktiken, sowie die Diskreditierung der Befürworter der grünen Gentechnik durch die absurde und perfide Unterstellung von eben jener Industrie abhängig, gekauft oder gesponsert zu sein ist aber erst der zweite Argumentationsstrang der Gentechnikgegner. Wenn der erste ins leere läuft und ein Ignorieren der Tatsachen nicht mehr weiterhilft. Die primären Argumente, auf denen ja angeblich Ilse Aigner auch ihre Entscheidung basierte, sind Sicherheitsbedenken und ökologische Argumente. Mit nichts lassen sich Emotionen leichter wecken und kanalisieren.
Bt-Mais ist sicher und ökologisch
Der Zulassung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen in Europa für den kommerziellen Anbau, und ich wiederhole hier meine Aussage aus dem letzen Blogpost, geht eine lange Prüfung voraus. Die European Food Safety Authority genehmigt den Anbau nur, wenn die gentechnisch veränderte Pflanze genauso sicher ist, wie die konventionelle Pflanze.
Tatsache ist: Seit Jahren wird der Bt-Mais MON810 weltweit auf vielen Millionen Hektar angebaut. Bisher sind keine schädlichen Auswirkungen bekannt geworden, weder auf die die Gesundheit von Menschen oder andere sogenannte “Nicht-Ziel-Organismen”. Wie schon im letzten Beitrag angemerkt, hat eine aktuelle Langzeit-Futterstudie gezeigt, dass Bt-Mais keine Auswirkungen auf die Gesundheit oder die Milchleistung von Kühen hat. Es gab weiter keinen feststellbaren Übergang transgener Komponenten in die Milch.
Mais ist eine Kulturpflanze. Außerhalb bewirtschafteter Felder können Maispflanzen nicht überleben. Mais kann auch nicht in verwandte Pflanzenarten auskreuzen, da es solche in Europa nicht gibt. Diese biologischen Sachverhalte gelten genauso für Bt-Mais. Es ist ausgeschlossen, dass Bt-Mais danach „in freier Natur” existieren oder sich dort ausbreiten könnte.
Durch die Übertragung von Pollen während der Blüte Anfang Juli können konventionelle Maispflanzen befruchtet werden. Die Maiskörner dieser Pflanzen enthalten dann neben dem konventionellen Chromosomensatz auch den der gentechnisch veränderten Pflanze.
Maispollen ist jedoch recht schwer, er wird also nicht kilometerweit mit dem Wind transportiert, sondern befruchtet, wenn überhaupt, dann nur Maispflanzen auf Feldern in der unmittelbaren Nachbarschaft. Der gesetzlich vorgeschrieben Mindestabstand reicht aus, um die Befruchtung konventioneller Maispflanzen weitgehend zu verhindern. Zahlreiche Studien belegen, dass sich die Einträge von Bt-Mais in direkt benachbarte Felder nach 50 m bereits unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Maximalwert von 0.9% bewegen. Der Mindestabstand ist 150 m. Maisblüten sind für Insekten unattraktiv, so dass die Befruchtung auf diesem Wege keine Rolle spielt.
Womit wir beim Honig wären. Ein von Gentechnikgegenern häufig gebrachtes Argument (mit voller Unterstützung der Imker) ist, dass transgener Mais den Honig verseuchen würde und die Bienen ausrottet.
Mais produziert keinen Nektar. Maispflanzen werden von Bienen nur in absoluten Notzeiten angeflogen, um Pollen zu sammeln. Der Pollenanteil am Honig ist allerdings sehr gering und beträgt etwa 0,1 bis 0,5 Prozent. Selbst wenn die Bienenvölker in der Nähe eines Bt-Maisfeldes stehen, ist der mögliche Anteil an Bt-Pollen im Honig so gering, dass er selbst mit extrem empfindlichen Messverfahren nicht nachweisbar ist. Bisher gibt es weiter keine Anzeichen, dass das im Pollen vorhandene Bt-Protein schädliche Wirkungen auf die Bienen direkt haben könnte.
Bei der gentechnischen Herstellung der Maissorte wird eine Antibiotikaresistenz als Selektionsmarker verwendet. Antibiotikaresistenzen in pathogenen Mikroorganismen sind ein großes Problem. Die beim Bt-Mais verwendete Resistenz ist in der freien Natur sehr häufig und sie hat keine medizinische Bedeutung. Auf Mensch und Tier hat die Resistenz keinerlei Auswirkungen.
Das Bt-Toxin (Kristallstruktur: Siehe Abbildung), dem der Bt-Mais seinen Namen verdankt, stammt von dem Bakterium Bacillus thuringensis. Das Toxin ist spezifisch wirksam bei Larven von Käfern, Schmetterlingen und Zweiflüglern. Seit über 50 Jahren wird das Bt-Toxin oder gleich Sporen von Bacillus thuringensis als Insektizid gespritzt. Unter anderem in der ökologischen Landwirtschaft.
Wenn nun der Mais selbst das Protein produziert, kann auf das Spritzen verzichtet werden, und nur Larven von Insekten, die tatsächlich den Mais zum Zweck der Nahrungsaufnahme befallen, werden getötet. Das ist ökologisch, wird aber ignoriert. Tatsächlich haben Studien bestätigt, dass die Artenvielfalt auf Bt-Maisfeldern höher ist, als auf Feldern, die mit konventionellen Insektiziden behandelt werden müssen.
Bt-Maispflanzen geben Bt-Protein in den Boden ab, insbesondere durch die nach der Ernte auf dem Feld verbleibenden Pflanzenreste. Mengen und Wirkungen werden seit vielen Jahren erforscht. Die Bt-Konzentration im Boden ist 30 000 x so gering wie in der Wurzel des Bt-Maises und etwa 10 000 x geringer als die Konzentration, auf die der Maiszünsler reagiert. Das Bt-Protein wird im Boden zügig abgebaut und reichert sich dort nicht an. Selbst auf Feldern, auf denen drei Jahre hintereinander Bt-Mais angebaut wurde, konnte ein halbes Jahr nach der Ernte kein Bt-Protein mehr nachgewiesen werden.
Zur Zeit werden offenbar Bt-Mais Sorten gezüchtet, die das Protein nur noch im Stengel exprimieren, also da, wo der Maiszünsler die Pflanze befällt.
Die Vorteile der grünen Gentechnik
Eine durchaus legitime Frage ist, wozu wir überhaupt grüne Gentechnik brauchen. Zunächst die spezifischen Vorteile des Bt-Maises, dann generelle Überlegungen zum Nutzen der grünen Gentechnik.
Wie oben erklärt, führt der Anbau von Bt-Mais dazu, dass gezielt und effektiv ein Schädling der Maispflanze getötet wird. Dadurch werden Ernteausfälle für Landwirte verhindert. Laut Julius-Kühn-Institut (ehemals Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft) beträgt der Schaden durch den Maiszünsler in Deutschland jährlich zwischen 11 und 12 Millionen Euro pro Jahr.
Der Anbau von Bt-Mais dient der Artenvielfalt
Dadurch, dass das Toxin nicht gespritzt werden muss, werden andere Arten geschont. Das ist ökologisch und dient erwiesenermaßen der Artenvielfalt. Fraßwunden der Maiszünslerlarve führen zur Anfälligkeit der unbehandelten Pflanzen für Pilzbefall und zur Kontamination der Pflanzen mit Mycotoxinen, zum Teil weit über den zugelassenen Grenzwert.
Die Pilzgifte können zumindest bei Kühen, die den befallenen Mais fressen, zu Verdauungsproblemen und Fruchtbarkeitsstörungen führen. Im schlimmsten Fall handelt es sich bei den Pilzen um Aspergillus und bei den Giften und Aflatoxine, die äußerst krebserregend sind. Selbst wenn die Kühe, die den kontaminierten Mais fressen, nicht alt genug werden, um Tumore zu entwickeln, so findet man Aflatoxine (im Gegensatz zum für den Menschen ungefährlichen Bt-Toxin) auch in der Milch.
Die grüne Gentechnik ermöglicht die transgene Expression bestimmter Proteine in den veränderten Pflanzen. Die Fülle an potentiellen Anwendungen ist nicht abzuschätzen, daher hier nur ein paar Gedanken von mir, die diskutiert werden können. Der Nutzen der grünen Gentechnik erstreckt sich auf viele Bereiche:
Die Züchtungen von spezifisch herbizidresistenten Sorten erlaubt den dosierten und spezifischen Einsatz von nicht selektiven Komplementärherbiziden. Eine höhere Umweltverträglichkeit kann resultieren, da eine weniger umweltbelastende Substanz als Komplementärherbizid gezielt ausgewählt werden kann. Weiter muss das Herbizid erst gespritzt werden, wenn es tatsächlich hierzu benötigt wird, und nicht wie bisher prophylaktisch. Der Landwirt muss seltener spritzen, der Schaden für die Umwelt ist geringer, ein Boden schonenderer Anbau ist möglich.
Weiter können dürreresistente, salzresistente und kälteresistente Sorten gezüchtet werden, die in Gebieten angebaut werden können, in denen konventionelle Nutzpflanzen nicht oder nur wenig wachsen. Ungünstige Wachstumsbedingungen für Nutzpflanzen gehen einher mit der Abhängigkeit der dort lebenden Bevölkerung vom Import von Nahrungsmitteln.
Tatsächlich ist der Hunger in Ländern der Dritten Welt weitgehend ein Problem der unzureichenden Verteilung und nicht der generellen Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Durch die Züchtung stressresistenter Sorten würde diesen Staaten die Chance gegeben, ihre Bevölkerung autark zu ernähren, nachhaltig und vor Ort ohne Lieferabhängigkeiten. Und das, zumal der Klimawandel laut aktueller Berichte Dürreprobleme noch zu verstärken scheint.
Gentechnisch veränderte Pflanzen bieten industrielle und pharmazeutische Anwendungsmöglichkeiten. Beispiele sind die Herstellung von Stärke aus gentechnisch veränderten Kartoffeln, was ja auch schon hier im Blog Thema war. Pflanzen können so verändert werden, dass sie bekannte Wirkstoffe in veränderter Form oder in höheren Konzentrationen produzieren. Es ist vorstellbar, das gentechnisch veränderte Pflanzen als “Biofabriken” zur Herstellung industriell oder pharmazeutisch genutzter Proteine fungieren.
Weiter können durch grüne Gentechnik gezielt Nahrungsmittel verändert werden und so beispielsweise Mangelernährungen vorbeugen. Ob Vitamin A im Reis oder bestimmte Fettsäuren in Soja, es gibt unzählige Anwendungen.
Im Allgemeinen ist es so, dass die Anwendungen erst mit der breiten Verfügbarkeit und Akzeptanz einer Technologie entstehen. So repräsentieren obige Beispiele wahrscheinlich auch nur einen Bruchteil des potentiellen Nutzens der grünen Gentechnik. Um neue Anwendungen zu entwickeln, muss geforscht werden.
Erfolgreiche Forschung braucht eine klare und liberale Gesetzgebung, politische und gesellschaftliche Akzeptanz, Investitionen, die Planungssicherheit bieten, und Wissenschaftler, die das Gefühl haben, dass sie sich nicht in eine Sackgasse manövrieren, wenn sie mit gentechnisch veränderten Pflanzen arbeiten. All das ist in Deutschland derzeit nicht gegeben. Aus politischem Kalkül, aus Gründen der Meinungsmache und diffuser Ängste vor neuen Technologien, unzureichender Aufklärung und einer übermächtigen Öko-Lobby die Millionen in Kampagnen steckt, anstatt Chancen und Risiken rational abzuwägen.
Wenn sich Deutschland als Wissenschaftstandort begreift und der Rohstoff des Landes in den Köpfen seiner Bürger steckt, sollen wenigstens die Rahmenbedingungen geschaffen werden, diesen zu fördern. Aber das wird lediglich in Sonntagsreden beschworen. Solange Leserbriefe in Regionalblättern gar das „Verbot von jeglicher Gentechnik” fordern, haben Gentechnikgegner und Maisfeldzerstörer einen ungerechtfertigten Sympathiebonus in der Bevölkerung.
Hier noch der Hinweis auf meine Umfrage zur Entscheidung von Ilse Aigner. Zur Zeit steht es etwa 40 zu 60 bei fast 120 Stimmen.
(pdf)
Weitere Hintergrundinformationen zu Bt-Mais (bioSicherheit)
(Stefan Rauschen in Nature Biotechnology, pdf)
Interview mit Stefan Rauschen (via Alles was lebt Blog)
Fotos via flickr. Maisfeld oben (cc), Bienen (cc), trockener Mais (cc), Kristallstruktur Bt-Toxin via Wikipdedia.
Kommentare (78)