Der Iran hat gewählt. Nach offiziellen Angaben hat der bisherige Präsident Ahmadinedschad über 62% der Stimmen erhalten, bei einer Wahlbeteiligung von über 84%. Sein stärkster Rivale Mussawi kommt auf knapp 34%. Es kommt zu Ausschreitungen und es wird offen über Wahlbetrug spekuliert. Eine sonderbare Regelmäßigkeit bei der Stimmauszählung dient dabei als eines der Indizien.
Von der Bundestagswahl bis zum Eurovision Song Contest: Ausgezählte Stimmen werden im Laufe eines Wahlabends bei den Hochrechnungen immer aktuell eingespeist, frühe Ergebnisse Unterscheiden sich zum Teil beträchtlich vom tatsächlichen Endergebnis einer Abstimmung.
Das bei der Wahl in Iran alles mit Rechten Dingen zuging glaubt keiner ernsthaft und Unstimmigkeiten werden untersucht. In einigen Blogs kursiert zur Zeit eine Abbildung, die basierend auf sechs Hochrechnungen zeigt, dass im Iran der Anteil der Stimmen für Ahmadinedschad über den Wahlabend erstaunlich konstant blieb.
Für die Abbildung 1 hier wurde die Stimmenzahl für Mussawi über der des Amtsinhabers Ahmadinedschad aufgetragen. Das in der Abbildung angegebene Bestimmtheitsmaß (R2) ist ein Maß für die Variabilität der Hochrechnungsergebnisse.
Instinktiv würde man größere Unterschiede beim Verhältnis der der Stimmenzahlen zueinander erwarten, da durchaus angenommen werden kann, dass im Iran nicht homogen gewählt wird. Zum Beispiel sollten frisch eingespeiste Zahlen aus Hochburgen des einen oder anderen Kandidaten die Zwischenergebnisse beeinflussen und Stimmen aus Städten das Ergebnis anders beeinflussen als Stimmen aus ländlichen Regionen.
Um die Zahlen objektiv beurteilen zu können hilft es, sie mit anderen Wahlen zu vergleichen. Das Politikblog FiveThirtyEight hat dies versucht, und Zwischenergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen ausgewertet. Dazu wurden die Wahlergebnisse aus den US-Bundesstaaten in alphabetisch in sechs Gruppen eingeteilt. Der erste Datenpunkt in Abbildung 2 stammt von den Staaten Alabama bis Illinois, analog zum ersten Datenpunkt der Iranhochrechnung 33% der Stimmen, der zweite stammt von den Staaten Indiana bis Mississippi, was analog zu oben 17% der Stimmen entspricht, und so weiter.
Werden diese Ergebnisse dann nach der Anzahl der Stimmen für Obama über denen für McCain aufgetragen erhält man eine sehr ähnlich Grafik (Abbildung 2).
Es ist fraglich, ob dieser Vergleich taugt, um die Wahlergebnisse im Iran einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Hochrechnungen gefälscht sind. Zum einen ist zu beachten, dass die sechs Datenpunkte von der Iran-Wahl dem chronologischen Verlauf der Wahl entspringen, die Datenpunkte der Grafik zur US-Präsidentenwahl stammen jedoch von Gruppen von letztendlich zufällig gewählten US-Bundesstaaten. Hier stellt sich die Frage, welche Zahlen wohl einer höheren Variabilität unterworfen sind, also zu größeren Stichprobenfehlern führen.
Die wohl bessere Alternative wäre hier, ebenfalls Hochrechnungsergebnisse heran zu ziehen, und zwar idealerweise von einem Staat mit einer ähnlichen Wählerzahl. Im Iran leben rund 72 Millionen Menschen. Ich habe also nach chronologischen Hochrechnungsergebnissen zur Bundestagswahl 2005 in Deutschland gesucht, aber leider nichts gefunden.
Außer Zahlen und Grafiken zu den US-Bundesstaaten Kentucky und Virginia. Beide Staaten zeigen, wie erwartet, ebenfalls eine fast lineare Entwicklung des Verhältnisses der Stimmen für Obama zu den Stimmen für McCain. Die Bestimmtheitsmaße sind für beide Staaten 0.995, die Varianz der Hochrechnungsergebnisse also höher als die für die Wahl in Iran. Kentucky und Virgina haben beide jedoch deutlich weniger Einwohner als der Iran. Nur eine detailliertere statistische Analyse kann klären, ob die erstaunlich gute Korrelation bei der Wahl in Iran wahrscheinlich ist, oder ob die Hochrechnungsergebnisse fabriziert wurden. Vielleicht hat ja einer der Leser Zeit und Muse?
Anmerkungen:
Eigentlich ist die Analyse per linearer Regression hier auch nicht richtig, da die Wertepaare nicht unabhängig voneinander sind, die Stimmenzahlen wurden ja aufsummiert.
Hier sind mehr Zahlen zu den US-Wahlen
Die Zahlen für die Grafiken habe ich ungeprüft aus den oben verlinkten Blogs übernommen. Angeblich gab es insgesamt 13 Hochrechnungsergebnisse und nicht nur sechs.
Bild oben via flickr (cc)
Mehr zur Wahl im Iran auf ScienceBlogs bei zoonpolitikon
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