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Drei US-Unternehmen untersuchen eingeschickte DNA-Proben systematisch auf zahlreiche Punktmutationen, sogenannte SNPs. Im ersten Blopost zur personalisierten Medizin werden 23andMe, Navigenics und deCODEme vorgestellt die Chancen der Technik erklärt.

Wenn ich in ein Röhrchen spucke und es an eines der US-Unternehmen 23andMe, deCODEme oder Navigenics schicke, bekomme ich ein paar Tage später graphisch sehr schön dargestellt, ob meine Wahrscheinlichkeit an Prostatakrebs zu erkranken höher ist als für den Durchschnitt der Bevölkerung. Ich kann ablesen, ob das Risiko an Darmkrebs, Lungenkrebs, Herzinfarkt, Typ II Diabetes oder Arthritis zu erkranken erhöht ist. Ich bekomme Informationen über die Alzheimer- und Parkinsonwahrscheinlichkeit, genauso wie zu meiner Augenfarbe und der Herkunft meiner Chromosomen; also ob und zu welchem Anteil ich asiatische, europäische oder afrikanische Wurzeln habe. Eine tolle Sache.

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Das Komplettpaket bei deCODEme kostet momentan 985 Dollar und umfasst 46 spezifische Marker. Navigenics testet für 999 Dollar nur rund 28 Marker, jedoch sind alle medizinische relevant. Das wohl bekannteste Unternehmen, das Informationen zur eigenen DNA liefert ist 23andMe. Die Firma wurde 2006 unter medialer Begleitung gegründet, da eine der Gründerinnen, Anne Wojcicki, mit Google Co-Gründer Sergey Brin damals liiert war und mittlerweile verheiratet ist. Google-Geld floss und fließt in die Finanzierung von 23andMe. Die Firma untersucht derzeit für 399 Euro 119 unterschiedliche Marker.

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Die Geschäftsmodelle der Unternehmen ähneln sich. Alle drei Firmen untersuchen sogenannte “single nucleotide polymorphisms” (SNPs gesprochen: “snips”) also einzelne Basenpaaraustausche in bestimmten, klar definierten Regionen des Genoms. Einen Überblick über die identifizierten SNPs aller drei Firmen bietet die SNPedia. Dort sind fast 9000 bekannte Polymorphismen gelistet. Die von den Unternehmen eingesetzte DNA-Chip-Technologie erlaubt momentan bereits die gleichzeitige Bestimmung von 500 000 bis über einer Million SNPs pro Kunde.

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Alle drei Unternehmen bewegen sich zwischen der kompletten Sequenzierung des individuellen Genoms, was momentan mit im günstigsten Fall mit 50 000 Euro noch zu teuer ist, und spezifischen klinischen Test, in denen nur einzelne Polymorphismen untersucht werden. Und alle drei Unternehmen haben die rasante technologische Entwicklung der DNA Sequenzanalyse der letzten Jahre geschafft zu kommerzialisieren.

Die Unternehmen pflegen eigene Datanbanken, die ständig mit aktuellen Publikationen zu gefundenen SNPs abgeglichen werden. Kunden werden dadurch an die Unternehmen gebunden, da sich durch das berücksichtigen aktueller Forschungsergebnisse die Risikobewertung für eine bestimmte Krankheit verändern kann. Die Untersuchungsergebnisse werden graphisch anspruchsvoll dargestellt, Hintergrundinformationen sind verlinkt und man kann sich zum Beispiel bei 23andMe mit anderen Kunden vernetzen.

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Zwei der drei Unternehmen beschränken sich nicht auf die rein medizinisch relevante SNPs, die eine sinnvolle Vorhersage erlauben, sondern betreiben zudem Ahnenkunde und eher triviale Life-Style Tests, also zum Beispiel die ob ich im Urin riechen kann ob ich Spargel gegessen habe, wie mein Ohrwachs beschaffen ist (fest oder eher flüssig) und ob ich dazu neige zu niesen, wenn ich in helles Sonnenlicht trete.

Wie bei allen technischen Neuerungen stellt sich die Frage, was sind die Vorteile und die Chancen, und was sind die Risiken dieser Entwicklung. Zu wissen, dass man eine höhere Wahrscheinlichkeit hat an Darmkrebs oder Brustkrebs zu erkranken bringt einen vielleicht eher dazu, regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen. Potentiell kann so Leben gerettet werden. Ändert man sein Leben, wenn man weiss, dass man ein doppelt so hohes Risiko hat an Alzheimer zu erkranken als andere? Betrifft es Angehörige, wenn mein Parkinsonrisiko hoch ist?

Das Ziel dieser Entwicklung ist klar. Je mehr Daten zu den Millionen SNPs auf dem menschlichen Genom vorliegen, je mehr Krankheiten einzelnen Polymorphismen oder Kombinationen von SNPs zugeordnet werden können, desto genauer werden die Aussagen über den genetischen Anteil unterschiedlicher Erkrankungen, desto eher kann (wer möchte) den Lebensstil den individuellen Risiken anpassen.

Bis zur personalisierten Medizin ist es dann nicht weit. Wer weiß, eine bestimmte Art von Medikament nur langsam zu verstoffwechseln, oder für andere aufgrund eines SNPs nicht ausreichend rezeptiv zu sein, kann Krankheiten individueller therapieren und möglicherweise Nebenwirkungen verhindern. Die Zahl der in Deutschland pro Jahr an falsch dosierten Medikamenten sterben geht wohl in die Zehntausende. Können durch maßgeschneiderte Therapien aufgrund von SNP-Daten Leben gerettet werden?

Soviel zu den Chancen. Die Risiken haben einen eigenen Blogeintrag verdient.

Kommentare (12)

  1. #1 Arnd
    4. November 2009

    Hast du deine Gene bei einem dieser Unternehmen analysieren lassen? 23andme hab ich mir früher schon mal angeschaut, fand ich sehr interessant. Ich werde aber noch ein bissi warten… das ganze wird ja ständig billiger und besser.

  2. #2 Tobias
    4. November 2009

    Arnd,
    ich habe meine Gene noch bei keinem der Unternehmen untersuchen lassen. Ich habe neulich einen Vortrag von Kevin Davies gehört, der darüber gerade ein Buch schreibt. Er hat seine DNA bei allen drei Unternehmen untersuchen lassen und die Ergebnisse und die grafische Aufbereitung gezeigt.

  3. #3 Alexander
    4. November 2009

    Was die Firmen machen ist ja ganz nett, aber ich würde auch noch kein Geld für den Service ausgeben. Wenn die Entwicklungen in den Sequenzierungstechnologien weitergehen wie bisher, kriegt man in ein paar Jahren für ähnlich viel Geld sein gesamtes Genom sequenziert – mit entsprechend höherer Aussagekraft. Und man hat dann auch Informationen über die Marker, deren Relevanz erst in Zukunft gefunden wird.

  4. #4 Alexander
    4. November 2009

    Ach, gerade fällt mir noch was ein: Sogar innerhalb der USA ist es rechtlich äußerst unklar, was mit den vielen Kundendaten passiert, wenn eine dieser Firmen pleite geht und/oder von einem Konkurrenten aufgekauft wird. Egal, was in den Richtlinien zum Datenschutz etc. steht!
    (Tobias, ich hoffe den Aspekt hattest du nicht für den Post über die Risiken geplant!)

  5. #5 Biomick
    4. November 2009

    Hier wurde ein wichtiges Thema sehr oberfächlich angekratzt. Habt Ihr euch schon mal vorgestellt was wäre wenn ein oder mehrer Unternehmen euer Genom bzw indivuelle genomische Informationen archiviert und austauscht? Das Inidviduum liefert sich in allerletzter Konsequenz aus – die Versklavung der Menschheit durch in einem noch nie dagewesenen Umfang. Schaut mal genauer hin und denkt nochmal ganz gut nach!

  6. #6 Tobias
    4. November 2009

    Biomick,

    die Versklavung der Menschheit durch in einem noch nie dagewesenen Umfang.

    What?

  7. #7 Lars Fischer
    4. November 2009

    Meiner Meinung nach verdienen es vor allem die Marketing-Claims samt der dahintersteckenden Ideen, einmal kritisch hinterfragt zu werden. Personalisierte Medizin ist ja ein schönes Schlagwort, aber ehrlich gesagt glaube ich da nicht dran.

    Medikamente werden überwiegend an männlichen jungen Erwachsenen getestet, und vielleicht noch an der beabsichtigten Zielgruppe. Schon spezifische Effekte abhängig von Geschlecht oder Alter sind i.d.R. ausgesprochen dürftig abgedeckt, weil’s natürlich Unsummen kosten würde. Und jetzt noch SNPs?

  8. #9 strappato
    4. November 2009

    Was im Übrigen zu diskutieren wäre: Wie sieht die rechtliche Seite aus, wenn am 1.2.2010 das Gendiagnostik-Gesetz in Kraft tritt? Nach dem Gesetz dürfen nur Ärzte genetische Untersuchungen durchführen. Ein Gentest bei Erwachsenen nur dann erlaubt, wenn der Betroffene nach eingehender Beratung ausdrücklich eingewilligt hat. In Deutschland wäre eine Firma wie 23andme nicht möglich.

    Ich hoffe es wird in einem weiteren Teil noch darauf eingegangen, dass der Kunde bei 23andem die Rechte an seinen genetischen Daten abgibt: Akzeptiert der Kunde die Geschäftsbedingungen, verzichtet er auf das Recht auf finanzielle Entschädigung aus den Gewinnen mit pharmazeutischen Produkten, die aus der Analyse seiner persönlichen Daten geschaffen werden könnten. In den Geschäftsbedingungen ist auch vermerkt, dass die anonymisierten Daten auch zu Forschungszwecken verwendet werden.

  9. #10 MoritzT
    11. November 2009

    Spannend ist das Konzept der personalisierten Medizin schon! Es haette schon einige bedeutende Vorteile, wenn die Aerzte VORHER wuessten, wie ein Mensch auf ein Medikament reagiert, oder ob ein Tumor auf eine Chemotherapie anspricht oder nicht (dann koennte man den Menschen schon ziemlich viel Scheisse ersparen). Da sehe ich auch keine grossen ethischen Probleme.
    Problematisch ist hier, dass selbst in dem Fall, dass man einen vielversprechenden Marker hat, die Anwendung immer von der Kostenuebernahme abhaengt. Da liegt nun aber leider der Hase im Pfeffer. Die gegenwaertige Medizin ist halt genau in dem Masse individualisiert, wie sie finanzierbar ist. Und es wird auch in dem Masse geforscht, wie eine Markteinfuehrung zu erwarten ist.

    Bisher machen wir in der Forschung aber (fast) nur Fall-Kontroll-Studien fuer Risikoscreenings, und da wird das Eis dann duenn. Das koennte schon auch Vorteile fuer die Patienten haben (weil sie dann wissen, welches Risiko sie haben, und wie sie ihr Leben gestalten sollten, weil “pauschale” Vorsorgeuntersuchungen dann vielleicht von “personalisierten” oder risikoadaptierten Programmen abgeloest werden koennten). Die Daten sind aber auch fuer ziemlich viele weniger zimperliche Leute ziemlich interessant: Krankenversicherungen, Lebensversicherungen, Arbeitgeber … da sollten wir uns gut ueberlegen, wie man damit umzugehen gedenkt.

  10. #11 Tobias
    14. November 2009