Erste Meldungen von mutierten Influenzaviren machen die Runde, die mit schweren Krankheitsverläufen in Verbindung gebracht werden. Auch wenn man die Gründe für erhöhte Mutationsraten bei Influenzaviren kennt und feststellen kann, wo diese genetischen Veränderungen auftreten, ist es doch fast unmöglich daraus Vorhersagen abzuleiten.
Ende vergangener Woche sind erste Meldungen zu mutierten Influenzaviren erschienen. Zum einen kommt es laut Presseberichten in Großbritannien und den USA zu Ansteckungen mit Influenza in Krankenhäusern, bei denen Resistenzen der Erreger gegen Tamiflu beobachtet werden, zum anderen werden zwei Todesfälle in Norwegen mit einem mutierten Influenzastamm in Verbindung gebracht. Widersprüchliche Angaben zu Infektionszahlen und Todesfällen aus der Ukraine werden zum Teil ebenfalls auf Mutationen zurück geführt.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Mutationen auftreten, es war zu erwarten. Um zu verstehen warum, muss man sich klar machen, was bei einer Infektion mit Influenzaviren eigentlich passiert. Schematisch ist dies in der Abbildung weiter unten dargestellt.
Vereinfacht sieht das in etwa folgendermaßen aus: Nachdem das Virus and der Wirtszelloberfläche angedockt hat und durch Endozytose aufgenommen wurde, wird die genetische Information des Virus in der Zelle freigesetzt. Beim Influenza A Virus, zu dem ja der Erreger der Schweinegrippe gehört, besteht diese aus acht Stücken RNA. Die auf der RNA kodierten Proteine werden synthetisiert. Zum Teil handelt es sich dabei um Strukturproteine des Virus, zum Teil um die Oberflächenproteine, die später für die Anhaftung an neue Wirtszellen gebraucht werden.
Drei der Proteine die hergestellt werden bilden eine molekulare Maschine, die ständig neue Viren-RNA herstellt. Das Virus also hat seine eigene sogenannte Polymerase. Beim Replizieren der Viren-RNA werden hin und wieder falsche Nukleotide, die Bausteine der Viren-RNA eingebaut. Das passiert sogar relativ häufig bei der Influenza-Polymerase, da ihr eine Fehlerkorrekturfunktion fehlt. etwa eins in 10000 Nukleotiden wird falsch eingebaut. Die acht Stücke RNA zusammen sind etwa 12000 Nukleotide lang, etliche Virenpartikel tragen also eine Mutation.
Die massenhaft produzierte Viren-RNA, die hin und wieder Fehler enthält, wird dann verpackt und die fertigen Viren verlassen die Wirtszelle wieder. In den allermeisten Fällen führt eine solche Mutation dazu, dass das Virus nicht mehr richtig funktioniert. Es kann also zum Beispiel nicht mehr an neue Wirtszellen andocken, wenn eine Mutation in den Oberflächenproteinen vorliegt. Oder die Polymerase selbst funktioniert nicht mehr, wenn die Poymerase-Gene betroffen sind, oder das Virus kann nicht mehr richtig zusammengebaut werden, wenn die Kapsidproteine betroffen sind. Schlecht für das Virus, gut für den Wirt, also uns.
Andererseits können aber auch in sehr seltenen Fällen Mutationen auftreten, die zu einer vermehrten Virulenz führen. Zum Beispiel wird das Virus ansteckender (da ist der Erreger der Schweinegrippe schon ziemlich effizient) oder die Symptome der Grippe werden schlimmer (das ist zum Glück noch nicht der Fall). Die Frage, die alle, eingeschlossen die Forscher interessiert ist: Wie kann eine bestimmte Mutation, die ja letztendlich nur der Austausch einer Aminosäure ist, die Ausbreitung des Virus oder die Art des Krankheitsverlaufs verändern?
Es ist nicht vorhersagbar und in den seltensten Fällen ist es erklärbar. Wenn also bei zwei Grippetoten in Norwegen die Analyse des Rachenabstrichs ergibt, eine Asparaginsäure an Position 222 im Hemagglutinin Protein des Virus ist zu Glycin mutiert ist (D222G), dann muss man das zur Kenntnis nehmen und dokumentieren. Warum genau diese Mutation dazu führt, dass die Grippe den beobachteten Fällen offenbar zum Tod der Patienten geführt hat, weiss keiner. Annahmen, dass diese Variante möglicherweise tiefer in die Lungen eindringt sind reine Spekulation. Es ist auch nicht absehbar, ob diese Mutation epidemiologisch eine Rolle spielen wird, sich also ausbreitet, oder ob es bei sporadischen Fällen bleibt.
Das Influenzavirus A H1N1, das momentan fast ausschließlich für die Grippefälle in Deutschland verantwortlich ist, ist ein neues Virus. Keiner weiss, warum vermehrt junge Menschen angesteckt werden, warum die Grippe manchmal schwer aber meistens leicht verläuft, wie leicht sich das Virus tatsächlich verbreitet, ob es in Zukunft zu Mutationen kommt, die für weiter Todesfälle verantwortlich sein werden, ob es zu einer Rekombination von saisonaler Grippe und Schweinegrippe kommt, oder ob die Grippewelle einfach wieder abflaut.
Bild via Wikipedia
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