Wie können ethisch kritische und emotional belegte Themen aus der Wissenschaft am besten kommuniziert werden? Wie funktioniert wissenschaftliche Krisenkommunikation? Welche Rolle spielt online? Das waren unter anderem Themen des 2. Forum Wissenschaftskommunikation in Berlin zu dem ich eingeladen war.
Anfang Dezember war ick in Berlin, wa? Schön wars! Ich bin einer Einladung zum 2. Forum Wissenschaftskommunikation gefolgt, durfte einen kurzen Talk halten und mich ansonsten amüsieren. Zum Beispiel bei ein paar Bier mit @stollovo, @werkstatt und @fischblog am Vorabend meines Talks in der Hotelbar (nicht unbedingt voll kompatibel zu meiner Vortragszeit um 08:30 Uhr am nächsten Morgen), oder beim Sekt unter Dinosaurierskeletten im Naturkundemuseum, oder bei der Abschlussveranstaltung des Wissenschaftsjahres 2009 mit der bezaubernden Moderatorin Ulrike Brandt-Bohne (Fan werden auf Facebook! Uli auf Twitter).
Zwei Sessions waren für mich besonders interessant. Zum einen “Wie man Wissen in der Krise kommuniziert”, geleitet von Volker Stollorz, und zum anderen natürlich die mit meinem Talk über ethisch kontroverse und emotional belegte Wissenschaftsthemen, geleitet von Sonja Jülich-Abbas.
Eva-Maria Streier, Pressesprecherin der DFG hat chronologisch berichtet, wie 2001 die erste Debatte zum Import humaner embryonaler Stammzelllinien ablief. Von Oliver Brüstles Forschungsantrag, dessen Zulassung immer wieder vertagt wurde, über Johannes Rau’s kritischer Rede zum Stammzellimport, zu der Rolle der Kirchen und der Presse in der Diskussion. Worte, die laut Streier von dieser ersten Stammzelldebatte in Deutschland hängen geblieben sind: Kannibalismus und tiefgekühlte Friedhöfe. Im Vergleich dazu lief die Debatte um die Verlegung des Stichtags Anfang 2008 (war auch mehrfach Thema hier im Blog) sehr gemäßigt ab. Zumindest mussten Forscher nicht mehr mit Polizeischutz leben, wie damals Oliver Brüstle.
Streier machte auf die ausführliche Sammlung der DFG von Artikeln und Pressemitteilungen zum Thema aufmerksam und schlägt vor, darüber eine Diplom-oder Doktorarbeit zu schreiben. Den Vorschlag kann ich hier nur weitergeben. Die Stammzelldebatte in Deutschland aus Sicht der Wissenschaft, der Presse, der Politik, der Kirchen,… ein tolles Thema. Kontakt: Streier”ät”dfg.de
Die zweite Referendin war Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut. Die Frau, die für die Schweinegrippekommunikation zuständig ist. Sie fasst ihre Erfahrungen in der Kommunikation von Krisenthemen gut zusammen: Wichtig sind Fachkenntnisse und journalistische Erfahrung. Verlangt wird eine direkte Einschätzung der Risiken und möglichst akkurate Zahlen. Wichtig sie außerdem, Nicht-Wissen transparent zu machen. Ich finde, das wurde bei der Kommunikation der Schweinegrippe durchaus richtig gemacht. Keiner wusste, wie sich das Virus epidemiologisch verhält, keiner konnte die Verläufe der Grippe vorhersagen, und das wurde auch so kommuniziert.
Glasmacher berichtet von der Strategie des RKI Leitmedien bevorzugt zu informieren und übt (zurecht) Kritik an Journalisten. Viele würden im Namen der Ausgewogenheit immer pro und kontra eines Themas gleichberechtigt vorstellen. Dies entspräche allerdings nicht den wissenschaftlichen Fakten und zeuge vor Allem von wenig Urteilsvermögen der Journalisten aufgrund von mangelnder Fachkenntnis und Sachkenntnis.
Krisenkommunikation Online
Beide Institute haben ihre Zusammenarbeit mit der Presse sehr gut professionalisiert und sie versorgen Journalisten regelmäßig mit hochwertigen Informationen. Obwohl das RKI natürlich auch eine Website besitzt, ebenso wie die DFG, wurde ein zentraler Punkt der Krisenkommunikation außer acht gelassen, der für die Kommunikation von ethisch kritischen und emotional belegten Themen der Wissenschaft ebenso wichtig ist: Wer interessiert ist, informiert sich nicht mehr nur über die Tagesschau oder die Zeitungen alleine, sondern benutzt seit ein paar Jahren Google, um sich mit passenden Begriffen selbst eine Meinung zu diesen Themen zu bilden.
Die Kommunikation im Internet durch wissenschaftliche Institutionen wie die DFG oder das RKI wird meiner Meinung nach bislang vernachlässigt. Wer bei Google nach Informationen zu Impfungen sucht bekommt mindestens gleichwertig impfkritisches zu lesen. Wer nach Informationen zur Gentechnik sucht, landet schnell auf ideologischen Kritikseiten.
Tatsache ist, die Top-10 Hits bei Google zu diesen Themen spiegeln weder den Stand der Wissenschaft noch die öffentliche offline-Meinung wider. Umgekehrt formen online-Gerüchte schnell die öffentliche Meinung, zum Beispiel die hier ausgiebig dokumentierte Seefeld, Sacher und Squalen-Geschichte im Zusammenhang mit der Impfung gegen die Neue Grippe.
Wie können also wissenschaftliche Institutionen die online-Kommunikation verbessern? Eigene Blogs? Die wollen ja regelmäßig mit Inhalten gefüllt sein um von Google als relevant genug eingestuft zu werden um auf der ersten Seite zu erscheinen. Wer soll das machen und wer soll die Autoren bezahlen? Wie glaubwürdig würden Wissenschafts-PR Blogs erscheinen? Firmen-PR Blogs gehen ja nicht grundlos der Reihe nach baden.
Eins tröstet immerhin: Wer bei Google.de Squalen und Thiomersal eingibt, findet als ersten Hit die Scienceblogs.
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