Ich trage diese Idee schon eine ganze Weile mit mir herum. In absehbarer Zeit komme ich selbst kaum dazu, direkt daran zu arbeiten, außerdem fehlt mir zum Teil das Know-how. Was liegt näher, als hier im Blog um Hilfe zu bitten?
Es ist ein Experiment. Es geht um ein kleines Forschungsprojekt, dass ich hier vorstellen möchte. Im wahrscheinlichsten Fall (es interessiert keinen) werden nur ein, zwei Blogposts draus, die einen kleinen Einblick in mein Forschungsgebiet geben.
Im bestmöglichen Fall finden sich hier ein paar Biologen, Biochemiker, Biophysiker oder Physiker oder Mathematiker mit Interesse an biologischen Fragestellungen, wir kriegen tatsächlich ein paar Ergebnisse und versuchen diese dann zu publizieren. Nicht im Blog, sondern als Paper.
Grob gesprochen kommen Zellen in zweierlei Größen vor. Sie sind entweder rund einen Mikrometer groß, dazu zählen die meisten Prokaryonten, wie zum Beispiel E. coli, oder sie sind rund 10 Mikrometer groß, dazu zählen eukaryontische Zellen, wie zum Beispiel die der HeLa Tumorzelllinie. Das Volumen dieser Zellen unterscheidet sich also deutlich. Die einen haben etwa 1 µm³ Volumen, die anderen etwa 1000 µm³.
Für meine Idee müssen wir uns anschauen, wie es in der Zelle aussieht, und was dort eigentlich passiert. Das Innere einer Zelle ist ziemlich voll (Abbildung 1). Das meiste sind Proteine, die dort dicht an dicht gedrängt, aber dennoch gelöst vorliegen. Diese Moleküle liegen keinesfalls nur still da, sie bewegen sich durch die Brownsche Molekularbewegung ständig.
Abbildung1: Macromolecular Crowding in einer eukaryontischen Zelle.
Die Proteine in der Zelle zittern und diffundieren auch nicht nur einfach so vor sich hin, sie haben eine Funktion. Manche bilden filamentöse Strukturen, das Zytoskelett. Andere katalysieren chemische Reaktionen, und wieder andere lösen komplexe zelluläre Aufgaben, wie die Transkription von Genen oder die Translation von RNA Segmenten in Aminosäureketten (die sich wiederum zu neuen Proteinen falten). Viele dieser Aufgaben werden nicht von einzelnen Proteinmolekülen durchgeführt, sondern von sogenannten Proteinkomplexen, also mehrere Proteine im Verbund.
Bei meiner Idee geht es um die Proteinkomplexe und wie deren Komponenten zueinander finden.
Angenommen drei Proteine A, B und C bilden einen Komplex und sie liegen jeweils als 100 Moleküle pro Zelle vor, dann erscheint es logisch, dass sich diese drei Proteine in der kleineren Zelle viel schneller finden als in der großen. Hier also die erste Frage: Wie viele Moleküle müssten in der großen Zelle von A, B und C vorhanden sein, um in der gleichen Zeit genausoviele Komplexe wie in der kleinen Zelle zu bilden?
Es wird noch komplizierter. Proteine haben unterschiedliche Bindungsaffinitäten. Manche binden stärker, andere weniger stark an ihre Partner. Wie müssten sich diese Bindungsaffinitäten unterscheiden, dass in der größeren Zelle bei gleicher Anzahl von Proteinen A, B und C gleich viele Komplexe entstehen?
Große (eukaryontische) Zellen haben verschieden Strategien entwickelt, um diesem Problem zu entgehen. Zum einen sind eukaryontische Zellen kompatimentalisiert. Es gibt also verschieden Regionen in der Zelle, in denen die lokale Konzentration einzelner Proteine höher ist. Es gibt zum Beispiel den Zellkern oder Vesikel. Zum anderen haben eukaryontische Zellen spezifische Sortierungs-und Transportmechanismen für einzelne Proteine, um sicher zu gehen, dass diese auch dort in der Zelle hinkommen, wo sie sollen.
Hier also die Hypothese:
Ich glaube nicht, dass die Kompartimentalisierung oder der gerichtete Transport ausreicht, um zu garantieren, dass sich Proteinkomplexe in eukaryontischen Zellen effektiv bilden, besonders nicht im Zytosol und in der Zellmembran. Ich glaube auch nicht, dass die eukaryontischen Zellen durch die reine Erhöhung der Anzahl der einzelnen Proteine sicher stellt, dass sich Proteinkomplexe effektiv bilden. Ich denke, die Affinitäten der einzelnen komplexbildenden Proteine zueinander sind in eukaryontischen Zellen höher als in prokaryontischen Zellen.
Während also in E. coli möglicherweise ein “Just-in-time Assembly” der Komplexe stattfindet, bedingt durch einfache Diffusion und durch schwächere Interaktionen zwischen den komplexbildenden Proteinen, sind in höhreren Zellen stabile Proteinkomplexe ein häufigeres Phänomen. Dadurch kann die Zahl der einzelnen Proteine geringer gehalten werden und die Regulation durch die Genexpression wirkt direkter.
So. Um das ganze anzugehen brauchen wir als erstes jemanden, der Protein-Protein Interaktionen mathematisch auf Basis der Diffusion in Zellen modellieren kann. Dabei muss die Zellgröße, die Bindeaffinitäten der Proteine und Effekte des Macromolecular Crowding berücksichtigt werden. Jemand muss in der Literatur und in Datenbanken nach Bindeaffinitäten von Proteinen in Komplexen suchen. Wenn die Diffusion in der Zelle nicht zeitlich limitierend ist, ist das Projekt tot.
Der nächste Schritt wäre, experimentell zu zeigen, dass sich zwischen Prokaryonten und Eukaryonten konservierte Komplexe mit unterschiedlichen Affinitäten bilden. Entweder klassisch in vitro mit gereinigten Komponenten und Aktivitätsassays oder mit FRET, vielleicht light scattering, oder anderen Methoden, die Aufschluss über die Komposition der Komplexe geben. In vivo wäre natürlich die Krönung, nur wie?
Jemand Interesse? Sonst bleibt es eben eine Idee und ein Blogpost über einen kleinen Ausschnitt meiner Arbeit.
Abbildung 1 aus diesem Open-Access Paper:
Minton, A. (2001). The Influence of Macromolecular Crowding and Macromolecular Confinement on Biochemical Reactions in Physiological Media Journal of Biological Chemistry, 276 (14), 10577-10580 DOI: 10.1074/jbc.R100005200
Das hier könnte auch helfen:
Beyer, A. (2004). Dynamic simulation of protein complex formation on a genomic scale Bioinformatics, 21 (8), 1610-1616 DOI: 10.1093/bioinformatics/bti223
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