Wenn sich neue Proteine falsch falten, kann das im schlimmsten Fall zu Krankheiten führen. Molekulare Chaperone helfen in der Zelle problematischen Proteinen dabei, die richtige Struktur einzunehmen. Das Chaperon GroEL ist eine beeindruckende molekulare Maschine in der Zelle mit der Aufgabe unfertige Substratproteine einzukapseln und gefaltet wieder auszuspucken.
Im letzten Artikel habe ich erklärt, was Proteine sind – nichts als Aminosäureketten – und wie diese Ketten sich in die korrekte drei-dimensionale Struktur falten müssen, um zu funktionalen Proteinen zu werden. Wenn sich Proteine falsch falten bedeutet das für die Zelle im einfachsten Fall nur ein Haufen rausgeschmissene Energie bei der Synthese und dem dann notwendigen Abbaus des defekten Proteins. Im schlimmsten Fall können solche falsch gefalteten Protein ganze Zellen lahmlegen und für Krankheiten mitverantwortlich sein. Alzheimer, Huntington und Prionenerkrankungen wie BSE oder Scrapie sind die prominentesten Beispiele.
Zellen haben also ein großes Interesse daran, dass der Prozess der Proteinfaltung problemlos abläuft, und viele unterschiedliche Proteine schaffen es auch, sich spontan richtig zu falten. Manche Proteine sind bei der Faltung aber notorisch problematisch, sie schaffen es nicht alleine die richtige Struktur anzunehmen. Für diese gibt es Helferproteine in der Zelle, sogenannte molekulare Chaperone. Anstandsdamen für junge Proteine.
Chaperone interagieren mit unvollständig oder falsch gefalteten Proteinen und schützen diese entweder davor mit anderen Proteinen zu interagieren und zu aggregieren, oder helfen aktiv und passiv beim Faltungsprozess mit. Es gibt verschiedene Klassen molekularer Chaperone, die sich in dem zu Grunde liegenden Funktionsmechanismus grundsätzlich unterscheiden. Hier soll es um eine bestimmtes, mechanistisch recht außergewöhnliches Chaperon gehen; es heißt GroEL.
Dieses Chaperon ist sehr weit verbreitet, es kommt in fast allen bislang sequenzierten Bakterien und Archäen vor, eukaryontische Zellen haben nah verwandte Chaperone sowohl in den Mitochondrien als auch im Zytoplasma. GroEL besteht aus 14 identischen Untereinheiten, zwei siebener-Ringe lagern sich Rücken an Rücken zusammen. Jeder Ring aus sieben Unterheinheiten bildet einen Hohlraum, in dem die Substratproteine, also die Proteine mit Faltungsproblemen, hineinpassen. Die GroEL-Ringe interagieren mit GroES, einem anderen Proteinkomplex, auch aus sieben gleichen Untereinheiten. GroES ist eine Art Deckel für den GroEL Hohlraum. Die Substratproteine können so also regelrecht eingekapselt und von allen anderen störenden Einflüssen in der Zelle isoliert werden (Abbildung 1).
Abbildung 1: GroEL/GroES Chaperonin Komplex. Rot und grün sind jeweils ein Ring aus sieben GroEL Untereinheiten. Der GroES-Deckel ist orange
Der Faltungsprozess mit GroEL funktioniert folgendermaßen: GroEL bindet ein Substratprotein, dieses gelangt in den Hohlraum eines der siebener-Ringe, dann bindet das Co-Chaperone GroES, GroEL verändert seine Struktur und ermöglicht so die Faltung des jetzt eingekapselten Substratproteins. Sobald auf der Gegenseite, an den anderen siebener-Ring, ein neues Substrat und ein weiteres GroES binden, dissoziiert das erste GroES, der Deckel geht also auf, und das fertig gefaltete Sustratprotein wird ins Zytoplasma entlassen und GroEL ist bereit für einen neuen Faltungszyklus. Bei den für diesen Prozess notwendigen Änderungen der GroEL Struktur wird Energie in Form von ATP verbraucht.
Abbildung 2: GroEL verändert abhängig von ATP seine Struktur. Im Inneren des Chaperons wechseln exponierte hydrophobe Aminosäuren (bei der Bindung der Substratprotein) mit hydrophilen Aminosäuren (bei der Faltung) ab.
Dieser Prozess entspringt nicht der Phantasie von ein paar Wissenschaftlern, sondern ist das Ergebnis jahrelanger Forschung mit GroEL Mutanten, die jeweils in einem der oben beschriebenen Zwischenschritte defekt sind und die elektronenmikroskopisch Untersucht wurden. Das Ergebnis sind dann zum Beispiel solche Videos vom GroEL-GroES Rekationszyklus, wie das hier eingebundene in Abbildung 2.
Das Wissen über den Mechanismus von GroEL hat auch bei der Identifizierung der Substrate geholfen. Man weiß, dass GroEL mit GroES und eingekapseltem Protein stabile Komplexe bildet, solange keine neue Energie in Form von ATP zur Verfügung steht. Diese stabilen GroEL-GroES-Substratkomplexe wurden aus E. coli Zellen isoliert und die eingekapselten Proteine wurden identifiziert. Es sind 250 verschiedene Proteine (von insgesamt rund 4000 in E. coli), die unterschiedlich stark auf dieses molekulare Chaperon für die korrekte Faltung angewiesen sind.
Was das besondere an diesen Substraten ist? Dazu mehr im nächsten Artikel.
Abbildungen von GroEL/GroES von der Website von Helen Saibil am Birbeck College in London
Teil 1: Das Problem der Proteinfaltung
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