Die Präimplantationsdiagnostik (PID) verhindert, dass Embryonen spät abgetrieben werden und somit viel Leid bei den betroffenen Eltern. In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof nachträglich in drei Fällen die PID für rechtens erklärt. Gegner der PID befürchten, dass so dem Wunsch nach “Designerbabies” Tür und Tor geöffnet werden. Wo sind die Grenzen der Präimplantationsdiagnostik?
Ein Arzt hat vor fünf, beziehungsweise vor vier Jahren drei Frauen in vitro befruchtete Eizellen eingepflanzt. Die unter dem Mikroskop gezeugten Embryonen wurden vor der Implantation gezielt auf Gendefekte untersucht. Die Frauen hatten Grund dies zu veranlassen, sie wussten von eigenen genetischen Defekten; eine hatte laut Angaben von Spiegel Online bereits drei Fehlgeburten, eine andere bereits ein behindertes Kind.
Bislang war nicht vollständig geklärt, ob die genetische Untersuchung von in vitro befruchteten Eizellen und folgende Auswahl, welche Embryonen eingepflanzt werden unter das strenge Embryonenschutzgesetz fallen oder nicht. Der Bundesgerichtshof hat gestern in einem Grundsatzurteil entschieden, dass sich der Arzt, der sich übrigens selbst anzeigte, nicht strafbar gemacht hat.
Welche Krankheiten sollen auf eine Positivliste für die Präimplantationsdiagnostik?
In Deutschland werden etwa 1,25% des Nachwuchses per in vitro Fertilisation gezeugt. Um an ausreichend Eizellen zu gelangen, muss sich die Frau einer Hormonbehandlung unterziehen, die einen multiplen Eisprung induziert. Eventuell mehrfach. Falls die Befruchtung unter dem Mikroskop klappt, bleibt noch die Hürde der Einnistung des Embryos in die Gebärmutter, hier liegt die Erfolgsrate bei rund 40%. Mehrlingsschwangerschaften sind nicht selten.
Es gibt sicher angenehmere Methoden schwanger zu werden und es bedarf eines Leidensdrucks, um diese Prozedur über sich ergehen zu lassen; es besteht also eine Hürde die verhindert, dass jedes gesunde Paar zum Arzt rennt und nach dem Wunschkind verlangt, wenn möglich mit vorher bestellbaren Eigenschaften – per Präimplantationsdiagnostik ausgewählt.
Welche Krankheiten oder welche Eigenschaften kommen für die PID in Frage? Die Auswahl des Geschlechts gehört nicht dazu. Viele “Life-Style-Faktoren”, wie Sportlichkeit, Augenfarbe, sexuelle Orientierung oder Intelligenz sind überhaupt nicht diagnostisch vorher bestimmbar, und wer von Intelligenz-Genen und so weiter spricht, hat keine Ahnung von der (genetischen) Komplexität solcher Eigenschaften, die auch durch die gründlichste Untersuchung des humanen Genoms nicht auf einzelne Gene zurück geführt werden können.
Mir erscheint eine anpassbare Positivliste plausibel, anhand derer Reproduktionsmediziner mehrere genetische Faktoren untersuchen können und im Zweifel betroffene Embryonen verwerfen dürfen. Generell kann man wohl eine Grenze ziehen bei tödlichen Krankheiten, die mit Sicherheit ausbrechen werden. Nur wann dürfen diese spätestens ausbrechen und wie schnell müssen diese tödlich sein?
Die Alternative zur PID sind eine Fruchtwasseruntersuchung und eventuell eine Spätabtreibung.
Schwere genetische Defekte, die ein Überleben des Embryos bis zur Geburt nicht erlauben gehören mit Sicherheit auf diese Liste. Ebenso wohl Krankheiten, mit denen das Kind die ersten Jahre nicht überleben wird. Aber was ist zum Beispiel mit ALS, was mit anderen early-onset neurodegenerativen Erkrankungen? Was mit Chromosomen-Trisomien? Mit geistigen Behinderungen? Und was ist mit Mutationen in Tumorsuppressorgenen, die höchstwahrscheinlich zu Krebs führen? Welche weiteren Krankheiten wären berechtigterweise auf der Positivliste?
Außerdem, welche Paare mit Kinderwunsch kommen für die Präimplantationsdiagnostik in Frage? Nur solche in denen ein Partner nachweislich eine mutiertes Allel trägt, welches das Risiko einer schwersten Erkrankung des Embryos stark erhöht? Paare die bereits behinderte Kinder haben? Frauen, die bereits eine oder mehrere Fehlgeburten hatten? Oder einfach alle?
Die Alternative zur PID ist eine nicht risikofreie Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) während der Schwangerschaft und dann eine eventuelle Spätabtreibung, falls schwere Erbschäden entdeckt werden. Dieser Eingriff kann durch die Präimplantationsdiagnostik bei in vitro gezeugten Embryonen verhindert werden.
Tina Klopp fordert in der Zeit eine gesellschaftliche Debatte zum Thema. Auch wenn die PID vorerst nur wenig Paare direkt betrifft – führen wir sie doch einfach hier.
Bild: Sieben Wochen alter menschlicher Embryo (Foto: euthman via flickr (Cc)
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