Wer es noch nicht wusste: Die ScienceBlogs haben einen kulturellen Kodex. Wir argumentieren logisch und methodisch. Wir recherchieren kritisch und wenn wir Fehler machen werden diese korrigiert. Wir sind unabhängig. Was kann uns dann etwas anhaben? So manches.
In den letzten Wochen kam es zu einer massenhafte Abwanderung der Autoren von ScienceBlogs.com, dem weltweit größten Wissenschaftsblognetzwerk. Auslöser war die gleichberechtigte Eingliederung eines von PepsiCo gesponserten PR-Blogs mit den anderen, freien und unabhängigen Blogs. Im letzten Artikel wurde hier die veränderte Wissenschaftsbloglandschaft im englischen Sprachraum nach “Pepsigate” vorgestellt.
Bislang zeigt die Umstrukturierung dort keine Auswirkungen auf die Blogs hierzulande. Es gibt immer noch zwei deutschsprachige Wissenschftsblog-Netzwerke: Die Scilogs (Spektrum/ Holzbrinck) und die ScienceBlogs (Glam/ Burda). Theoretisch sind jedoch beide nicht vor ähnlichen Verwerfungen wie die ScienceBlogs.com in den USA gefeit:
Die BASF hat bei den Scilogs ihr eigenes Blog. Der gesamte Content (immerhin sechs ! Blogeinträge seit März) kommt von der BASF, also ein ähnliches Szenario wie bei Pepsigate, nur dass das Unternehmen hier anders heißt. Immerhin ist auf dem BASF-Blog klar gekennzeichnet, wer Sponsor ist.
Das ist beispielsweise bei dem derzeitigen Gastblog auf den ScienceBlogs Beauty-full-Science nicht der Fall. Um zu erfahren, dass der Sponsor dort L’Oréal heißt, muss man sich schon bis zur About Seite durchklicken und auch bis zur letzten Zeile lesen. Immerhin stammt der Content aus der Feder von (freien) Journalisten und nicht von der L’Oréal PR-Abteilung.
Die Finanzierungsoptionen für Blognetzwerke
Es ist ein zweischneidiges Schwert. Blognetzwerke scheinen einerseits für Wissenschaftsblogs ein erfolgreiches Organisationsprinzip darzustellen. Um ein Blognetzwerk aufzubauen und zu betreiben ist jedoch Kapital für Server, Datenübertragung, Technik und für die Redaktion nötig. Woher nehmen wenn nicht aus Werbeeinnahmen und von Sponsoren – was zweifellos auf Kosten der Unabhängigkeit geht? Ein Leser-finanziertes Modell über Micro-Payment Services wie flattr oder kachingle wäre prinzipiell eine Möglichkeit, erscheint mir aber derzeit noch deutlich zu wenig Volumen zu generieren um ein vollständiges Netzwerk mir Redaktion, wie die ScienceBlogs finanzieren zu können.
Nichts desto trotz: Erste Blogs auf ScienceBlogs haben die flattr-Buttons eingebunden – zum Teil unter für wichtig erachtete Artikel und zum Teil einmal für das ganze Blog. Jeder Autor wird seine eigenen Gründe für oder gegen das Einbinden dieser Buttons haben, bei im Durchschnitt zehn bis dreißig Cent Gutschrift für einen flattr-Klick wird jedenfalls bislang keiner damit reich. Die Einnahmen bei Netzpolitik, das in Deutschland wohl am meisten geflattrte Blog, lagen im Juli bei gut 600 Euro – mit über 2000 flattr-Klicks.
ScienceBlogs – ein fragiles Gebilde
Teil eines Blognetzwerks zu sein macht für Autoren aus mehreren Gründen Sinn: Die Relevanz für Suchmaschinen ist durch regelmäßige Artikel unter einer Dach-URL relativ hoch. Das sorgt für mehr Traffic und eine höhere Bekanntheit. Durch die “lokale” Nähe bildet sich eine Community. Man kennt sich, zumindest virtuell, und es kommt dadurch schneller zur Kommunikation zwischen Autoren, Co-Autoren und Lesern – ergo: Zu Kommentaren unter den Artikeln.
Weiter wird das Blognetzwerk relativ schnell als Marke wahrgenommen von deren Reputation jedes Mitglied des Blognetzwerks profitiert, andererseits jeder Autor aber auch eine Verantwortung gegenüber der Marke hat. Wenige schlechte Posts schaden dem Netzwerk mehr als ihm viele gute Artikel nutzen.
Mir scheint, die ScienceBlogs im Speziellen funktionieren gut, weil wir diskussionsfreudige Leser haben und weil die Autoren authentisch sind und nichts verkaufen wollen. Wir sind thematisch und stilistisch frei und es besteht dennoch eine gemeinsame – wenn man so möchte – kulturelle Basis: Wissenschaftlich zu denken und klar und logisch zu argumentieren; gut zu recherchieren und Fehler einzugestehen wenn sie passieren.
Trotz kultureller Basis sind die ScienceBlogs ein fragiles Gebilde, denn es gibt – außer den oben erwähnten – kaum Gründe die uns Autoren an das Netzwerk binden würden. Deshalb reichen manchmal vermeintlich kleine Anlässe innerhalb des Blognetzwerks, die den (unausgesprochenen) kulturellen Kodex verletzen, um weitreichende Folgen haben.
Bild: Wikicommons – “The Procession of the Trojan Horse in Troy” von Giovanni Domenico Tiepolo
Kommentare (72)