Losick Biofilm.jpg

English translation in the bottom half of this article. Bakterielle Biofilme sind sind oft unerwünscht und verursachen Probleme. Richard Losick hat den natürlichen Mechanismus untersucht, der zur Auflösung von Biofilmen führt. Eine Rolle dabei spielen D-Aminosäuren. Kann dieses Wissen jetzt schon für Anwendungen genutzt werden?


Bakterien sekretieren Polysaccharide und Proteinfibrillen, die dafür sorgen, dass sich Biofilme aus Billionen Bakterien erst bilden. Ob an Schiffsrümpfen, in Kathederschläuchen oder auf Zähnen: Mit Bürsten, harschen Chemikalien und Autoklaven wird den Biofilmen zu Leibe gerückt um zumindest kurzzeitig eine Schlacht zu gewinnen. Viele Biofilme sind jedoch nicht für die Ewigkeit. Wenn die beteiligten Bakterien keine Nährstoffe mehr zur Verfügung haben oder sich Abfallprodukte akkumulieren, gehen die Bakterien wieder zu einer frei schwimmenden Lebensweise über, der Biofilm löst sich auf (Foto unten).

i-fc28e9c8debe2a98939035f12dd94123-biofilm-cycle-thumb-300x162.jpg

Wie funktioniert dieser natürlich vorhandene Mechanismus, der zum Auflösen von Biofilmen führt? Und kann er für industrielle, hygienische und medizinische Anwendungen ausgenutzt werden? Richard Losick hat im Eröffnungsvortrag des EMBO-Meetings gestern Abend gezeigt, wie Biofilme des Bakteriums Bacillus subtilis durch Zugabe von D-Aminosäuren effektiv aufgelöst werden. Im Foto oben ist links ein regulärer Biofilm des Bakteriums zu sehen, rechts der Biofilm nachdem etwas D-Tyrosin darauf verteilt wurde.

D-Aminosäuren werden regulär nicht in Proteine eingebaut, sie kommen aber als Bestandteil der Zellwand von Bakterien vor. Die Beobachtung, dass die Zellwand bei alternden Bakterienkulturen mit mehr D-Aminosäuren modifiziert werden, hat Losick auf die Idee gebracht, den Einfluss dieser durch Racemasen gebildeten Derivate der L-Aminosären auf Biofilme zu untersuchen. D-Tyrosin kann nicht nur Bacillus subtilis Biofilme auflösen, sondern auch verhindern, dass sich Biofilme des Bakteriums Staphylococcus aureus bilden.

S. aureus hat es zu trauriger Berühmtheit gebracht. Das Bakterium ist häufig die Ursache für Krankenhausinfektionen und sorgt für zahlreiche Todesfälle da es häufig gegen gängige Antibiotika resistent ist. Die häufigsten und hartnäckigsten Biofilme im Krankenhausumfeld werden von Pseudomonas aeruginosa gebildet. Wie die D-Aminosäuren auf die Biofilme dieses Bakteriums wirken, wurde von Losick nicht gezeigt.

Eine direkte Anwendbarkeit der D-Aminosäuren in Krankenhäusern scheint also noch nicht absehbar. Ich bin mir aber fast sicher, dass in Zukunft Zahnpasta und Mundwasser D-Aminosäuren enthalten werden – und sei es nur aus Gründen des Marketings. Vielleicht können ja Bootsrümpfe in Zukunft umweltschonender mit D-Tyrosin gereinigt werden.

ResearchBlogging.orgKolodkin-Gal I, Romero D, Cao S, Clardy J, Kolter R, & Losick R (2010). D-amino acids trigger biofilm disassembly. Science (New York, N.Y.), 328 (5978), 627-9 PMID: 20431016

Fotos: Losick/ Harvard Medical School


D-Aminoacids disassemble bacterial biofilms

Bacterial biofilms are often undesirable and generate problems. Richard Losick has studied the naturally occurring mechanism leading to the disintegration of biofilms. D-aminoacids play a role in this process. Can this knowledge already be put to practical use?

Bacteria secrete polysaccharides and proteins which enable the formation of biofilms (consisting of trillions of bacteria) to begin with. Whether on the hulls of ships, in the tubes of catheters or on teeth: The biofilms are attacked with brushes, harsh chemicals and autoclaves in order to win the battle, at least for the time being. Many biofilms, however, are not for eternity. As soon as the bacteria involved do no longer have enough nutrients at their disposal or if there is an accumulation of waste products, the bacteria return to a planktic (floating or swimming) form and the biofilm disperses (see picture).

How does this naturally occurring process of biofilm-disassembly work? And is it possible to apply it industrially, hygienically and in medicine? Yesterday evening, Richard Losick has shown in his opening presentation how biofilms of the bacterium Bacillus subtilis are effectively disassembled through addition of D-aminoacids. In the photo on the top a regular biofilm of the bacterium can be seen on the left, while on right the same biofilm is depicted after addition of some D-tyrosine.

D-aminoacids are not normally integrated into proteins, but they are part of the cell wall in bacteria. The observation that the cell walls in ageing bacterial cultures are no longer being modified with D-aminoacids, has given Losick the idea to study the influence of these derivates of L-aminoacids, which are generated by racemases, on biofilms. D-tyrosine is not only able to disperse biofilms of Bacillus subtilis, it can also prevent the formation of biofilms of the bacterium Staphylococcus aureus.

S. aureus has gained notoriety. This bacterium is often the reason for nosocomial infections which result in numerous deaths, because it is often resistant to commonly used antobiotica. The most common and persistent biofilms in the environment of hospitals are formed by Pseudomonas aeruginosa. How D-aminoacids affect biofilms of this bacterium was not not shown by Losick.

A direct applicability of D-aminoacids in hospitals does not yet seem to be possible. However, I am nearly convinced that in the future toothpaste and mouthwash will contain D-aminoacids – if only for reasons of marketing. Maybe in the future the hulls of boats can be cleaned with D-tyrosin in a more environmentally friendly way.

Translation: Henja Wehmann

Kommentare (11)

  1. #1 Lichtecho
    5. September 2010

    Hmm, sehr interessant. Aber zur Antibiotikaresistenz hätte ich doch eine Frage. Besteht der Vorteil der Biofilme aus Sicht der Bakterien nicht gerade darin, dass Anitbiotika die Bakterien erst gar nicht erreichen? Wenn ich also einen Biofilm auflösen kann, ist das gut, weil ich so erst an die Bakterien rankomme. Da Krankenhauskeime wie S. aureus sowie gegen Antibiotika resistent sind entsteht aber doch kein Vorteil, wenn ich dessen Biofilme auflöse, oder?

  2. #2 Tobias
    5. September 2010

    Lichtecho,
    bin kein Fachmann bei Krankenhauskeimen, aber Antibiotikaresistenzmechanismen sind teilweise graduell, so dass durchaus vorstellbar ist, dass einzelne Zellen anfälliger sind als Zellen im Verbund.
    Ich weiss auch gar nicht, wo S. aureus Biofilme eine Rolle spielen, meistens ist es doch Pseudomonas aeroginosa.

  3. #3 Lichtecho
    5. September 2010

    Unabhängig von der Antibiotikaresistenz lassen sich Bakterien, die nicht in Biofilmen organisiert sind wahrscheinlich auch schlichtweg einfacher entfernen. Daher wäre eine Anwendung in Zahnpasta wirklich schlau.

  4. #4 Dennis G.
    5. September 2010

    Gegen Antibiotika-resistente Keime kommen in der Regel auch immer so genannte Breitband-Antibiotika zum Einsatz, also gleich die volle Ladung.

    Was ist jetzt das Geheimnis der D-Aminosäuren (AS) Behandlung? Dass die Bakterien sie nur für die äußere Hülle aber nicht für lebenswichtige Proteine im Inneren einsetzen können und dann absterben? Ich stelle mir das etwas schwierig vor, da man sich, anders als bei dem in-vitro Versuch, nicht in einem geschlossenen System befindet. Man müsste sie ja quasi überschwemmen.

    Sind Folgen für den Menschen absehbar? Die D-AS dürften verdauert werden, wie jede andere auch und für einen Einbau stehen nur die L-AS zur Verfügung!?

    D-AS kommen auch in Antibiotika vor und sollen das Protein vor einer allzu schnellen Verdauung schützen: https://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/8/bc/vlu/proteine/aminosaeuren.vlu/Page/vsc/de/ch/8/bc/proteine/aminos_u_einleit/d_aminosauren.vscml.html

  5. #5 Tobias
    5. September 2010

    Lichtecho,
    wahrscheinlich reichen die zwei bis drei mal zwei Minuten am Tag nicht aus, um die Biofilme vom Zahnschmelz zu entfernen. Die Einwirkzeit bei den Bacillus Biofilmen war zum Teil 3 Tage bis er komplett aufgelöst war. Vielleicht wirkts unterstützend, vielleicht wird es – wie gesagt – als Marketingzutat demnächst der Zahnpasta zugesetzt.

  6. #6 Tobias
    5. September 2010

    Dennis G.,
    ich denke, es geht weniger um den Einsatz von D-AS als Antibiotika, als vielmehr um die Möglichkeit Biofilme aufzulösen und so – im klinischen Umfeld – die biofilmbildenden Bakterien anfälliger machen für Antibiotika. Das beruht primär auf keinem klassischen Resistenzmechanismus, sondern darauf, dass Biofilme von den normalen Antibiotika so nicht penetriert werden können.

  7. #7 cohen
    5. September 2010

    Sind diese D-Aminosäuren Botenstoffe, die zu einer Umorganisation der Biofilme führen?
    Ist das der Trick, der dahinter steckt?

    Bakterien im Biofilm sind eine heiße Sache und die verhalten sich auch komisch und halten ne Menge aus. Ich erinnere mich noch an eine Geschichte, habe auch ein Paper dazu gefunden, da haben Bakterien als Biofilm in einer Flasche PVP-Jod-Desinfektionsmittel überlebt:
    https://www.jstor.org/pss/30145196

    Das fand ich ganz schön krass und habe es mir wahrscheinlich auch deswegen gemerkt. 🙂

  8. #8 Dennis G.
    5. September 2010

    @Tobias:

    Dass D-AS auch in Antibiotika vorkommen können, habe ich nur beim weiteren recherchieren entdeckt. War mehr als Hinweis gedacht und wollte vom eigentlichen Thema garnicht abweichen.

    Wie ist nun das genaue Wirken der D-AS zu erklären? (siehe Frage in meinem ersten post)

    @Topic:

    Biofilme erscheinen auf den ersten Blick garnicht so besonders: Sich zu einem Pulk zusammenschließen und sekretieren was das Zeug hält.
    Das grenzt ja fast schon an intelligentem Schwarmverhalten, wie man es von Fischen und Vögeln her kennt. Die Strategie oder besser gesagt, das Ziel, ist das gleiche: Überleben.

  9. #9 Tobias
    5. September 2010

    Dennis G.
    Der genaue Mechanismus ist wohl soweit noch nicht verstanden. Was Losick gezeigt hat, war dass die amyloiden Proteinfibrillen nach Behandlung mit den D-Aminosäuren nicht mehr an den Bakterien anhingen.

  10. #10 Agatha K.
    21. April 2012

    Hallo,
    ich habe den Artikel über Google-Suche gefunden.

    Ich bin nicht vom Fach, ich bin nur auf der Suche nach Informationen über Biofilmen. Der Hintergrund ist das Interview über “Protozoen-Infektion – Das nächste große Entdeckung?” https://www.iadvocatehealth.org/protozoal_infection0.aspx#.aspx

    Im Interview wird erklärt, dass Magnesium die Biofilm-Bildung verbessert. Weitere notwendige Komponente wären Zucker und Fett. Somit muss man Zucker, Fett und Magnesium meiden um den Biofilm nicht zu stärken. Zum Lösen braucht man dann D-Aminosäuren.

    Jetzt meine Fragen:
    1. Können auch andere Nahrungsergänzugsmittel den Biofilm stärken?
    2. D-Aminosäuren lösen bakterielle Biofilme, gilt das auch für die Menschen (in vivo)?
    3. Wenn ja, müssen das D-Aminosäuren gesamt sein oder D-Tyrosin einzel.
    4. Insgesamt hätten Sie sonst andere Tipps: pro und contra Biofilm.

    Danke im Voraus!

    Grüße

    Agatha K.

  11. #11 WeiterGen
    27. April 2012

    Hallo Agatha K.,
    bitte entschuldigen Sie die späte Antwort auf Ihren Kommentar. Ich habe das von Ihnen verzinkte Interview gelesen, und obwohl an vielen Stellen durchaus richtiges gesagt wird, ist der Grundtenor irreführend. Stutzig macht, dass auf keine wissenschaftliche Publikation verwiesen wird und dass direkt nach dem Interview zum Geld spenden aufgerufen wird. Zwei Zeichen, die die Seriosität des Textes sicher nicht unterstützen. Auch die Hinweise auf eine spezielle Ernährung entbehren weitgehend jeder wissenschaftlichen Grundlage.

    Um direkt auf Ihre Fragen einzugehen:
    1. Welchen Biofilm meinen Sie denn?
    2. Meinen Sie Biofilme in der Lunge?
    3. Weiß ich nicht.
    4. Ich habe auch den Eindruck, Ihnen ist noch einigermaßen fremd, was ein Biofilm ist. Für Hintergrundinformationen verweise ich Sie gerne an die Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Biofilm
    https://de.wikipedia.org/wiki/Biofilm