Was sind die wichtigsten Kriterien bei der Suche nach einer passenden Stelle für die Doktorarbeit? Es gibt ein paar generelle Parameter, die man beachten sollte, um die Frustrationen im Zusammenhang mit einer Promotion zu minimieren. Eine Antwort auf eine Lesermail.
Ich bekomme hin und wieder Leserpost. Während mir manche in epischer Länge erklären, wie giftig die Inhaltsstoffe von Impfseren seien oder mir gleich tiefenpsychiologische Gutachten erstellt werden, haben andere Leser konkretere Anliegen. Letztere sind mir lieber.
Leser S zum Beispiel bat mich um Rat bei der Wahl der richtigen Dokorandenstelle. Da ich denke, dass ich die Fragen von S sicher nicht erschöpfend beantwortet habe, im Anschluss seine Mail und meine Antwort, zusammen mit der Bitte in den Kommentaren doch weitere kritische Gesichtspunkte bei der Wahl des richtigen Labors für Diplomarbeit, Doktorarbeit oder Postdoc zu diskutieren.
Was sind die eigenen Erfahrungen? Wie hätte man im Nachhinein anders entschieden? Wo ist etwas schief gelaufen? Was war am frustrierendsten? Was sind persönlich die wesentlichen Kriterien bei der Wahl des Labors gewesen? Läuft es in anderen Wissenschaftsdisziplinen als den Biowissenschaften anders ab?
Leser S schreibt:
Ich bin so langsam auf dem Weg zum Diplom (mein Plan ist Beginn der Diplomarbeit Mitte 2011). Auf einer Konferenz wurde mir eine Doktorandenstelle in Lincoln, NE angeboten. Mit Bezahlung und allem Drumherum. Ich ziehe natürlich ernsthaft in Betracht, mich in diese Richtung zu bewegen.
Kannst Du mir ein paar Tipps geben, worauf ich dabei achten sollte? Als deutscher Wissenschaftler im Ausland hast Du ja sicherlich deine Erfahrungen gemacht.
Gibts vielleicht ein paar Dinge, die Du heute anders machen würdest oder die Du zumindest anderen mit auf den Weg geben würdest?
Grüße, S
Lieber S,
ich würde mich bevor du mit der Diplomarbeit überhaupt angefangen hast, noch nicht auf eine Promotionsstelle oder eine Forschungsrichtung festlegen. Weiter würde ich die Wahl in den USA zu promovieren eventuell überdenken. Drittens würde ich mir vor einer Entscheidung das zukünftige Labor auf jeden Fall persönlich anschauen und mit den zukünftigen Kollegen sprechen.
Zu Punkt 1: Erst während deiner Diplomarbeit hast du die Chance herauszufinden, welche Themen, möglicherweise welche Techniken und welche Art Chef dir liegen oder dich interessieren. Du wirst vielleicht die Möglichkeit haben Kontakte zu knüpfen oder mit einem anderen Labor zu kooperieren, die dann als ideale Folgestelle in Frage käme, vielleicht merkst du in den sechs Monaten auch, dass Forschung doch nicht das richtige ist? Weitere Parameter sind: Gefällt dir die Stadt und das Institut, an dem du arbeiten wirst? Wie ist das Wetter, das Essen, die kulturellen Angebote? Vielleicht sind dann private Gründe plötzlich ausschlaggebend? Das Angebot an Doktorandenstellen ist groß, es ist nicht nötig sich ein Jahr im Voraus darum zu kümmern.
Zu Punkt 2: Es gibt international und auch auf ebene der einzelnen Unis und Institute, sehr uneinheitliche Regelungen zu den Rahmenbedingungen von Doktorarbeiten. Das gilt zum Beispiel für die Dauer und den Umfang der Arbeit, die zusätzlich wahrzunehmenden Aufgaben (Praktika halten für Studenten?), die Organisation der Doktoranden (PhD-Programm?), die Bezahlung, die Art der Prüfung und den Stil der Doktorarbeit. In den USA dauern Promotionen erheblich länger als in europäischen Staaten. Die Studenten dort haben zusätzlich noch viele Kurse, deren Inhalte du teilweise wohl schon im Rahmen deines Diploms gelernt haben wirst. In Großbritannien hingegen wird die Promotionsdauer mit drei Jahren recht streng eingehalten. In Ländern wie Dänemark, den Niederlanden, Belgien und der Schweiz ist die Bezahlung zum Teil deutlich besser als beispielsweise in Deutschland. Es macht also Sinn, sich vor einer Bewerbung auch um die offiziellen Rahmenbedingungen zu kümmern.
Zu Punkt 3: Es ist unerlässlich, sich ein eigenes Bild von der zukünftigen Gruppe zu machen. Wie ist das Labor tatsächlich ausgestattet? Wie ist die finanzielle Lage? Sind die zukünftigen Kollegen nett oder seltsam? Sind sie fröhlich oder frustriert? Wie ist das Labor organisiert? Also: Ist es eine kleine aber schlagkräftige Gruppe? Ist sie groß und gibt es Zwischenhierarchien mit Juniorgruppenleitern oder erfahrenen Postdocs von denen du was lernen kannst? Gibt es technische Angestellte und was sind deren Aufgaben? Gibt es regelmäßige Labormeetings in denen Daten auch tatsächlich diskutiert werden? Wie beurteilen die zukünftigen Kollegen den eigenen Chef? Ist dieser ein guter Forscher, guter Manager, guter Kommunikator? Ist sie eher visionär oder pedantisch? Wie sieht die Publikationsphilosphie aus (auf Teufel komm raus high impact oder werden auch kleinere Papers geschrieben)? Wie lange dauert in der Regel eine Doktorarbeit im Labor deiner Wahl?
Während einer Promotion gibt es immer frustrierende Phasen und Enttäuschungen. Wenn du weißt warum du was erforschen möchtest, du über die äußeren Rahmenbedingungen und die inneren Verhältnisse deiner zukünftigen Stell informiert bist, kannst du die Frustrationen minimieren. Also: zuerst herausfinden, wo du gerne warum promovieren möchtest; dann wenige, gezielte und begründete Bewerbungen schreiben. Wenn du anbietest einen Vortrag über deine Diplomarbeit zu halten, wirst du bei Interesse eingeladen werden und so die Chance bekommen die Gruppe und den Chef kennen zu lernen. Du gibst so auch deinem zukünftigen Chef die Chance, dich kennen zu lernen.
Grüße
WeiterGen
Foto von Sam Hames by-sa Lizenz
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