Übereinstimmenden Meldungen mehrerer Medien zur Folge haben zwei Labore aus Holland und den USA das Grippevirus vom Typ A/H5N1 so genetisch verändert, dass es zwischen Frettchen per Tröpfcheninfektion übertragen werden kann. Die Forschungsgruppen haben ihre Ergebnisse bei Science und Nature zur Publikation eingereicht. Wird mit der Veröffentlichung der Daten die Büchse der Pandora geöffnet? Werden die Gründe für die Studie und die entstehenden Möglichkeiten für Diagnostik, Prävention und Therapie in den Medien adäquat kommuniziert?
Influenzaviren vom Typ A/H5N1 sind für den Menschen häufig hoch pathogen und in den letzten Jahren als Auslöser der sogenannten Vogelgrippe erneut aufgetreten und von den Medien wahrgenommen worden. Eine natürliche Barriere verhindert, dass die Vogelgrippe ähnlich verheerend beim Menschen grassiert: Säugetiere stecken sich nur sehr schwer mit A/H5N1 an; Wikipedia gibt beim Menschen weltweit 335 Todesfälle bei 571 Infektionen an.
Zwei spezielle Eigenschaften der Influenzaviren geben dennoch Anlass die Gefahr einer Übertragung von Vogelgrippeviren auf den Menschen nicht zu unterschätzen: Das genetische Material der Viren besteht aus einsträngiger RNA. Da zelluläre Reparaturmechanismen hier nicht greifen, verändern sich die Grippeviren genetisch außergewöhnlich schnell. Außerdem besteht das Virengenom aus acht einzelnen RNA Strängen, die sich bei gleichzeitiger Infektion mit einem verwandten Virus durchmischen können und so relativ einfach neue Virentypen entstehen.
Dieser Gefahr sind sich die Forscher natürlich bewusst, unbekannt war bislang wie vieler und welcher genetischer Veränderungen es bedarf, um einen Vogelgrippestamm so zu verändern, dass er in Säugetieren per Tröpfcheninfektion übertragen werden kann – wie hoch also die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein solcher Stamm auf auf natürlichem Weg entsteht.
Die Gruppen in Madison und Rotterdam haben jetzt unabhängig und möglicherweise mit unterschiedlichen Methoden einen solchen Stamm hergestellt und gezeigt, dass sich Frettchen per Tröpfcheninfektion damit anstecken können.
Geht von Möglichkeit, dass solch ein Stamm auf natürliche Art entstehen kann ein potentielle Gefahr aus, so ist die Gefahr das Anschläge mit diesem oder einem nachgebauten Stamm verübt werden durchaus real. Um zu verhindern, dass ein solcher Stamm in falsche Hände gerät, verhandelt derzeit offenbar das US National Science Advisory Board for Biosecurity (NSABB) mit Science und Nature. Es geht es um die Frage ob die Forschungsergebnisse überhaupt publiziert werden können und falls ja, welche Informationen für wen dann zugänglich sind.
Ich habe heute ein paar Kollegen im Labor um ihre Meinung gefragt. Das Bild ist uneinheitlich. Einige würden aus ethischen Gründen komplett von einer Publikation absehen, andere wünschen sich eine Veröffentlichung und argumentieren, dass die Forschungsegebnisse zur Herstellung eines Impfstoffs dienen können, der im Fall einer Epidemie schnell und breit zur Verfügung gestellt werden kann. Nature selbst schreibt:
The mutant strains were not born out of a reckless desire to push the boundaries of high-risk science, but to gain a better understanding of the potential for avian H5N1 to mutate into a form that can spread easily in humans through coughing or sneezing […] The studies should also help boost surveillance for similar changes in wild-type strains, and to develop diagnostics, drugs and vaccines.
Die beiden Journals und das NSABB einigen sich möglicherweise so, dass kritische Ergebnisse der Stude, also beispielsweise die genauen RNA Sequenzen des H5N1 Stamms, nur an speziell geprüfte Labore ausgegeben werden.
Ich möchte die Umfrage von heute aus dem Labor auf das Blog hier ausweiten, also bitte unten abstimmen, wie mit den Forschungsergebnissen verfahren werden soll.
Kommentare (77)