In Katalonien verbinden die Menschen das Datum des elften September nicht außschließlich mit den Terroranschlägen auf die Twin Towers in New York, sondern mit vor allem mit dem Ende der Besetzung Barcelonas 1714 und der Aufgabe der katalanischen Souveränität in Folge der Niederlage gegen die spanisch-französische Allianz. Der elfte September ist der katalanische Nationalfeiertag. Er wurde 1980, nach Ende der Franco-Herrschaft, wieder eingeführt und wird seither genutzt um den Opfern der Besetzung Barcelonas zu gedenken und um dem Wunsch nach Unabhängigkeit von Spanien Ausdruck zu verleihen.
Die Unabhängigkeitsbewegung hatte starken Zulauf in den vergangenen Jahren, da vielen Menschen die Zugeständnisse der zentralen Regierung in Madrid an die autonome Region Katalonien nicht weit genug gehen. Gestern waren Fernsehangaben zu Folge rund 1,5 Millionen Menschen in Barcelona auf der Straße, das sind 20% der Gesamtbevölkerung Kataloniens. In katalanische Flaggen gehüllt, zumeist mit dem Stern als Zeichen für die Unabhängigkeit, und in T-Shirts mit unterschiedlichsten Motiven zur Abspaltung von Spanien, verliehen die Demonstranten ihrem Wunsch nach “In – Inde – Independencia” Ausdruck. Der Verkehr im gesamten Stadtgebiet war selbstverständlich lahmgelegt und trotz sehr niedriger Polizeipräsenz verliefen die Demonstrationen friedlich.
54 unterschiedliche T-Shirt Motive der Independistas. Hier als Flickr-Set.
Die Independistas führen kulturelle, politische, ökonomische und historische Gründe für die Unabhängigkeit an. Die offizielle Teil der Veranstaltungen gestern gipfelte in der Übergabe eines Manifestes an die Präsidentin der katalonischen Parlaments und endete mit der Zusicherung, dass der Präsident der katalonischen Regierung innerhalb der nächsten Tage das Gespräch mit den Independistas suchen wird. Eine der Forderungen der Independistas ist ein offizielles Referendum zur Frage der Unabhängikeit innerhalb Kataloniens.
Auf der Straße wurde vielfach ein neuer, unabhängiger Staat Katalonien innerhalb der EU gefordert : “Catalunya Nou Estat d’Europa”. Ganz so schnell wird das nicht gehen. Auch wenn die Argumente für einen Verbleib innerhalb Spaniens häufig nicht überzeugend klingen, gibt es viele Katalanen, die keine Abspaltung wünschen, so dass der Ausgang des geforderten Referendums keinesfalls sicher ist.
Selbst im Falle eines erfolgreichen Referendums und der unilateralen Abspaltung Kataloniens, müsste der neue Staat erst von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden, bevor ein Aufnahmeantrag in die EU gestellt werden könnte. Eine Studie, die eben jenes Szenario analysiert hat, kommt zu dem Ergebnis, dass dadurch das Bruttoinlandsprodukt Kataloniens über 23% einbrechen würde und es mindestens 10 Jahre dauern würde, bis Katalonien wieder zur aktuellen wirtschaftlichen Stärke zurück fände.
Die Studie stammt selbstverständlich nicht aus Katalonien, sondern von der Universidad Complutense in Madrid.
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