Wissenschaftliche Forschung an Universitäten und öffentlichen Instituten wird im Allgemeinen durch öffentliche Gelder finanziert. Der Weg von der Idee zum finanziell geförderten Forschungsprojekt ist jedoch mühsam, langwierig und frustrierend. Anträge müssen geschrieben und revidiert werden, vorläufige Ergebnisse müssen präsentiert werden, formale Richtlinien und Deadlines müssen eingehalten werden. Das ganze dauert oft noch länger als später das publizieren der Ergebnisse. Wäre es nicht toll, wenn es alternative Pfade zu den gängigen Wegen im Förderjungel aus Institutsetats, DFG-Anträgen, BMBF-Mitteln und EU-Projekten gäbe?

Gibt es seit ein paar Tagen auch in Deutschland, heißt Sciencestarter, und ist eine Crowdsourcing-Plattform nach dem überaus erfolgreichen Vorbild Kickstarter. Doch ob das funktioniert, ist eher zweifelhaft.

Wissenschaftliche Projekte unterschieden sich in einem ganz grundsätzlichen Aspekt von den Projekten die auf Kickstarter erfolgreich finanziert werden: Dort gibt es einen realen Gegenwert für den eingesetzten Betrag. Ganz gleich ob es sich um Comicbücher, Filme über Frauenrechte, Schlüsselanhänger, iPhone-Hüllen oder Musikalben handelt. Das eingesetze Geld ist eine Investition, die einem Kauf gleich kommt. Bei Erreichen des Finanzierungsziels kann man sich als Gegenleistung das Album oder den Film herunterladen oder bekommt das Buch, den Anhänger oder die iPhonehülle zugeschickt.

Das eingesetzte Geld für wissenschaftliche Projekte – ob auf der deutschen Sciencestarter oder den Vorbildern petridishMicroryza und SciFund kommt hingegen Spenden gleich. Wissenschaftliche Grundlagenforschung stellt nunmal keine Produkte her und Fotos von Artgeschützen Tieren, Einladungen zu Labmeetings oder in Kunstharz eingegossener Pferdemist, wie er bei einem der derzeit sechs geförderten Projekten auf der deutschen Sciencestarter Seite für 500 Euro Spendenvolumen angeboten wird, sind symbolische Gegenleistungen.

Wer spendet also für Crowdfundingprojekte mit wissenschftlichem Hintergrund? Es ist wohl weniger die wissenschaftsinteressierte und spendenfreudige Öffentlichkeit als vielmehr Verwandte, Freunde und Bekannte, wie eine entsprechende Auswertung des Wissenschafts-Crowdsourcing-Referenzprojekt von Ethan Perlstein ergab. Perlstein hat hat erfolgreich 25 000 Dollar zur Erforschung des Wirkmechanismus von Amphetaminen eingeworben. Eine Analyse seines Facebook-Netzwerks ergab, das rund 10% der mit ihm verbundenen Freunde gespendet haben. Der größte Spender war offenbar sein Großvater Walter. Perlstein selbst schreibt:

Friends and fam­ily are the first stop on the crowd­fund­ing whis­tle stop tour!

Die Macher von Sciencestarter.de wissen natürlich auch, dass eher der Wunsch als ein realistisch erreichbarer Finanzierungserfolg für Forschungsprojekte bei der Konzeption der Seite Pate stand. Die von der Wissenschaftskommunikationsinititative Wissenschaft im Dialog gegründete und vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft unterstützte Plattform legt daher auch Wert darauf, den kommunikativen Mehrwert von Sciencestarter zu vedeutlichen:

Mit der Plattform stellt Wissenschaft im Dialog auch ein neues multimediales Werkzeug für die Wissenschaftskommunikation zur Verfügung. Die Öffentlichkeit erlebt Wissenschaft als Prozess und kann diesen unmittelbar mitgestalten.

Folglich sind auf Sciencestarter auch explizit Wissenschaftskommunikationsprojekte erwünscht:

Sciencestarter ist die deutschsprachige Crowdfunding-Plattform zur Finanzierung von Projekten aus Wissenschaft, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Forscher, Studenten und Wissenschaftskommunikatoren können hier ihre Projekte durch viele einzelne Personen finanzieren lassen.

Ich hätte da schon eine Idee. Wie wäre es mit einer crowdgefundenen Wissenschaftsblogplattform? Für 2500 Euro Startkapital sollte man eine moderne und technisch funktionierende Blogplattform einrichten können, die sämtliche technische Probleme, wie nicht funktionierende Plugins, fehlende Kommentarvorschau und Editierfunktion und mangelhafte Darstellung auf mobilen Geräten löst. Darüberhinaus eingenommenes Kapital käme direkt den Bloggern zu Gute. Wer ab 25 EUR spendet bekäme ein eigenes Profilbild und kann die Kommentarvorschau und Editierfunktion nutzen. Wer ab 100 EUR spendet, würde aus der Seitenspalte verlinkt, für 250 Euro gäbe es einen Gastbeitrag eines Wissenschaftsbloggers auf der eigenen Seite zu einem Thema nach Wahl,…

Bild oben Jesse Pinkman und Walter White beim Meth kochen in der Serie Breaking Bad via Ethan Perlsteins Website (CC BY-NC-SA 3.0)

Kommentare (8)

  1. #1 Lichtecho
    28. November 2012

    “Ich hätte da schon eine Idee. Wie wäre es mit einer crowdgefundenen Wissenschaftsblogplattform? ”

    Das gibt es schon, sogar mehrfach, zum Beispiel: “Spektrum der Wissenschaft”, “Bild der Wissenschaft”, “New Scientist”, “interstellarum”, etc.
    Früher nannte man halt Crowd noch Abonnent und der Blogger hieß Autor – aber abgesehen davon passt es schon.

  2. #2 Tobias Maier
    28. November 2012

    Lichtecho,
    tja, neue Medien, alte Geschäftsmodelle.
    Siehe auch hier: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/zukunft-des-journalismus-das-heilige-versprechen-11970610.html

  3. #3 Dr. Webbaer
    28. November 2012

    Für 2500 Euro Startkapital sollte man eine moderne und technisch funktionierende Blogplattform einrichten können (…)

    Du (im Sinne von ‘man’, das amer. ‘Du’), so klar ist das nicht. Derartige Anwendungen sind nicht so leicht aufzusetzen wie zu pflegen; auch wenn natürlich schon Frameworks [1] bereitstehen.

    MFG
    Dr. W (der sich der Kritik an den bekannten d-sprachigen publizistischen Verbundsystemen demzufolge nur zögernd anschließt, auch wenn dort natürlich technisch mehr geleistet werden müsste, korrekt!)

    [1] die nicht statisch sind 🙂

  4. #4 celsus
    29. November 2012

    Für 2500 Euro Startkapital sollte man eine moderne und technisch funktionierende Blogplattform einrichten können

    Mal überlegen. Das wäre ein Programmierer, Designer, Planer, Werber in Personalunion, der dafür nicht länger als 4 Wochen brauchen dürfte.
    Die genannten Probleme wären damit vielleicht und mit ganz viel Glück behoben. Dafür gäbe es etwa tausend neue Probleme, die niemand beheben kann, weil das Budget ja verbraucht ist.
    Mit einer Null mehr an der Zahl wären die Chancen ein klein wenig besser. Aber erfolgreich wäre die Plattform damit immer noch nicht.

  5. #5 Dr. Webbaer
    29. November 2012

    Das mag Zynismus gewesen sein, fürwahr! – der Schreiber dieser Zeilen ist geneigt eben dieses anzunehmen.

    Über das grundsätzliche Missverständnis zwischen sich wirtschaftlich Betätigenden und IT-Systeme Entwickelnden oder Betreibenden sind schon ganze Bücher geschrieben worden.

  6. #6 Tobias Maier
    29. November 2012

    celsus,
    es ging um die technische Machbarkeit, und da sollte ein auf WordPress basierendes Multiautorenblog mit gängigen Plugins und einem eingekauften Design durchaus im vorgeschlagenen Budget liegen (40 h Arbeit * EUR 50 Stundenlohn = EUR 2000)
    Die eigentlichen Projektkosten sind selbstverständlich höher.

  7. […] für das investierte Kapital. Letztendlich kommen also Investitionen in Projekte Spenden gleich. Die Untersuchung eines Refernzprojekts ergab dann auch, dass ein guter Teil des crowd-gefundeten Geldes von Personen aus der näheren […]