Katalonien hat eine lange kulinarische Tradition, die in der weltweit höchsten Dichte von Restaurants mit drei Michelin-Sternen gipfelt. Ferran Adrià und sein inzwischen
geschlossenes Restaurant “El Bullí” dürfte den meisten ein Begriff sein. Der Celler Can Roca in Girona stand lange im Schatten von Adriàs Küche. Heute ist das Restaurant, das von den drei Roca-Brüdern gegründet und geleitet wird, zum besten Restaurant der Welt gekürt worden. Auch wenn sich dadurch nichts ändert, außer dass es noch schwieriger wird, einen Tisch dort zu reservieren, ist das doch eine Meldung wert – und ein Anlass meine Fotos hier zu teilen, die ich an einem Abend im Can Roca geschossen habe. Rund 25 Gänge mit dazugehörigen Weinen.
Kochen und Wissenschaft ist auf keinen Fall so weit auseinander, wie es anfangs scheinen mag. Wer ein Ei kocht, denaturiert Proteine, und die Herstellung von Bier und Wein ist pure Mikrobiologie. Wer Fleisch grillt, Brot toastet oder Pommes brät, verlässt sich auf die Maillard-Reaktion, bei der Aminosäuren mit reduzierenden Kohlehydraten reagieren, die dabei braun werden und Geschmacksstoffe entwickeln.
Harvard hat sich dem Thema “Wissenschaft und Kochen” mit einer eigenen Veranstaltungsreihe genähert, und viele bekannte Restaurantchefs eingeladen, inklusive Ferran Adria vom El Bullí und Carme Ruscalleda vom Restaurant Sant Pau in Sant Pol, eine Stunde nördlich von Barcelona gelegen und ebenfalls mit drei Michelin Sternen dekoriert. Als ich 2011 einen Freund in Harvard besucht habe, hat sie dort zufällig gerade einen Vortrag über die Maillard-Reaktion gehalten. Auf Catalan, aber mit einem Dolmetscher. Ein zweiter Assistent hat während ihres Vortrags im Hintergrund Migas gekocht, eine spanische Spezialität aus altem Brot, bei der die Maillard-Reaktion ebenfalls geschmacksgebend ist.
Migas ist ein sehr altes, traditionelles Gericht. Ganz im Gegenteil zur Molekularküche, die von Ferran Adrià wenn nicht erfunden, so doch maßgeblich mitbestimmt wurde. Entwicklungen wie künstlicher Kaviar durch Sphärisierung mit Alginat und Kalziumchlorid, oder der Einsatz von Geruchsstoffen wie zum Beispiel Zigarrenrauch in Schäumen gehen auf ihn zurück. Bislang kamen diese Impulse für die Weiterentwicklung dessen, was in der Küche produziert wird häufig von den Köchinnen und Köchen selbst.
Ich wundere mich, warum nicht mehr Naturwissenschaftler dabei eine Rolle spielen. Wir sind prädestiniert für die molekulare Küche. Wir experimentieren, wir verstehen die Chemie hinter den Gerichten, wir haben Laborerfahrung und kennen uns mit den benutzten Geräten aus. Versuchsanleitungen sind nichts anderes als Rezepte und wenn ein Experiment wiederholt wird, dann wird das nachgekocht, wir sprechen also schon die gleiche Sprache.
Ich habe zusammen mit meinem Nachbarn Giancarlo Fiori, einem Sternekoch aus Chile, der auf den Fotos vom Can Roca auch zu sehen ist, jedenfalls das Labor schon einmal zum Kochstudio umfunktioniert. Die Ergebnisse waren vielversprechend und zum Teil sogar genießbar. Ich denke, ich werde im nächsten Blogpost vorstellen, was wir genau gekocht haben. Dieser hier soll den Profis Ruscalleda, Roca und Adrià vorbehalten bleiben. Als kleines Bilderrätsel hier dennoch schon mal ein Teaser: Was ist das?
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