Sind die Fahrer bei der diesjährigen Tour de France gedopt oder nicht? Bisherige Blut- und Urinanalysen der teilnehmenden Athleten waren jedenfalls allesamt negativ. Das kann bedeuten, dass das gesamte Fahrerfeld tatsächlich sauber unterwegs ist, das kann aber auch bedeuten, dass gezielt an Grenzwerte und Detektionsschwellen hingedopt wird, dass die pharmakologischen Verschleierungsmethoden sich verbessert haben oder dass neue Substanzen zur Leistungssteigerung verwendet werden, nach denen bislang nicht in den Anti-Doping-Laboren gesucht wird.
Der Franzose Antoine Vayer, einst Trainer des vom größten Dopingskandals der Radsportgeschichte gesprengten Festina Teams und mittlerweile Aktivist für sauberen Radsport, hat eine alternative Methode vorgestellt, um zu beurteilen, ob ein Teilnehmer der Tour de France leistungssteigernde Substanzen eingenommen haben könnte.
Vayer berechnet die von den Profis gebrachte Leistung an langen Anstiegen am Ende einer Etappe und sortiert sie in die Kategorien “mutiert”, “unglaublich” und “verdächtig”. Das Beispiel des Aufstiegs nach Alpe d’Huez aus seinem vorzubestellenden Heft zeigt wie das Who is Who des internationalen Radsports der letzten zwanzig Jahre dort hochgehetzt ist: Pantani, Armstrong Ullrich, Riis sind in der Kategorie mutiert, Landis, Schleck, Vinokurov fahren unglaublich und Virenque, Wiggins und Evans zumindest suspekt. Alpe d’Huez wird dieses Jahr auf der 18 Etappe übrigens gleich zwei Mal überfahren.
Seine Berechnungsmethode ist keinesfalls neu. Wenn einige Rahmendaten, wie das Fahrergewicht, das Gewicht des Rads, die Steigung, die Rollreibung und die gebrauchte Zeit für den Anstieg, beziehungsweise die Durchschnittsgeschwindigkeit bekannt sind, kann man relativ einfach die Leistung der Fahrer berechnen, zum Beispiel hier.
Vayer ordnet die Fahrer ab 450 Watt als mutiert ein, 430 Watt sind wundersam und Werte über 410 Watt werden als verdächtig gewertet. Die Kritik der Athleten an der Methode Vayers beschänkt sich auf die Anmerkung, dass Gegenwind nicht berücksichtigt würde. Bei Bergetappen, auf die sich Vayer bei seinen Analysen beruft, dürfte dies jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Viel kritikwürdiger ist die doch relativ zufällig erscheinende Festlegung seiner Kategorien, sowie der Bezug auf die Gesamtwattzahl und nicht auf die Leistung pro Kilogramm Körpergewicht.
Die von Vayer berechneten Werte zeigen hoffentlich auf lange Sicht einen klaren Leistungsgipfel in den 90er und 00er Jahren, was tatsächlich auf einen neuen, sauberen Radsport hinweisen würde. Interessanter als seine relativ willkürliche Kategorisierung der Fahrerleistungen in “mutiert” und “unglaublich” finde ich die Frage, zu welchen Leistungen individuelle, voll austrainierte Profis die garantiert ohne leistungssteigernde Mittel fahren überhaupt in der Lage sind. Außerdem: In wie weit erlauben die berechneten Leistungswerte am Berg direkte Rückschlüsse auf Kernparameter der Ausdauersportler, wie die maximale Sauerstoffaufnahme und der Hämatokritwert.
Diese Woche ist von einem kurzen Einzelzeitfahren morgen abgesehen noch von Flachetappen geprägt. Aber am Sonntag findet die nächste Bergankunft auf dem Mont Ventoux statt und kommende Woche sollte genug Gelegenheit für Vayer bieten, Leistungsdaten der Fahrer an Bergen zu erheben.
Mein Tip für Paris? Nachdem Vorjahressieger Bradley Wiggins aufgrund einer Knieverletzung nicht dabei ist, wird sein letztjähriger Adjutant Chris Froome seiner Favoritenrolle gerecht und beendet die Tour im gelben Trikot des Gesamtführenden.
Froomes Leistung in Alpe d’Huez letztes Jahr ist von Vayer übrigens als “unglaublich” eingestuft worden.
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