Mich verbindet so etwas wie Hassliebe mit Mathematik. Ich war immer schon von der Klarheit und gleichzeitig der Abstraktion dieser Wissenschaft fasziniert und habe Freunde bewundert, denen das Verständnis für Mathematik zufliegt. Mir ging es leider nicht so. Es war in der Schule mein schlechtestes Fach. In meiner gesamten Schullaufbahn schrieb ich eine einzige Sechs. Das war in Mathe. Ich bin nicht stolz darauf. Ich bin mehr als einmal an mir gestellten Aufgaben verzweifelt, zum Teil aus Mangel an ausreichendem Methodenwissen, aus Mangel an Talent, und zum Teil an einer fehlenden Greifbarkeit der Problemstellungen. Vielleicht lag es auch an meinem Mathelehrer. Die Abstraktion der Mathematik, die ich einerseits bewundere, hat mir jedenfalls oft deutlich meine intellektuellen Grenzen aufgezeigt.

Das Heidelberg Laureate Forum ist das Gipfeltreffen preisgekrönter Wissenschaftler aus Mathematik und Computerwissenschaften. Die Koryphäen kommen dort kommende Woche mit 200 Nachwuchswissenschaftlern aus etlichen Ländern in Heidelberg zusammen. Wie kommt es also, dass ausgerechnet ich, mit zugegebenermaßen beschränktem mathematischen Verständnis und kaum erwähnenswerten Ausflügen in die Programmierung von Computern, von dort berichten darf?

Moderne Mathematik und Computerwissenschaften haben mit der von mir so innig gehassliebten Schulmathematik wahrscheinlich so viel zu tun wie eine Magnetschwebebahn mit der Draisine. Das Verständnis der Grundlagen wird für mich also sicher nicht einfacher – und darüber kann ich dann auch nicht berichten auf dem HLF-Blog. Ich habe mir aber vorgenommen beim Laureate Forum in Heidelberg die Fragestellungen zu verstehen, die hinter der Forschung stehen. Die potentiellen und realen Anwendungen der beiden Forschungsgebiete vorzustellen, schlicht also das für mich geistig so Fremde und Abstrakte greifbar zu machen.

Ich habe mir zur Vorbereitung auf das Heidelberg Lautete Forum durchgelesen an was die 200 Nachwuchswissenschaftler forschen. Sowohl die Faszination wie auch das Verständnis für Mathematik und Computerwissenschaften haben dabei schon zugenommen. Einige mehr oder weniger zufällig ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen sich, ihre Motivation, und ihre Forschungsgebiete zur Einstimmung auf die Tagung drüben im englischsprachigen Blog jeden Tag diese Woche vor. Unter anderem von mir gibt es dann kommende Woche auch auf dem deutschen Blog des HLF Texte aus Heidelberg. Der Twitter Hashtag ist #hlf15.

Bild oben: Der Sharp PC1246S Pocket Computer auf dem ich mal gelernt habe BASIC zu programmieren.

Kommentare (16)

  1. #1 Dr. Webbaer
    21. August 2015

    Die Mathematik scheint in der Lage den Spezialisten vom Generalisten zu trennen, insofern beherbergen die gesellschaftlich wichtigen Institutionen, sozusagen in Nischen, Mathematiker, die eher auf Zuruf handeln, mit der Geschäftslogik oder Verwaltung nur insofern zu tun haben, als dass sie bei der Implementation der ausgedachten Systeme behilflich sind.
    Von der Informationstechnologie einmal abgesehen, also dort, wo “Stuff” stattfindet.
    Nobel wird es ähnlich gesehen haben,
    MFG
    Dr. W (der i.p, Mathematik, zumindest zu Schulzeiten, ähnlich performierte)

  2. #2 Dr. Webbaer
    21. August 2015

    PS.
    Um auch noch ein wenig nickelig zu werden, unter alten Freunden geht dies gelegentlich: Einige Wörter hätten im WebLog-Eintrag, Journalismus liegt hier erkennbar vor, auch groß geschrieben werden können und bei dieser Einschätzung – ‘Die Abstraktion der Mathematik, die ich einerseits bewundere, hat mir jedenfalls oft deutlich meine intellektuellen Grenzen aufgezeigt.’ – nagt Ihr Kommentatorenfreund noch ein wenig, denn Formalwissenschaftliches nicht zu verstehen, kann auch damit zusammenhängen, dass die weltlichen Interessen andere sind, bestimmte mathematische Methodik als voraussehbar nicht benötigt eingeschätzt worden ist.

  3. #3 bruno
    maine ainzige ains
    21. August 2015

    ..”Dr.” – go home!

    Guck ma, Herr Tobiias. Ich konnte nur Mathe in der Schule … und mein Direktor hat schon profaneit… profezeit (damn, wie heisst das bei euch) – dass ich trotz Mathe/ Physik an den Sprachen hängen bleiben täte…. so isches gekommn.
    🙂
    Wer braucht die wunderbare Welt der Schwer… Mathematik??
    Völlig überschätzt.

  4. #4 Tobias Maier
    21. August 2015

    Dr. Webbär,
    mein Eindruck ist eher, dass Mathematiker auch jenseits der akademischen Forschung (die ja beim HLF im Zentrum steht) an verantwortungsvollen Positionen zum Einsatz kommen. Das Finanzwesen sei als Bespiel genannt.
    Habe noch ein paar Großbuchstaben eingefügt.

    bruno,
    ich kenne keine arbeitslosen Mathematiker. Sprachwissenschaftler hingegen schon.

  5. #5 rolak
    22. August 2015

    Wer braucht… Mathematik?

    Mehr als Du denkst, schnellabwertender bruno.

  6. #6 rolak
    22. August 2015

    Vielleicht lag es auch an meinem Mathelehrer

    Durchaus möglich, Tobias, nach bisheriger Erfahrung schafft den glatten Übergang KonkreteZahl→KonzeptZahl ein Teil der Schüler* wohl bei egal welchem Lehrer, ein Teil wohl nie bei egal welchem Lehrer – doch bei dem ganzen Rest kommts auf den DenkLehrer wesentlich an.
    Meine einzige 6 war übrigens in Latein, in einem Halbjahr, in dem meine Motivation knapp unter Null absackte…

    Computer auf dem ich mal gelernt habe BASIC zu programmieren

    Da kannste ma sehn, wie der Fortschritt fortschreitet: Bei mir wars ’74 der Wang 2200, ein endlos tiefes TTL-Grab, zum Zwecke der Stundenplan-Optimierung. Dieses AG-Projekt reduzierte die bis dahin halbjährlich anfallende stundenlange bis mehrtägige Zettel/SteckTafel-Arbeit auf einige wenige händisch/hirnig unterzubringende Schulstunden. So blieb ein Rest des überdimensionierten 15-Puzzles erhalten…

    Hmmm, hatte ich wohl verdrängt, somit sind es zwei Programme in Basic, an denen ich gearbeitet habe, direkt mal in die Rechnergeschichte nachtragen…

  7. #7 bruno
    22. August 2015

    @#5 *brüll* ever it is esu!
    …allerdings spart man die drei euro nur, wenn man nur eine kauft!

  8. #8 Dr. Webbaer
    22. August 2015

    @ Herr Maier :
    Dann aber nicht als Mathematiker, d.h. das außergewöhnlich anspruchsvolle Studium der Mathematik wird oft (richtigerweise) als eine Art Leistungsnachweis verstanden, der auch für andere Aufgaben befähigt.
    Vielen Dank für Ihre Geduld, btw: nettes neues Foto, Ihnen scheint es gut zu gehen, dem Schreiber dieser Zeilen natürlich auch, in diesem Sinne,
    MFG
    Dr. W

  9. #9 Dr. Webbaer
    22. August 2015

    v2.0, so schaut’s besser aus ->

    @ rolak (slw. ugs. für ‘Rollkragen’, metaph. für ‘Intellektueller’)

    Durchaus möglich, Tobias, nach bisheriger Erfahrung schafft den glatten Übergang KonkreteZahl→KonzeptZahl ein Teil der Schüler* wohl bei egal welchem Lehrer, ein Teil wohl nie bei egal welchem Lehrer – doch bei dem ganzen Rest kommts auf den DenkLehrer wesentlich an.

    ‘Concipere’, hier steckt auch das ‘con’ (“zusammen”) und das capere (“fassen”) drin, eine Konzeption ist die Entwicklung der Zahl selbst, anthropologisch betrachtet eine zivilisatorische Leistung.
    Sie spielen auf rationale, irrationale und imaginäre Zahlen an, woll?!, kein schlechter Ansatz, die Mathematik als Lernkunst ist eine Veranstaltung, sie bedingt die Kenntnis anderer um diese, um Austausch möglich werden zu lassen.

    HTH
    Dr. W

  10. #10 Werner Roepke
    Erkerode
    22. August 2015

    Nun, Tobias steht nicht alleine da, ich selbst bin, obwohl fünfer-Kandidat, mit einer gnädigen vier durch die Abschlußprüfung gekommen. Mathe braucht man nicht unbedingt, aber Rechnen sollte man können. Hat immerhin zu einer erfolgreichen Firma gelangt: https://www.techlab.de

  11. #11 Philip Höhmann
    Wuppertal
    23. August 2015

    Meine einzige Sechs war auch in Mathe – auf der Grundschule, in einer Arbeit. Von Abstraktionsgrad konnte da natürlich keine Rede sein, es galt, Rechenaufgaben zu lösen. Ich wollte besonders effizient vorgehen und schrieb erst mal die Aufgaben hin, ohne sie gleich zu lösen, und noch währenddessen ging die Zeit zuende. Klarer Fall von “du warst zu langsam, Django”. 😉

  12. #12 Nele
    23. August 2015

    Ich habe in der Schule den Anschluss an die Mathematik in der Sek. I verloren. Nicht, weil ich nicht “begabt” war oder bin, nicht weil ich schlechte Lehrer hatte, sondern einfach aus dem Grund, weil ich meine Hausaufgaben nicht gemacht habe und deshalb nicht rechnen konnte. Rechnen ist nicht Mathematik, aber weil ich im Unterricht einfach nicht die Routine und die Technik im Handwerk hatte, haben mir die “Hieroglyphen” ober und unterhalb des gefürchteten Bruchststrichs den Blick so verstellt, dass ich mich mit der eigentlichen Sache überhaupt nicht erst beschäftigen konnte.

    Schade eigentlich.

    Deswegen musste ich leider Literaturwissenschaftler und Historiker werden. 🙂 Es ist aber trotzdem was aus mir geworden und ich habe mich dem klaren Denken und der strengen Logik aus anderen Richtungen annähern können. 🙂

  13. #13 klauszwingenberger
    16. September 2015

    Wenn ich eine Erinnerung aus der lange zurückliegenden Schulzeit beisteuern darf:

    Die Leute, die in Mathematik gute und sehr gute Leistungen ablieferten, waren auch in den anderen Fächern bei den Guten. Na schön, abgesehen vielleicht von Sport in einigen Fällen. Umgekehrt galt das aber nicht: es gab jede Menge Poeten und die Sprachgenies, die vor einer Aufgabe, in die auch nur ein Binom oder ein Pythagoras eingeschachtelt war, dastanden wie der Ochs vorm Berg.

    Also: entweder ist mathematische Begabung der Schlüssel zu allgemein hervorragender Auffassungsgabe – oder der Schlüssel zum mathematischen Erfolg waren ganz einfach Fleiß und Arbeitshaltung – mit den zwangsläufigen Nebeneffekten in den übrigen Fächern.

    Ich persönlich war damals eher so mittel. Auch überall.

  14. #14 xxx
    2. Januar 2016

    @ Klaus: Als aktiver Mathematiklehrer stimme ich Ihnen voll zu. Weil der Lehrplan in Mathematik mittlerweile zu einem Leerplan verkommen ist, reichen Fleiß und Arbeitshaltung für allgemein gute Noten — Sport, Kunst und Musik mal ausgenommen — weitgehend aus. Für sehr gute Noten müssen die Gene noch ein wenig nachhelfen.

    Blöd für viele Schüler, insbesondere aber nicht nur die Jungs, ist die Einführung der Algebra (formales Rechnen mit Variablen) ab Klasse 7 oder 8, also zeitgleich mit der Pubertät, wo Schule blöd finden als cool gilt. In Mathematik (und Latein) rächt sich das nach spätestens zwei Wochen, während es sich in den meisten anderen Fächern entweder nie oder erst nach vielen Monaten oder Jahren rächt.

  15. #15 Fermat
    23. März 2016

    @klauszwingenberger
    >>Die Leute, die in Mathematik gute und sehr gute Leistungen ablieferten, waren auch in den anderen Fächern bei den Guten.

    Da bin ich aber das Gegenbeispiel. Mathe war ich immer gut bis sehr gut. Aber in Englisch – ach reden wir nicht mehr darüber!! Zum Glück gab’s da als Note keine Siebner. Die hätte ich sicher auch noch geschafft.

  16. #16 Karl Mistelberger
    29. März 2016

    > In meiner gesamten Schullaufbahn schrieb ich eine einzige Sechs.

    Die einzige Fünf (in Österreich endet dort die Notenskala) schrieb ich in Maschine schreiben in der Mitte der sechziger Jahre.

    Damals hatte ich nicht gedacht, dass ich diese Fertigkeit noch dringend benötigen würde. Mittlerweile geht es ganz systemlos, ohne bevorzugte Zuordnung irgendwelcher Finger, aber trotzdem flott von statten.