Am zweiten Berg, dem Col de Val Louran-Azet wurde das Tempo dann in der Gruppe um das gelbe Trikot deutlich angezogen. Das Team AG2R und später auch Team Movistar sorgten mit ihren Helfern für eine Tempoverschärfung. Das mir vorliegende Stravasegment über 7,14km mit 8,29% führt Michal Kwiatkowski mit 20:58 an. Die Tempoverschärfung hat kurzfristig die sonst sehr geordneten Fahrer des Teams Sky ordentlich durcheinandergewirbelt.
Für unseren 71 kg Fahrer errechnen wir 428 Watt oder 6,03 W/kg. Tatsächlich können es aber auch nur 408 Watt und 5,74 W/kg für den im Windschatten geschützten Fahrer in der Gruppe gewesen sein. Wir können aber davon ausgehen, dass während der Tempoverschärfung zumindest der Fahrer an der Spitze z.B. 6,1-6,2 W/kg gefahren ist. Das Tempo war zeitweilig so hoch, dass zumindest einige Helfer über ihrem Limit waren. Das war im Fernsehen sehr gut sehen. Dieser Gruppe gehörten am Ende noch ca. 15-20 Fahrer an, wobei einige Fahrer vorher in Fluchtgruppen unterwegs waren und im Anstieg aufgesammelt wurden.
Den Schlussanstieg am Col du Portet habe ich handgestoppt und mir Zeiten für den Sieger Quintana von 49:39 und für das Gelbe Trikot von 50:25 notiert. Quintana mit 50kg leistete rechnerisch 312 Watt und somit 6,24 W/kg. Unser 71kg Fahrer würde hierfür 418 Watt und 5,88 W/kg benötigen. Die 8 kg Ausrüstung benachteiligen folglich den leichten Fahrer. Real wird die Leistung von Quintana vielleicht bei 6,0 W/kg gelegen haben. In der Gruppe um das gelbe Trikot hätte unser 71kg Fahrer rechnerisch 410 Watt leisten müssen und somit also 5,77 W/kg. Tatsächlich können es auch 390 Watt mit 5,5 W/kg gewesen sein.
Ohne die genauen Wattangaben und ohne Angaben zum Gewicht des Fahrers sind wir auf Hochrechnungen angewiesen und müssen von den physikalischen Berechnungen einen Abzug für Windschatten/Material etc. machen. Hier wäre es sicherlich für die Transparenz eines sauberen Sports sicherlich wünschenswert, wenn alle Fahrer ihre Daten auf eine Plattform wie Strava hochladen würden.
Die Etappe nach Alpe d’Huez war deutlich länger und führte vor dem Schlussanstieg über zwei hohe und lange Berge. Der Schlussanstieg nach Alp d’Huez wurde handgestoppt in 41:10 gefahren und unser 71kg Fahrer hätte hierfür rechnerisch 410 Watt benötigt. Die relative Leistung von 5,77 W/kg (ohne Fehlerabzug) sollte man hier in die Gesamtbelastung der Etappe einordnen.
Auf dieser Etappe nach Alpe d’Huez) hätte der 71kg Fahrer rechnerisch ca. 2600 kcal allein an den ersten beiden Anstiegen benötigt. Die relative Leistung am Col de la Madeleine betrug ca. 5 W/kg für 1h und 8 Minuten. Am Croix de Fer waren es noch 4,6 W/kg für eine Stunde. Die Profile waren flacher, der Windschatten müsste also noch berücksichtig werden, ein Abzug von 200 kcal und somit ein Energieverbrauch von 2.400 kcal bildet die Belastung vermutlich besser ab. Ein Fahrer wie Quintana spart hier durch sein geringes Körpergewicht ca. 750 kcal im Anstieg dieser beiden Berge gegenüber seinen 20 kg schweren Konkurrenten ein. Das entspricht 183 gr. Glykogen.
Wenn man berücksichtigt, dass Sportler maximal 700 gr. Glykogen in der Muskulatur und Leber speichern können, sind 183 gr. Ersparnis natürlich relevant. Quintana hat auf der Kopfsteinpflasteretappe am Ende der ersten Woche gegenüber seinen Konkurrenten keine Zeit verloren, aber wir dürfen davon ausgehen, dass er viel Substanz eingebüßt hat. Ein leichter Fahrer hat auf schnell gefahren und windanfälligen Etappen deutliche Nachteile. Während unser 71kg Fahrer 330 Watt noch im Grundlagenbereich fahren kann, wird unser Bergfloh hier schon stark gefordert.
Wir können also unterstellen, dass bei gleicher relativer Leistung, der schwerere Fahrer bei dieser Tour frischer in die zweite Woche gegangen ist, als sein leichtgewichtigerer Konkurrent. Quintanas Leistung am Mittwoch deutet darauf hin, dass leichtere Fahrer dann in den Bergen insgesamt weniger belastet sind (Energieverbrauch) und so eher noch am Schlussanstieg ihre Leistungen abrufen können. Das ist natürlich spekulativ und lässt das Rennprogramm außen vor; Froome und Dumoulin sind den Giro d`Italia gefahren, Quintana und Thomas nicht. Am Freitag bei der letzten Bergetappe büßte Quintana Zeit ein. Der Einbruch kann auf einen Infekt oder zum Beispiel eine Magenverstimmung hindeuten. Die dritte Woche einer Grandtour führt alle Fahrer an ihre Grenzen und ob ein Fahrer dann von Tag zu Tag die Leistung halten kann, zeigt sich erst in der Rundfahrt.
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