Welche Rückschlüsse lassen sich ziehen? Die Spitzenfahrer müssen auch noch nach langen harten Etappen in der Lage sein ca. 5,6-5,7 W/kg am Schlussanstieg abrufen zu können. Auf kürzeren harten Etappen können das am Schlussanstieg auch 6,0 W/kg sein. Leichte Fahrer müssen bis zu 0,35 W/kg mehr leisten können als Fahrer, die 20 kg schwerer sind. Dafür benötigt der schwerere Fahrer aber auch ca. 100 Watt mehr Leistung (ungefähr 360 kcal/h).
Wir sehen, die Konkurrenz einer Tour ist äußerst komplex. Die Ergebnisse der letzten Jahre beim Giro und der Tour deuten darauf hin, dass Rundfahrer wie Dumoulin oder Froome mit Körpergewichten leicht unter 70 kg zumindest nicht benachteiligt sind.
Die Anforderungen an die Fahrer
Der Sportler benötigt eine hohe maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) bezogen auf sein Körpergewicht und muss durch Training einen möglichst hohen Anteil der VO2max in Zeiträumen von 5-60 Minuten abrufen können, also der Dauer der Anstiege bei der Tour de France. Um das auch im späteren Verlauf einer Etappe zu können, sollte der Fettstoffwechsel des Sportlers möglichst gut trainiert sein, um die Glykogenspeicher der Muskulatur zu schonen.
Die VO2max, die Dauerleistungsschwelle (CP, MLSS) und der Fettstoffwechsel stehen also im Fokus des Trainings für Fahrer, die sich auf Rundfahrten oder schwere Eintagesrennen vorbereiten.
Nun kenne ich nicht im Detail das Training von Froome, Dumoulin, oder Thomas. Ich trainiere aber seit Januar 2015 das Nachwuchstalent Jonas Rapp. Jonas konnte in dieser Zeit seine Stundenleistung von 330 Watt auf 430-440 Watt steigern. An seinem Beispiel möchte ich zeigen, wie das Training eines Rundfahrers aussehen kann, um in der Spitzengruppe mithalten zu können. Jonas hat bei einem Gewicht von 72kg einen Körperfettanteil von über 10%. Sein Wettkampfgewicht ohne Leistungsverlust (Körperfettanteil von 8%) könnte also mit 70,4 kg angenommen werden. Er entspricht damit ziemlich genau unserem Vergleichsfahrer mit 71 kg Körpergewicht.
Anforderungen an den Fettstoffwechsel
Kommen wir zurück auf die 2400 kcal (nach Fehlerabzug), die ein 71 kg Fahrer allein auf den ersten beiden Anstiegen der Etappe nach Alpe d`Huez verbrennt. In Studien wird die Fettflussrate von Ausdauersportlern in Abhängigkeit zu ihrer VO2max dargestellt. Je nach Trainingszustand kann die Fettflussrate ihr Maximum zwischen 65-70% der VO2max erreichen. Nehmen wir an, unser 71 kg Fahrer hat im Bereich von 350 Watt einen Anteil der Fette am Energieverbrauch von 45%, dann muss er 61 g aus seinen Speichern pro Stunde zusteuern. Er hätte also ca. 120 g für die ersten beiden Anstiege aus seinen Speichern gezogen.
Im Rechner unterstelle ich bei hochtrainierten Sportlern eine Effizienz von 25% und nehme hier mal an, der Sportler hat seine Kohlenhydrataufnahmefähigkeit auf 100 g pro Stunde maximieren können. 80 g pro h im Mix von Fructose mit kurz und langkettigen KH gelten als gesichert für jedermann. Die Fettflussrate von 0,97 g/min zeigt uns, dass der Fettstoffwechsel hier schon auf hohem Niveau läuft. Mit 350 Watt liegt die Leistung genau zwischen 65% und 75% der VO2max. Ein Bereich, in dem der Fettstoffwechsel noch maßgebliche Anteile zur Leistung beisteuern kann.
Wir sehen also, die 750 kcal, die Quintana durch sein geringes Gewicht rechnerisch weniger verbraucht, kann der schwerere Fahrer kompensieren, wenn er über einen guten Fettstoffwechsel im Bereich um 5 W/kg verfügt. Der schwere Fahrer wird tendenziell mehr Glykogen (da mehr Muskelmasse) einlagern können als der leichtere Fahrer und würde hier den Vorteil des leichteren Fahrers wieder teilweise ausgleichen können.
Intensives Fettstoffwechseltraining
Jonas typische Trainingseinheiten beinhalten z.B. 3x15min mit 370-380 Watt und am Ende (jenseits von 3000 kcal) noch 10-12 min Intervalle um 410-420 Watt. Eine andere Einheit stellt die 430 Watt Intervalle nach vorn und erst am Ende sind die längeren 380 Intervalle zu fahren. Obige Einheit ist Jonas am 28.6 gefahren. Er startete mit 2×10 min mit einer Anfangsleistung von 500 Watt für die ersten zwei Minuten und sollte dann spielerisch in den „Streckenschlag“ gehen. In den folgenden 2x12min hat er Tempoerhöhungen über die Trittfrequenz und 6 Sekundensprints eingebaut. In der zweiten Hälfte kamen noch 3x15min um 380 Watt hinzu.
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