Spätestens seit Pythagoras war klar, dass Musik nichts anderes als eine akustische Version von beliebig komplizierten Zahlenfolgen, -verhältnissen und Gleichungssystemen darstellt. Zahlen kann man visualisieren und zum Beispiel statistische Infografiken daraus generieren. Man kann sie aber auch hörbar machen. Im frühen 18. Jahrhundert war Johann Sebastian Bach der Meister im Einbetten mathematischer Figuren in seine Partituren, wenn auch sein Ziel nicht die Visualisierung mathematischer Zusammenhänge war, sondern vielmehr die Suche nach den harmonischen Wirkungen bestimmter Rechenregeln.

Der Medienwissenschaftler Friedrich Kittler hat nun vor kurzem den ersten Band seines großen Werks Musik und Mathematik: “Band 1: Hellas. Teil 1: Aphrodite“. Die Rezensenten sehen darin schon einen radikalen Versuch, die Geschichte der Entstehung der europäischen Zivilisation neu zu schreiben – und zwar aus dem Geiste der Musik. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich mich wirklich durch die 409 Seiten durcharbeiten möchte. Vielleicht hilft folgende sich an die Ästhetik der frühen Spielkonsolen anlehnende Visualisierung eines bekannten Bach-Werks weiter (wem das gefallen hat, für den gibt es hier noch viele weitere Visualisierungen dieser Art).

(via Twitter)

Kommentare (11)

  1. #1 Thilo
    Juli 10, 2008

    Zugegeben, mein erster Gedanke beim Lesen des Artikels war: Das ist doch sicher wieder irgendwelcher esoterischer Unsinn.
    Aber das Video gefällt mir schon. Nicht das man aus der Visualisierung etwas über Musik lernen könnte. Aber irgendwie fällt es leichter, sich auf das Musikstück zu konzentrieren, wenn man die Visualisierung vor Augen hat, jedenfalls mir.

  2. #2 Miriam
    Juli 10, 2008

    Dazu könnte ich noch https://www.turbulence.org/Works/song/index.html empfehlen. Hier werden die Strukturen von Musikstücken nach Wiederholungen analysiert und visualisiert. Überraschungsmoment: Die Komplexität von Madonnas ‘Like A Prayer’.
    Bach hat angeblich auch nach optischen Gesichtspunkten komponiert. Kunst ist alles.

  3. #3 Benedikt
    Juli 10, 2008

    Esoterischer Unsinn? Wieso das denn?

  4. #4 Fischer
    Juli 10, 2008

    Naja, die Erfahrung lehrt halt, dass Versuche, Inhalte zwischen verschiedenen Sinneswahrnehmungen zu transferieren, zwar oft als bahnbrechend gefeiert werden, bei näherer Betrachtung aber nicht besonders tiefsinnig sind.

    Zum Beispiel auch das hier: https://snurl.com/2w50k
    Klingt nett (im Wortsinne), aber: Was soll sowas?

  5. #5 Benedikt
    Juli 10, 2008

    Nur die Verbindung zu Esoterik leuchtet mir nicht ein. Zwar hat die Mathematik viele Wurzeln in diversen esoterischen Geheimlehren, aber das wird ja wohl nicht gemeint sein. Oder doch?

    Es gibt aber auch viele sinnvolle derartige Transfers zwischen den Sinnen, zum Teil spontan (die Fähigkeit zu hören oder zu fühlen, wenn eine Anlage nicht mehr “rund” fährt), zum Teil willkürlich (die akustische Abstandsanzeige bei Lkw).

  6. #6 florian
    Juli 10, 2008

    @Benedikt: Vielleicht hat Thilo sowas gemeint… ?

  7. #7 Benedikt
    Juli 10, 2008

    Möglich. Kepler war aber auch so ein alter Hermetiker 😉 Irgendwann werde ich mir das auch einmal durchlesen.

  8. #8 Thilo
    Juli 10, 2008

    Wie gesagt, war nur mein erster spontaner Gedanke gewesen.
    Das Buch von Kittler habe ich nicht gelesen, kann mich also dazu nicht äußern. Wobei mir aus der Rezension in der ZEIT nicht klar geworden ist, um was es dort eigentlich geht.

  9. #9 Jürgen Schönstein
    Juli 10, 2008

    Will ja nicht meckern, aber sehr viel “visueller” als Bachs Partitur ist das auch nicht. Musik durch geometrische Symbole allgemein und Tonintervalle und -Längen durch ein streng definiertes Koordinatenssystem (etwas anderes ist das Notensystem ja nicht) im wörtlichen Sinn zu be-schreiben, ist schon eine seit etwa tausend Jahren geübte Praxis. Und dass der alte Bach sich der visuellen mathematischen Aspekte seiner Kompositionen sehr bewusst war, darf man ebenfalls annehmen, denn in seinen Fugen folgen die Variationen des Themas stets sehr klaren geometrischen Prinzipien: so etwa der Achsenspiegelung (horizontal im Krebs, vertikal in der Umkehrung) und der Punktspiegelung (Umkehrung des Krebses, Krebs der Umkehrung), der Achsenverschiebung, der Streckung (Augmentation, Diminution) etc.

  10. #10 Benedikt Köhler
    Juli 11, 2008

    @Jürgen: Klar. Musikliebhaber können sowieso auf Aufführungen verzichten, da sie die Werke auch als Partitur rezipieren können, darauf hat auch Adorno immer wieder Wert gelegt. Vielleicht ist das hier eine Art, musikalische Muster – denn letztlich geht es ja darum – auch den digital natives näherzubringen, die mit diesen komischen schwarzen Kreisen mit Fähnchen nicht mehr allzu viel anfangen können?

    @Thilo: Vielleicht muss ich mir das Buch doch einmal besorgen, dann kann ich mehr dazu sagen.

  11. #11 Thilo
    Juli 11, 2008

    Paßt zufällig gerade zum Thema: im dradio habe ich vor einer halben Stunde eine Besprechung zu Oliver Sacks: “Der einarmige Pianist. Über Musik und das Gehirn.” gehört, eine anekdotisch-populärwissenschaftliche Fallsammlung zum Thema:
    https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2008/07/11/drk_20080711_0933_177dc16b.mp3