Evolution, Intelligent Design oder Schöpfung. Eine lustige Debatte, die, zunächst rein Amerikanisch, mehr und mehr auch das alte Europa berührt.
Wie konnte es – fragt man sich als Kind der 70er Jahre – dazu kommen, dass die, als unumstößliches wissenschaftliches Erklärungsmodell zur Entstehung der Arten etablierte Evolutionstheorie plötzlich wieder in Frage gestellt wird?
Reicht etwa die Entdeckung der DNA nicht aus, den Streit endgültig zu schlichten?
Begeben wir uns zur Erörterung auf einen distanzierten Standpunkt und stellen uns die Frage: Was bedeutet Evolution?
Das heißt, was haben wir im Kopf, wenn der Begriff gebraucht wird?
Die Vorstellung einer Abfolge unterschiedlicher Spezies, angepasst an die zeitlich-örtlichen Umweltbedingungen, Selektionsdruck etc. – das sind die Mechaniken im Modell – der Bedeutung kommen wir nicht näher.
Leider gehen die meisten Lehrbücher oder populärwissenschaftlichen Darstellungen auf die Frage nicht einmal ansatzweise ein. Typischer Weise wird die Evolution in diesem Diskurs zunächst visualisiert: Dargestellt finden wir eine mehr oder weniger historische Abfolge einiger Leitfossilien in Schichten, in Art einer trivialen Paläonthologie. Diese Darstellung vermittelt uns nichts, als die Zufälligkeit der Entwicklung der äußeren Erscheinungsformen der Lebewesen. Es ist eine positivistische Karikatur des Evolutionsmodells! Kein Wunder, dass den Skeptikern und Leugnern der Evolution mit solcher Darstellung Tür und Tor geöffnet werden.
Ein Zweite – vollends inhaltsfreie Visualisierung ist die “Evolutions-Uhr”. Was sehen wir darauf? Wir können erschauern, wie lange es die Welt ohne Menschen gab. Toll. Natürlich kann einen diese Erkenntnis, wenn man sie so vorgeführt bekommt, auch Demut lehren – aber das ist doch genau die Aufgabe von Philosophie, speziell Ethik und insbesondere von Religion und Glaube! Und wenn wir schon offensichtlich in der Darstellung vom Wissenschaftlichen ins Ideologische Abrutschen ist es wieder kein Wunder, wenn uns ideologische Antworten gegeben werden.
Diese Visualisierungen des Modells werden also, meiner Ansicht nach, von den Kritikern der Evolutionstheorie keineswegs missverstanden. Es handelt sich um Teile eines normativen, nicht epistemologischen Diskurses.
Was also bedeutet Evolution? Es rollt sich etwas aus. Es findet eine Entwicklung statt, die einen Anfang hat und irgendwann ein Ende finden wird (?!).
Warum empfinden wir die Evolution als ein System des Fortschritts? Weil wir beobachten, dass die Anpassung der Lebewesen an ihre Umwelt zu immer feinerer Differenzierung und zur Ausbildung immer Komplexerer Lebensformen führt! Dadurch bekommt die Evolution ihren teleologischen Charakter. Dies wird, wie ich finde, in der Abbildung hier gut visualisiert:
Den Bogen vom Ursprung, zum Ende des irdischen Lebens zu spannen, wurde vor einigen Jahren von einer Forschungsgruppe am Potsdam-Institut für Klimaforschung unternommen.
Aus einfachen Überlegungen über die Entwicklung der Sonneneinstrahlung und der daraus folgenden chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre hat die Forschergruppe eine Visualisierung der Zusammenhänge abgeleitet, die mich auf besondere Weise beeindruckt hat:
zum ersten werden vier Größen in einer einzigen Grafik übersichtlich in Zusammenhang gebracht – ein Musterbeispiel multivariater Darstellung; zum zweiten aber liegt auf einmal der gesamte Weg allen irdischen Lebens vor uns: die einzelnen Wellen dramatischer Entwicklung, die zunehmende Herrschaft der komplexen Lebensformen und schließlich das Verschwinden, Stufe um Stufe, geologisch gesehen in relativ naher Zukunft. Dieses Bild unserer alten Erde ist rein deskriptiv. Die Inahlte sprechen für sich. Das Werden und Vergehen so vor Augen geführt eröffnet aber gerade durch ihre Nüchternheit, wie ich finde, eine wahrhaft erhabene Perspektive auf unseren Platz in der Welt (Abbildung aus Quelle: Journal Geophysical Research Letters. mit freundlicher Genemigung der Autorin Christine Bounama).
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