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Es war ein heißer Augusttag des Jahres 1896 in Prag, als sich die Eheleute Otto und Martha Radnitz über die Geburt ihrer ersten Tochter freuen durften. Daß das Mädchen, das sie auf den Namen Gerty Theresa tauften, einmal eine brillante Medizinerin werden sollte, ahnten sie freilich nicht.

An der Lebensgeschichte der Gerty Theresa Cori, wie sie nach der Heirat mit dem Biochemiker Carl Cori hieß, lässt sich beispielhaft nachvollziehen, welche unheimliche Leistungs- und Leidensbereitschaft damals notwendig war, um sich als Frau in der Wissenschaftswelt durchzusetzen.

Die Familie des böhmischen Zuckerfabrikanten Otto Radnitz gehörte zum aufgeklärten jüdischen Bürgertum Prags. Man war bildungsbeflissen und so verstand es sich von selbst, daß auch die Mädchen schulisch gefordert wurden. Gerty erhielt in den ersten Jahren Privatunterricht, bevor sie – eine hellwache, neugierige Schülerin – ans Teplitzer Realgymnasium wechselte und dort 1914 ihr Abitur machte.

Der Mann ihres Lebens

Es ist gut möglich, daß der weitere Lebensweg der jungen Gerty auch durch ihren Onkel beeinflusst wurde, der Kinderheilkunde an der Deutschen Universität in Prag lehrte. Jedenfalls entschied sich die rothaarige Gerty für ein Medizinstudium. Bereits im ersten Semester lernte sie den gleichaltrigen Carl Ferdinand Cori kennen. Die beiden teilten dieselben Interessen, waren sozial engagiert, trieben Sport, machten gemeinsame Wandertouren und blieben tatsächlich bis ans Lebensende ein Paar.

Ihr Studium absolvierten die beiden zügig und erfolgreich. Gerty promovierte in Medizin, Carl Cori wechselte nach Studienabschluß als Assistent an die TU Graz und Gerty zog nach der Promotion nach Wien, wo sie als Medizinalpraktikantin am Karolinen-Kinderspital über stoffwechselkranke Kinder forschte.

Abschied vom alten Europa

Die beiden heirateten noch 1920, doch bereits 1922 erhielt Carl ein Angebot des Staatlichen Krebsforschungszentrum in Buffalo am Eriesee. Er nahm die Stelle Biochemiker und übersiedelte nach New York. Wenige Monate später folgte ihm Gerti, die als Assistentin am Krebsforschungszentrum arbeiten konnte.

Zu dieser Zeit beschäftigten sich die beiden mit dem Zuckerstoffwechsel des Tumorgewebes und später vertieften sie sich weiter in die Grundlagenforschung im Bereich der Physiologischen Chemie. Tagsüber arbeiteten beide an ihren getrennten Arbeitsplätzen, danach, in vielen Nachtschichten, versuchten sie die Rolle des Zuckers, sowie der Hormone Adrenalin und Insulin im Muskelstoffwechsel klären.

Erfolgreiches Team: Der “Cori-Zyklus” und weitere Entdeckungen

Und die beiden hatten Erfolg: sie beschrieben den Mechanismus, wie im Muskel Glukose umgesetzt wird, der bis heute als „Cori-Zyklus” in den Lehrbüchern steht. Den Erfolg hatten sie sich gemeinsam erarbeitet, den Lohn erhielt zunächst nur Carl Cori.

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Er erhielt 1931 einen Ruf auf den Pharmakologie-Lehrstuhl der Washington University in St. Louis. Aber nicht genug, daß fortan Gerty noch stärker im Schatten ihres Mannes stand – offiziell durfte sie nicht einmal am Institut ihres Mannes arbeiten.

Geschlagene zwölf Jahre lang arbeitete das hocheffiziente und kreative Forscherduo aus Gerty und Carl Cori und konnte dutzende wichtige Entdeckungen im Feld der Biochemie auf dem Konto verbuchen. Er als Lehrstuhl-Inhaber, sie assistierte ihm und wurde mit einem „symbolischen Gehalt” entlohnt. Der Hintergrund: es war untersagt, daß Familienangehörige an derselben Universität beschäftigt waren – Gerty akzeptierte, steckte zurück und wirkte (ganz ohne Professorentitel, aber nicht minder effizient) im Hintergrund.

Im Sommer 1936 kam Tom, der einzige Sohn des Ehepaares Cori, zur Welt, was die ehrgeizige Gerty nur kurz von der Arbeit abhielt. Nach außen hin repräsentierte Prof. Dr. Carl Cori das Institut. Die Laborarbeit und das Klima bestimmte, so ist zu lesen, vornehmlich Gerty:

„Den inneren Stil beeinflusste die scharf und kritisch urteilende Gerty T. Cori mit ihrer kühnen Intelligenz, ihrer sorgenden Umsicht und ihrer allseitigen Anteilnahme an Menschen.”

Nobelpreis und späte Anerkennung

Es dauerte allerdings noch einige Jahre, bis Gertis herausragende wissenschaftliche Fähigkeit auch nur annähernd gewürdigt wurde. Im Jahr 1943 erhielt sie immerhin eine Assistenz-Professur. Und 1947 – ganze 16 Jahre später als ihr Mann – wurde sie dann auch noch auf eine “vollständige” Professur berufen.

Erst 16 Jahre nach ihrem Mann erhielt Gerty Cori, die brillante Forscherin, eine Professur.

Und kaum zur Professorin für Biochemie an der Washington University ernannt, erhielt dieses Traumpaar der Wissenschaft dann auch eine Nachricht aus Stockholm – im Dezember 1947 wurde das Ehepaar Cori „für die Entdeckung des Ablaufs der katalytischen Umwandlung des Glycogens” mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Der Lohn für jahrzehntelange Forschungsarbeit.

Nach der Verleihung des Nobelpreises sagte Carl Cori in seiner Dankesrede:

Unsere Forschungen haben sich größtenteils ergänzt, und einer ohne den anderen wäre nie so weit gekommen, wie wir es nun geschafft haben.

Zu diesem Zeitpunkt war Gerty Cori freilich nicht mehr ganz gesund. Sie hatte bereits Atembeschwerden und Schwächeanfälle – die Vorboten der Myelofibrose, einer fortschreitenden Knochenmarkserkrankung.

Es ist letztlich doch ein wenig tragisch, daß die Arbeit der lebhaft-dynamischen Gerty Cori erst dann Anerkennung fand, als sie erkrankte. Noch zehn Jahre lang hatte das Forscher-Ehepaar Zeit.

Gerty Cori kämpfte gegen ihre Krankheit und unterdrückte die Schmerzen und die beiden arbeiteten unbeirrt weiter. Sie wurde geehrt, war dann auch international anerkannt und Präsident Truman berief sie gar noch in den Beirat der neugegründeten National Science Foundation. Gerty Theresa Cori starb am 26. Oktober 1957 in St. Louis, Missouri. Carl Cori lebte noch 37 Jahre lang.