Ein Gastbeitrag von „noch‘n Flo“
Einige von Euch werden es ja schon wissen: neben meiner Tätigkeit als Hausarzt bin ich im Dorf, wo meine Praxis liegt, sowie in weiteren 4 Dörfern in der Umgebung seit meiner Praxisübernahme vor 9 Jahren auch als Schularzt tätig (eine Aufgabe, die ich 2011 von meinem Praxisvorgänger übernommen habe).
Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte ich 2012 schon einmal den Zorn einiger Eltern und Lehrer*innen auf mich gezogen, als ich die Schulapotheke einer dieser Schulen radikal von Homöopatie, Bachblüten und anderer Märchenmedizin befreit habe.
Und zu Weihnachten 2013 habe ich mich bei einigen Eltern wiederum unbeliebt gemacht, als ich bei einer Kopflausepidemie in einer der Schulen den Schulleiter dazu überreden konnte, sämtliche Schüler*innen, die bei der Kontrolle nach den Weihnachtsferien infolge Behandlungsverweigerung bzw. -bagatellisierung der Eltern immer noch nicht lausfrei waren, so lange vom Unterricht auszuschliessen, bis an ihren Köpfen keine Läuse mehr nachgewiesen werden konnten. (Meine damals verfassten Informationsblätter haben sich seither über mehrere Kantone verbreitet, erst im vergangenen Mai erhielt ich eine entsprechende Rückmeldung aus einer fast 100km entfernten Schule – kann also nicht so schlecht gewesen sein…)
Ich bin also sicherlich kein „bequemer“ Schularzt – aber das sehe ich auch überhaupt nicht als meine Aufgabe! (Und die damals „befallene“ Schule ist m.W.n. seither komplett lausfrei – ein Ergebnis, auf das ich durchaus ein kleines Bisschen stolz bin, zumal dies meinem Praxisvorgänger in 25 Jahren niemals gelungen war.)
Im vergangenen September erhielt ich nun eine eMail von einer Lehrerin einer dieser Schulen mit der Bitte, das von meinem Praxisvorgänger im Jahr 2005 entworfene Informationsblatt für Eltern, wie sie mit einigen häufigen Erkrankungen ihrer Kinder umgehen sollten, gemäss des aktuellen medizinischen Erkenntnisstandes zu überarbeiten. Neben Ohrenschmerzen und Fieber verzeichnete dieses doppelseitige Infoblatt auch Tips zur Behandlung von akuten Masern-, Mumps- und Windpocken-Infektionen. Ich möge doch bitte noch Röteln und Bindehautentzündungen einpflegen und die neue Fassung möglichst zeitnah zu übermitteln.
Ich habe dieser Bitte zunächst zugestimmt, erbat mir aber Zeit bis nach den Herbstferien.
Aber während der Herbstferien kamen mir immer mehr Zweifel, ob das wirklich eine gute Idee wäre. Mein Praxisvorgänger war ja – ähnlich den anderen Hausärzten in der Gegend – mit dem Thema „Impfen“ eher locker umgegangen. Und bei meinen Überlegungen kam ich immer mehr zu der Überzeugung, dass ich nicht den Impfgegnern (von denen es bei uns in der Gegend leider nicht wenige gibt) eine Handreichung liefern wollte, die die Folgen des Nicht-Impfens bagatellisieren und ihnen damit quasi einen Freifahrtschein für ihr elterliches Gewissen liefern würde. Das widerspricht nämlich massiv meiner persönlichen ärztlichen und skeptischen Ethik!
Ausserdem widerstrebte es mir, derart gefährliche Kinderkrankheiten neben zumeist banalen Erkrankungen wie Fieber und Husten auf demselben Infoblatt regelrecht gleichzustellen.
Ich habe daher das Projekt Mitte Oktober fallengelassen. Eigentlich wollte ich die anfragende Lehrerin auch noch per eMail darüber informieren, das ging jedoch im Praxisalltag leider unter (ein Umstand, den ich mir selber durchaus ankreiden lassen muss!).
Heute nun meldete sich die Lehrerin erneut bei mir, wo denn das überarbeitete Infoblatt bliebe, man brauche es derzeit wirklich dringend. Ich habe mich daraufhin bei ihr für die Verzögerung entschuldigt und ihr dargelegt, was meine Bedenken seien und warum ich deshalb keine neue Fassung liefern könne. Ich sagte auch ganz klar, dass ich nicht bereit sei, Tips zu geben, wie man eine Erkrankung, die durch Impfungen problemlos zu vermeiden sei, zuhause zu behandeln: Kinder mit Fieber und Ausschlag gehörten definitiv in ärztliche und nicht in allein elterliche Behandlung!
Die Antwort der Lehrerin hat mich dann sehr entsetzt: ich sei ja als Schularzt verpflichtet, diese Informationen zu liefern, die Aufforderung zum Impfen der Kinder gehöre nicht in die Schule, sondern nur in meine Arztpraxis.
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