435457355 Sterne mussten erst vermessen werden, bevor das Hubble-Weltraumteleskop richtig funktionieren konnte. Der Physik-Nobelpreisträger Riccardo Giacconi begann die heutige Vortragsreihe mit der Geschichte der Röntgenastronomie und des Hubbleteleskops.

“Wir leben in einer außergewöhnlichen
Übergangszeit, was die Astrophysik angeht. Vergleichbares fand nur vor
etwa 400 Jahren durch die Arbeiten von Kepler, Galilei und Kopernikus
statt”.

Mit diesem Satz begann Giacconi seinen Vortrag über “The impact of Big Science on Astrophysics”
– und mit “Big Science” meinte er vor allem, die vielen derzeit
laufenden Großprojekte wie die verschiedenen Weltraumteleskope oder das
VLT (Very Large Telescope) der ESO – und Giacconi war bei vielen dieser
Projekte maßgeblich beteiligt.

1962 begann er, erstmals konkret zu untersuchen, wie man die
Röntgenstrahlung der Sterne messen kann. Das Problem dabei ist nicht
nur, die richtigen Detektoren zu bauen – die Röntgenstrahlung ist auch
nur im Weltraum messbar; die Erdatmosphäre sorgt dafür, dass wir hier
am Boden nichts davon sehen können. Mit den allerersten
Röntgenteleskopen konnte zumindest schon bestätigt werden, dass
Röntgenastronomie prinzipiell möglich ist. Mit dem Weltraumteleskop UHURU,
das 1970 in Betrieb ging, konnten viele Objekte entdeckt werden, die
Röntgenstrahlung abgeben (Neutronensterne, Schwarze Löcher, aktive
Galaxien, …) – und man stellte fest, dass viele Sterne sehr viel mehr
Röntgenstrahlung abgaben, als man erwartet hatte.

1978 folgte
dann das Einstein-Weltraumteleskop das schon viel schwächere
Röntgenquellen detektieren konnte. Nun war es auch möglich,
Röntgenstrahlung von “normalen” Sternen zu beobachten.
Im Zuge der Arbeit an den verschiedenen Teleskopen und Projekten musste
sich Giacconi auch damit beschäftigen, wie man die Daten, die gewonnen
werden am besten aufbereitet und weiterverarbeitet. Er hielt es für
sehr wichtig, dass nicht nur die Forscher, die direkt an den einzelnen
Projekten arbeiteten, Zugriff auf die Daten hatten. Wenn
Wissenschaftler auf der ganzen Welt auf die Beobachtungsdaten zugreifen
können, dann wird sich die Röntgenastronomie (und vor allem der Wunsch,
nach neuen, besseren Geräten!) viel schneller durchsetzen.

All die Erfahrung, die Giacconi bei der Entwicklung der Röntgenteleskope gesammelt hatte, konnte er als Leiter des Space Science Telescope Institute
bei der Entwicklung des Hubbleteleskops einbringen. Zu den vielen
Probleme, die er dort zu lösen hatte, gehörte es unter anderem,
genügend Leitsterne zu finden, die zur korrekten Orientierung des
Teleskops verwendet werden konnten. Ein Katalog von 435457355 Sternen
wurden zu diesem Zweck angelegt. Auch die Verfügbarkeit der Daten war
Giacconi ein großes Anliegen.

Und an der hohen
wissenschaftlichen Produktivität des Hubble-Teleskops sieht man, dass
sich diese Strategie gelohnt hat. Nach einer gewissen Sperrfrist, in
der die Wissenschaftler alleine und in Ruhe mit ihren Daten arbeiten
können, werden die Beobachtungen für alle anderen frei verfügbar
gemacht. Das ist nicht nur im Sinne der Wissenschaft. Auch die
Astronomische Öffentlichkeitsarbeit wäre ohne die wunderbaren, frei
zugänglichen Hubble-Aufnahmen nicht mehr denkbar. Mit einem dieser
tollen Bilder (die man z.B. bei Hubble Heritage ansehen kann) möchte ich diesen Beitrag auch beenden:

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