Inegy, der umsatzstärkste Cholesterinsenker Deutschlands, verdankt seinen guten Ruf bei Ärzten vor allem seiner Fähigkeit das “böse” LDL-Cholesterin radikal zu senken. Zu Jahresbeginn zeigte eine Studie, dass dies leider keine positiven Effekte auf Atherosklerose hat. Nun wird sogar ein mögliches höheres Krebsrisiko diskutiert.
Inegy (in den USA: Vytorin) ist ein Kombipräparat aus einem Statin (Simvastatin) und dem Wirkstoff Ezetimibe. Dieser wurde erst vor wenigen Jahren von den Gesundheitsbehörden zugelassen und über seine konkreten Interaktionen im Organismus weiß man nicht all zuviel. Sicher ist seine hemmende Wirkung auf die Bildung von LDL Cholesterin. Binnen weniger Wochen fällt das LDL bei den Patienten um rund 50% steil ab. Das sollte doch genügen für einen positiven Gesundheitseffekt, schlossen die Experten. Die Marketing-Abteilungen der Hersteller Merck und Schering-Plough legten sich voll ins Zeug.
Mit einem weltweiten Umsatz von 5,2 Milliarden US $ im letzten Jahr stießen die Ezetimibe-Kombos weit vor in die Liste der umsatzstärksten Arzneimittel. In Deutschland belegt Inegy als bestverkaufter Lipidsenker mit einem Umsatz von 135 Mio. Euro den 12. Rang der pharmazeutischen Kassenschlager.
Nun ist seit Jahresbeginn Katzenjammer.
Zuerst wurde die Publikation der relativ kleinen ENHANCE Studie unter immer neuen Vorwänden zwei Jahre lang verschleppt, bis die Herstellerfirmen am 14. Januar 2008 eingestehen mussten, dass ihre Präparate “außer dem Risiko für Leberschäden keine Wirkung zeigen”.
Steve Nissen, einer der Kardiologen, die diese Studie durchgeführt hatten, äußerte gegenbüber CBS sein Erstaunen so:
Studienleiter John Kastelein fasste die Ergebnisse markant so zusammen:
The results show the drug had no result — in no subgroup, in no segment, was there any added benefit in terms of reducing plaque.
Seit dem Januar sind Merck und Schering-Plough nicht mehr aus den Schlagzeilen verschwunden. Vor allem die US-Pharmablogs haben hier ganze Arbeit geleistet und ständig neues Belastungsmaterial präsentiert. Die FDA forderte schließlich noch, dass zum fehlenden Nutzen des Präparates auch noch die mögliche Nebenwirkung Depressionen in den Beipacktext eingefügt wird. Depressionen sind als Folge niedriger Cholesterinspiegel seit langem bekannt.
Die größere Nachfolgestudie SEAS, die nun auf der Website des New England Journals vorgestellt wurde, bestätigt den fehlenden Nutzen des Kombi-Präparats gegenüber Placebo, bzw. einer herkömmlichen (billigeren) Statin-Monotherapie.
Nun zeigt sich aber auch noch ein alarmierender zusätzlicher Effekt: Während in der Ezetimibe-Gruppe 105 neue Fälle von Krebs aufgetreten sind, waren es in der Placebogruppe nur 70 Fälle.
Nun wird unter den Experten heftig diskutiert, ob es sich dabei um einen Zufallseffekt handelt, oder ob das millionenfach verabreichte Präparat tatsächlich das Krebsrisiko erhöht.
Völlig unwahrscheinlich ist dies nicht. Eine im Journal der kanadischen Medizingesellschaft erschienene aktuelle Studie zum Zusammenhang von Krebs und LDL-Cholesterin bei Diabetikern zeigte einen U-förmigen Zusammenhang: Sowohl hohe LDL Werte, als auch niedrige führen zu einem höheren Krebsrisiko.
Sowohl Merck als auch Schering-Plough zittern nun vor den in einigen Jahren erwarteten Ergebnissen zweier weiterer Ezetimibe-Studien (SHARP, IMPROVE-IT). Die Schadenersatzanwälte stehen schon in den Startlöchern. Und das Deutsche Ärzteblatt beschreibt die Lage so:
Bis die Ergebnisse der Endpunktstudien SHARP und IMPROVE-IT vorliegen, werden viele Millionen Patienten mit Ezetimib behandelt worden sein. Wenn sich dann ein erhöhtes Krebsrisiko zeigen sollte, wäre der Skandal wohl perfekt.
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