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Quizfrage: Welchen Beruf übt die Dame auf dem Foto aus:
a) Verkäuferin bei Douglas.
b) ist von Beruf “Gattin”.
c) promovierte Physikerin, Philosophin und Mathematikerin.

Gestatten: Dr. Debbie Berebichez. Richtig ist natürlich Antwort c). Und ich möchte damit gar nicht auf Alis Beitrag zur Negativ-Sexiness von Wissenschaftlern eingehen. Aber ein überraschendes Persönchen ist Debbie durchaus – ein laufender Meter voller Energie und Gehirn.

Debbie hat einen Plan: Die “Oprah” der Wissenschaft möchte sie gerne werden. Ja, ihre Homepage “The Science Babe” ließ mich auch ein wenig erschrecken – Physik in HighHeels, soso. Aber wie ein Blick auf die Scroll-Leiste verrät, hat sie ja eine Menge zu sagen, die Debbie. Und das ist so interessant, dass das Interview nun zum ersten ScienceBlogs-Geburtstag den Auftakt in einer Reihe von Gesprächen mit drei spannenden Wissenschaftlern macht. Seinen Anfang nahm dieses Interview vor fast sechs Monaten: Damals suchten wir für das “For Women in Science”-Blog Frauen, die sich vor allem in den “Hard Sciences” behauptet haben. Ein halbes Jahr, viele Emails und einen DLD später ist es nun soweit:

Was genau erforscht du?

Als Wissenschaftlerin beschäftige ich mich mit Wellenausbreitungen in heterogenen Umfeldern. Ich erforsche akustische und elektromagnetische Wellen und deren Fortbewegung in komplexen Räumen. Dabei konzentriere ich mich auf die Zeitumkehr, die eine Technik ist, um Wellen im Raum zu beobachten. Sie wird genutzt, wenn man Wellen an einem bestimmten Punkt lokalisieren möchte, beispielsweise zur Kommunikation oder bildlichen Darstellung. Dadurch kann auch eine zeitliche Komprimierung stattfinden, wenn also beispielsweise ein langes Signal mit vielen Echos durch die Zeitumkehr in einen kurzen Impuls „gepresst” wird.

Die praktischen Anwendungen für diese Technik wären zum Beispiel die akustische Unterwasserkommunikation, passive Bilddarstellungen und medizinische Behandlungsmethoden – die zur Zertrümmerung von Nierensteinen nötige Lithotripsie wäre so ein Fall.

Ich habe ein Modell entwickelt, das die Lokalisation und zeitliche Komprimierung von kabellosen Signalen in Gebäuden ermöglicht. Dadurch kann ein Mensch in einem beliebigen Büroraum mit nur einem bestimmten Teilnehmer im selben Gebäude kommunizieren – ohne, dass die Wellen im Rest des Gebäudes abgerufen werden können. Das ist aus mehreren Gründen eine reizvolle Erfindung: Zum einen gewährt sie den Nutzern ein hohes Maß an Sicherheit, da nur der gewünschte Empfänger die Daten erhält.

Außerdem habe ich eine Studie im Bereich der mathematischen Optimierung durchgeführt. Ich habe ein Programm entwickelt, mit dem man die optimale Form von Photonenkristallen entwickeln kann – das sind winzige Materialien, die helfen Licht einzufangen und die quantenmechanische Anwendungen enthalten.

Momentan besteht meine Arbeit daraus, wissenschaftliche Konzepte in Fachausdrücke zu übersetzen und diese dann jungen Mädchen in der Online-Lehre zu vermitteln.

Gibt es Unterschiede in der Arbeitsweise von weiblichen und männlichen Wissenschaftlern?

Überhaupt nicht. Meiner Meinung nach ist es gleichermaßen wahrscheinlich gute oder auch schlechte wissenschaftliche Arbeit bei Männern wie Frauen zu finden. Auch wenn sie in den Naturwissenschaften immer noch eine Minderheit darstellen, sollte es ja nicht überraschend sein, dass Frauen dort ebenso gute Forschungsergebnisse erbringen können.

Charlie Rose hat zum Beispiel vor kurzem in einem Interview gesagt, die Harvard-Physikerin Lisa Randall sei die am meisten zitierte Wissenschaftlerin auf ihrem Gebiet. Im Laufe der Jahre habe ich auf jeden Fall sehr viele beeindruckende Wissenschaftlerinnen kennengelernt.

Wie bist du zur Wissenschaft gekommen? Was hat dich motiviert?

Ich glaube, ich habe da einen ziemlich einzigartigen Hintergrund… Physikerin bin ich zumindest allen Widrigkeiten zum Trotz geworden. Als Kind hatte ich einen Hang zur Kunst. Ich habe Kurzgeschichten geschrieben und mit 12 Jahren die erste veröffentlicht. Ich habe fünf Sprachen gelernt und vier Jahre lang an der Schule Theater gespielt.

In meinem konservativen Umfeld in Mexico City, wo ich aufgewachsen bin, wurde von Frauen erwartet, dass sie früh heiraten und als Mutter zu Hause bleiben. Zwar respektiere ich solche Biographien, aber für meinen eigenen Lebensweg strebte ich Größeres an. Ich habe mich als Jugendliche oft in einen kleinen Elektroladen in der Nähe verzogen und den Betreiber des Geschäfts gebeten, mir zu erklären wie die Dinge funktionieren.

Niemand hat mich zur Wissenschaft ermutigt, auch Vorbilder hatte ich keine. Als ich die Schule abgeschlossen hatte, habe ich mich an der Universität für Philosophie eingeschrieben. Als mir das nicht ausreichte, habe ich rebelliert und mich um ein Stipendium beworben. Damit konnte ich in den USA Physik und Philosophie an der Brandeis University studieren. Ich war so froh, andere Frauen in den Physikvorlesungen zu treffen!

Um das Physikstudium zu beenden, hatte ich nur zwei Jahre Zeit. Das war eine große Herausforderung, weil ich bis dahin nur wenig Mathematik gelernt hatte und nun alles sehr schnell lernen musste. Sechs Jahre und viel Anstrengung später war ich die erste mexikanische Frau, die ihren Ph.D. in Physik an der Stanford University machte.

In Stanford habe ich mit einem Nobelpreisträger gearbeitet, der auch mein erster Mentor wurde und mit dem ich bis heute zusammen arbeite. Gerade weil es in meiner Heimat viel zu wenige Programme gibt, die Mädchen ermutigen, sich für Wissenschaft zu interessieren, habe ich mein eigenes Projekt begonnen: „The Science of Everyday Life”. Mein Ziel ist es, Mädchen zu helfen, die zwar für die Wissenschaft brennen aber in ihrem Umfeld keine Unterstützung für ihre Interessen erfahren.

Kann es auch Vorteile bringen, als eine von wenigen Frauen in den „Hard Sciences” aufzutreten?

Hmm. Interessante Frage. Meistens habe ich mich etwas isoliert gefühlt und fand, dass das Frau-Sein mir eher schadet. Ich bin nie so richtig in die Cliquen meiner männlichen Kollegen gekommen. Ich war bei einigen Konferenzen, auf denen ich die einzige Frau war und trotz meiner Bemühungen, dort Kontakte zu knüpfen, haben sich trotzdem nur wenige dafür interessiert, ob ich abends zum Dinner komme oder nicht.

Mir ist schon klar, dass einige Leute dennoch argumentieren würden, man habe als Frau grundsätzlich gewisse Vorteile. Weil einige Institute beispielsweise in ihrer Personalpolitik festschreiben, dass mehr Frauen als Männer neu eingestellt werden müssen, um einen Ausgleich zu schaffen. Frauen, so könnte man meinen, werden dadurch unrechtmäßig bevorzugt. Ich persönlich hatte nie das Gefühl, als Frau in der Wissenschaft besonders bevorzugt zu werden, denn ich habe immer so hart und lang wie die meisten meiner männlichen Kollegen gearbeitet.

Mit der Situation von Wissenschaftlerinnen in Mexiko bin ich nicht sehr vertraut. Immerhin lebe ich seit 13 Jahren in den USA. Aber auch hier sehe ich, dass manche Kolleginnen zu kämpfen haben, wenn sie beispielsweise Kinder und Karriere unter einen Hut kriegen wollen… in höheren Positionen zu arbeiten wird dann schwierig. Dazu müsste es noch mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten geben und flexiblere Arbeitszeiten. Und vor allem aber muss die nachwachsende Generation männlicher Wissenschaftler begreifen, dass sie auch davon profitieren, wenn sie weibliche Kolleginnen zu ihrer Arbeit motivieren.

Danke für das Gespräch. Und wenn sie Physik anhand von Stöckelschuhen erklärt – sei’s drum. Diese Wissenschaftlerin ist tatsächlich cool.

Kommentare (5)

  1. #1 Christian Reinboth
    Februar 27, 2009

    Die Webseite ist in der Tat gewöhnungsbedürftig:

    Debbie Berebichez is a highly motivated, multi-talented young woman with a strong interest in the world of science and media communications. […] Because she was a creative oriented person who evolved to become technical, Debbie has a unique advantage to explain the complex concepts of science to lay people.

    Mit dieser Form der Selbstdarstellung, muss man erst einmal zurecht kommen, hierzulande ist es ja eher unüblich, dass sich die Bio eines Wissenschaftlers liest wie eine Kandidatenankündigung bei “The next Uri Geller” 🙂 Aber vielleicht gehe ich einfach nicht mit der Zeit…

  2. #2 Georg Hoffmann
    Februar 27, 2009

    Wir hatten jedenfalls niemanden wie Debbie im Studium an der Ruhruni. Vielleicht ware mein Leben dann auch anders verlaufen. Wie sagte meine Mama immer: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.

  3. #3 Arnulf
    Februar 27, 2009

    Aha, ein Metin Tolan in blond 😉
    Aber wenn’s der Karriere, äh der Wissenschaft förderlich ist…

  4. #4 Florian Freistetter
    Februar 28, 2009

    Also ich kann von meinem Studium nur berichten, dass dort einige sehr gute Studentinnen waren (allerdings doch in der Minderheit), die heute alle sehr gute Astronominnen geworden sind. Ob mich das irgendwie beeinflusst hat, kann ich allerdings nicht sagen.

  5. #5 Tropus
    März 24, 2009

    Hi,
    3 von 4 komentaren Bestätigen die Meinung.
    Nur so zur Info “Lucy” ist seit 3,2 milionen jahren tot.

    Schade,
    das wird sich bei den meisten nie ändern.

    mfg
    tropus