Im Film „Matrix” lädt sich die Figur Trinity das Wissen herunter, einen Hubschrauber zu steuern – über eine Schnittstelle direkt in ihr Gehirn. Das ist die Science-Fiction-Version dessen, womit sich Steffen Rosahl von der Neurochirurgischen Klinik Erfurt beschäftigt. Neuro-elektronische Schnittstellen sind Elektroden, die mit dem menschlichen Nervensystem verknüpft sind. Diese Technologie wirft ethische Fragen auf, die Rosahl beim Weltkongress der Medizintechnik in München 2009 darlegte.
Scienceblogs: Was ist auf dem Gebiet dieser Schnittstellen möglich?
Steffen Rosahl: Amputierte etwa können damit künstliche Gliedmaße steuern. Dabei werden Elektroden auf der Haut aufgesetzt und mit der Spannung, die noch die vorhandenen Muskeln erzeugen, die Prothesen gelenkt. Es geht weiter zu den implantierten Prothesen im Nervensystem, mit deren Hilfe taube Menschen hören können.
Scienceblogs: Wie funktioniert das?
Steffen Rosahl: Die Rezeptoren für Geräusche sind bei manchen Patienten so gestört, dass sie nichts hören. Solange der Hörnerv aber intakt ist, kann man Elektroden damit verbinden. Diese Schnittstelle wird dann implantiert. Ein Mikrofon, das der Patient hinterm Ohr trägt, und ein Sprachprozessor im Kopf ersetzen die Rezeptoren. (vgl. dazu den Beitrag über Cochlea-Implantate.)
Scienceblogs: Welche Entwicklungen der nahen und fernen Zukunft sehen Sie kommen?
“Die Zukunft hat bereits begonnen. Bei Patienten mit Depressionen oder Zwangsstörungen werden Tiefenhirnstimulationen angewendet.”
Steffen Rosahl: Die Zukunft hat bereits begonnen. Bei Patienten mit Depressionen oder Zwangsstörungen werden Tiefenhirnstimulationen angewendet. Solche Implantate bekommen auch Parkinson-Kranke, die unkontrolliert zittern oder im Extremfall sich gar nicht mehr bewegen können. Eine Elektrode wird dann in den Bereich des Gehirns gesteckt, wo diese Bewegungsblockade, unter der die Patienten leiden, ausgeschaltet wird.
Scienceblogs: In ihrem Vortrag haben Sie das Publikum mit dem Beispiel des Wissenschips provoziert, mit dem zukünftige Generationen ihr Gedächtnis auffrischen. Ist das reine Science Fiction?
Steffen Rosahl: Das kann heute keiner sagen. Man müsste Gehirn-ähnliche Strukturen nachbauen, was weniger schwierig ist, als diese Struktur an das menschliche Gehirn anzuschließen. Dieses Problem ist noch lange nicht gelöst.
Scienceblogs: Welchen ethischen Bedenken im Zusammenhang mit neuro-elektronischen Schnittstellen werden diskutiert?
Steffen Rosahl: Zum einen gibt es das Problem der Unterscheidung zwischen Krankheit und Gesundheit. Ein Gehörloser etwa, der schon ohne Gehör auf die Welt gekommen ist, empfindet es als normal, nichts zu hören. Ein Gehörimplantat empfindet er als einen Eingriff in seine soziale Sphäre und lehnt es daher ab. Er und seine Freunde benutzen halt eine andere Sprache, die Sprache der Gehörlosen. Wer sich ein Implantat setzen lässt, wird als Aussteiger aus der „Deaf Community” gesehen.
“Wir verwechseln oft Science Fiction mit machbaren Techniken.”
Scienceblogs: Welche anderen Bedenken gibt es bei neuro-elektronischen Schnittstellen?
Steffen Rosahl: Wir verwechseln oft Science Fiction mit machbaren Techniken. Dann kommt man sehr schnell dahin, die Forschung auf diesem Gebiet ins ethische Abseits zu stellen. Uns Forschern wird dann vorgeworfen, dass wir die Menschen verbessern wollen würden. Das ist nicht der Fall. Man muss aber unterscheiden zwischen der Behandlung einer Krankheit und Neuro-Enhancement – etwa Wissenschips wie in „Matrix”. Man muss sehen, wo dazwischen die Grauzone ist.
» Markus Thierbach beschäftigt sich aus freier Journalist mit Alltagsphänomenen. » Er bloggt auf www.besondersalltag.de |
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