Ja, was ist schon Besonderes daran, dass etwas seit zehn Jahren existiert? Mein Laptop, auf dem ich schreibe, ist aus dem Jahr 2007, mein Prius auch, und von beiden erwarte ich eigentlich nur, dass sie funktionieren. Das zehnjährige Ehejubiläum nennt man die “Rosenhochzeit” (klingt nett, aber belanglos: ein Jahr später wird beispielsweise die sicher unbedingt wertschätzig klingende “Nickelhochzeit” begangen). Ein großer deutscher Verlag, bei dem ich es schaffte, ein Jahrzehnt als Mitarbeiter durchzuhalten, schenkte mir als Anerkennung ein kleines Etui mit einem Füller und einem Kugelschreiber – und nein, golden oder sonst irgendwie besonders wertvoll waren beide nicht. Mit anderen Worten: Zehn Jahre sind offenbar wirklich nichts Besonderes.
Aber natürlich sind zehn Jahre ein Grund zum Feiern. Tun andere ja auch, nicht wahr. Und sooo selbstverständlich, dass diese Plattform ein volles Jahrzehnt überleben würde, war es weder am Anfang noch zu irgend einer Zeit zwischen 2008 und 2018: Die ältere amerikanische Schwester, ScienceBlogs.com, hat Ende Oktober 2017 das Zeitliche gesegnet; ein Jahrzehnt reichte auch, um den steilen Aufstieg und dramatischen Fall so mancher Internet-Megahits wie beispielsweise Studivz.de oder auch myspace.com und lycos.com zu umklammern. ScienceBlogs.de selbst, als Gemeinschaftsprojekt der Hubert Burda Media mit der amerikanischen Seed Media Group lanciert, wurde in den vergangenen zehn Jahren unter verschiedene Dächer geschoben: Von Burda zur Burda-Beteiligung Glam Media, von dort zurück zu Seed, allerdings mit Betreuung durch National Geographic, die dann aber sehr schnell – innerhalb von Monaten, würde ich sagen, die Lust verloren. Ich erinnere mich noch sehr gut an all die optimistischen Konversationen mit der NatGeo-Chefredaktion und -Geschäftsführung, von denen dann außer einem neuen Layout nicht viel blieb. Und was unseren Leserinnen und Lesern hoffentlich verborgen blieb: Mehr als einmal sah es so aus, als ob bei uns das Licht ausgehen würde, da mit so einer wissenschaftsorientierten Blogplattform offenbar nicht die Gewinne erzielt werden können, die UnternehmerInnen zu Milliardären machen ***(Achtung, Ironie!)*** Erst mit der kompletten Abtrennung von der US-Seite und der Übernahme durch die Stuttgarter Konradin Mediengruppe kehrte eine bisher selten genossene Stabilität ein (bis jetzt, jedenfalls- aber wir sind optimistisch, dass es so bleibt).
Aber andererseits funktionieren wir Bloggerinnen und Blogger auch nicht wie Uhrwerke: Manche Blogs waren immer nur als Momentaufnahmen gedacht, die inzwischen längst archiviert (aber immer noch zugänglich) sind; manche wurden unter oder nach Protest eingestellt (muss ich jetzt nicht verlinken – aber langjährige Leserinnen und Leser werden sich erinnern); manche, wie beispielsweise mein eigenes Blog Geograffitico, sind Barometer der schwankenden Autorenmotivation, in der sich Phasen stürmischer Produktivität mit manchmal langen Flauten abwechseln. Andere wieder, wie beispielsweise Florian Freistetters Astrodicticum simplex, blieben auch über die Jahre hinweg eine zuverlässige und stets gepflegte Quelle von faszinierenden Informationen und Einsichten. ScienceBlogs.de sind ein Biotop, in dem Platz für Vielfalt ist – an Themen ebenso wie an Information, Inspiration, Kontemplation, und natürlich auch Provokation.
Vor ziemlich genau sieben Jahren habe ich die redaktionelle Verantwortung für ScienceBlogs.de übernommen – was ein bisschen paradox ist, da Blogs ja nur dann echte Blogs sind, wenn sie frei von redaktionellen Eingriffen oder Vorgaben sein können. Und darum bestand meine Aufgabe – neben einigen organisatorischen Funktionen – vor allem darin, auf eben diese prinzipielle und funktionale Unabhängigkeit der Blogs sowie der Bloggerinnen und Blogger zu achten.
Aber ganz ehrlich: Dass ScienceBlogs.de ihr zehnjähriges Bestehen feiern können (wobei “feiern” rein metaphorisch zu verstehen ist), überrascht oder verwundert mich gar nicht. Wenn mich etwas wirklich überrascht, dann nur, dass diese zehn Jahre so schnell voll wurden.
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