10 Jahre ScienceBlogs. 10 Jahre Schreiben für die Wissenschaft. Für mich ein Anlass für einen kleinen Exkurs: Heute schreibe ich nicht über Bioinformatik, heute schreibe ich über ein sozialpolitisches Finanztransferkonzept: das bedingungslose Grundeinkommen.
Gleich vorweg: Ich will mir nicht anmaßen, die sozialpolitische Tragweite des bedingungslosen Grundeinkommens abschätzen zu können. Es gibt genug Befürworter und ebenso genug Gegner. An der Idee ist also anscheinend etwas dran, aber sie ist wohl auch nicht die Nonplusultralösung, die alle unsere sozialpolitischen Probleme aus dem Weg schafft. Ich möchte hier auch gar nicht die Für und Wider des Grundeinkommens gegeneinander abwägen — das ist einfach nicht mein Fachgebiet (ihr dürft aber natürlich gerne in den Kommentaren darüber diskutieren). Stattdessen möchte ich euch erzählen, warum ich diese Idee interessant finde. Und das hat etwas mit meinem ganz eigenen beruflichen Interesse zu tun.
Ich habe das Glück, eine Fachrichtung studiert zu haben, die ich bis heute spannend und interessant finde. Und trotzdem finde ich es schwer, beruflich auf die Art und Weise Fuß zu fassen, die mich wirklich zufrieden stellen würde. Im Laufe meiner Promotion haben sich meine Interessen mehr und mehr herauskristallisiert; auch habe ich verschiedene Berufsbilder — vom Professor bis zum Geschäftsführer — genau unter die Lupe genommen. Und festgestellt: mit keinem kann ich mich ernsthaft identifizieren. Was ich wirklich machen möchte? Über Wissenschaft reden. Meine Faszination an der Bioinformatik weitergeben. Vom Schüler bis zum Rentner.
Es wird viel zu wenig über Wissenschaft gesprochen. Nur ein Beispiel: Schulunterricht. Klar, zuerst einmal müssen Schüler die Grundlagen (zum Beispiel der Biologie) lernen. Ohne diese Grundlagen ist es schwierig, über Wissenschaft zu reden. Aber eben doch nicht unmöglich. Auch klar: Lehrer haben kaum die zeitlichen Möglichkeiten immer auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand ihres Unterrichtsfaches zu stehen. Müssen sie aber auch gar nicht. Viel mehr müssten Wissenschaftler in die Schulen kommen und wie Feuer und Flamme über ihr eigenes Forschungsgebiet erzählen.
Hier stehen wir vor dem nächsten Problem: Welcher Wissenschaftler hat dafür Zeit? Welcher Wissenschaftler hat überhaupt Zeit, außerhalb der eigenen Community über die eigene Forschung zu reden? Viel zu viel Zeit geht dafür drauf, Forschungsgeldern hinterherzujagen (vielleicht ist auch das ein Schwerpunkt, der sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ein wenig verschieben würde — aber darauf will ich eigentlich gar nicht hinaus). Und nicht jeder Forscher ist dazu in der Lage, seine Inhalte so aufzuarbeiten, dass auch noch der Opi von nebenan versteht, warum das spannend und wichtig ist. Und das müssen sie auch gar nicht sein. Lassen wir doch die begnadeten Forscher einfach ihre Arbeit tun; dann kommen Leute wie ich und wir können die Kommunikation übernehmen.
Jetzt könnte man wiederum sagen, diese Leute gibt es doch längst, man nennt sie Journalisten. Klar ohne Frage, ohne die geht es nicht. Sie haben das Schreiben gelernt und wissen, wie sie die Leser mitreißen können. ABER (war ja klar, dass eins kommt) hier stellt sich mir oft die Frage: Was ist für gute Wissenschaftskommunikation wichtiger: das Handwerk des Schreibens professionell zu erlernen und sich nebenbei das wissenschaftliche Hintergrundwissen anzueignen oder doch eher die Wissenschaft professionell zu erlernen und sich den Werkzeugkasten des Schreibens selbst beizubringen? Sicher braucht man in beiden Bereichen eine gewisse Portion an Talent und Interesse, damit am Ende eine gute Mischung rauskommt. Was letztlich die bessere Variante ist, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß aber, dass ich als Bioinformatikerin immer mit mehr Enthusiasmus über bioinformatische Themen reden werde, als ein Journalist, der ein solches Thema zugeteilt bekommen hat.
Nun könnte ich ja einfach meinen Interessen nachgehen und über Wissenschaft schreiben. Wer sollte mich davon abhalten? Keiner. Deswegen habe ich ja auch voller Elan meinen eigenen Blog gestartet und mich in die Arbeit gestürzt — um nach einem Jahr und knapp 40 Beiträgen festzustellen: Wissenschaftskommunikation kostet verdammt viel Zeit. Zeit, die mir keiner vergütet. Denn auch wenn ich von allen Seiten höre, wie toll und wichtig es ist, was ich tue: bezahlen kann es mir keiner. So kam zu meiner 40h Arbeitswoche nun auch noch stundenlange Recherche in den Abendstunden und am Wochenende hinzu. Ich gestehe, sowohl meine Arbeit als auch das Bloggen machen mir verdammt viel Spaß, deswegen empfinde ich Arbeit wohl viel weniger als Arbeit als manch anderer. Und trotzdem brauche auch ich meine Freizeit: für Sport, für Freunde und neuerdings an Position Nr. 1: für meine Familie!
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