Auf dem Sektionstisch lag eine schwarz verkohlte Leiche in der typischen Fechterstellung, im so bläulich wie spärlich beleuchteten Saal roch es beunruhigend ähnlich wie bei einem BBQ im amerikanischen Süden, wo alles immer ein bißchen zu lange auf dem Rost gelassen wird, im Hintergrund ließ sich „50 Cent“ mit seiner Einladung zum gemeinsamen Besuch im „Süßigkeitenladen“ aus der Stereoanlage hören. Neben dem Tisch stand der afroamerikanische Rechtsmediziner Connor Blade, bekennender Hip Hop Fan mit einer Schwäche für teure Autos, mit fragendem Blick: „Und? Was denken Sie?“
Chefermittler Ulysses B. Cooler zog eine Augenbraue hoch und sich lässig mit einer Hand die verspiegelte Sonnenbrille von der Nase, musterte den Toten, sog kurz prüfend die Luft ein und sagte in seinem charakteristisch-lakonischen Tonfall: „Hmm… sieht aus als hätte Mr. Burns hier eine heiße Nacht gehabt!“
„Das meine ich nicht“, erwiderte Blade mit schiefem Grinsen, „die Leiche ist viel zu stark verkohlt dafür, daß sie nur 10 Minuten im Feuer lag, wie es im Polizeibericht steht. Sehen Sie hier: diese Kontraktion der Muskeln auf der dem Gesicht abgewandten Seite… dafür muß es ganz schön lange ganz schön heiß werden.“ „Was sagen die Blinzler aus dem Labor? Gibt es irgendwelche Rückstände von Brandbeschleunigern oder sowas?“, fragte Cooler.
Im Hintergrund des so bläulich wie spärlich beleuchteten, aber überaus “stylish” eingerichteten Raums wummerte „Burn“ von Nine Inch Nails aus einem für einen Einsatz in einem Kriminallabor eigentlich überdimensionierten Bluetooth-Lautsprecher, während Alma Negra, mexikanischstämmige Laborforensikerin und Expertin auf gleich drei Gebieten – forensische Toxikologie, Molekularbiologie und Ballistik – mit offenem Kittel und ohne Mundschutz (Lippenstift!), die tiefschwarzen Haare zu einem unordentlichen Dutt gebunden, im Takt des Songs Proben in die Zentrifuge stellte. Nachdem sie fertig war, schloß sie den Deckel und drückte den Knopf mit der Aufschrift „Start DNA-Analysis“.
Sie blickte auf, als sich die Tür zum Nachbarlabor öffnete und Sam Sung, asiatischer Computernerd und Spezialist für Chemie, der seine kurzsichtigen Maulwurfsaugen stets hinter einer dicken Brille versteckte, hereinkam, kurz von seinem LG-Tablet-PC zu Alma aufsah und mit spöttischem Unterton und Geste zu ihrem Gesicht fragte: „Hat Dir jemand mit schwarzer Farbe und Deinen Okularen einen Streich gespielt oder ist das Absicht?“ Zur Antwort präsentierte sie ihm den mit schwarzem Nagellack verzierten rechten Mittelfinger, fragte dann aber doch: „…. und, was kam raus bei der Analyse?“ „Schwer zu sagen, Habe sowas noch nicht gesehen. Neuartige molekulare Struktur laut MALDI-TOF-MS.” Sam blickte wieder auf sein Tablet, “Ich habe mal eben schnell ‘ne kleine, nicht validierte Software geschrieben, die die chemischen Eigenschaften von dem Zeug, das wir von der Brandleiche gekratzt haben, aus der Strukturformel errechnet.“ „Bevor oder nachdem Du die Prinzessin vor Donkey Kong gerettet hast?“ konterte Alma. Diesmal war sie es, die einen erigierten Mittelfinger in Augenschein nahm. „Müßte jedenfalls gleich durch sein“ setzte Sam wieder an, „Und Du? Hast Du schon irgendwas?“ „Auch seltsam“, antwortete Alma, „in dem Stück Gewebe, das Connor noch ‘rauspulen konnte, habe ich Spuren von einem Zeug nachgewiesen, das ich nicht zuordnen kann. Ist in keiner Datenbank.“ Auf Sams fragenden Blick durchquerte sie das Labor, öffnete eine Zentrifuge, auf der „Isotopenanalysator“ stand, entnahm ein Plastikröhrchen, drückte auf einen Knopf auf einer Rechenmaschine, die auf der Zentrifuge stand, woraufhin diese einen langen Papierstreifen bedruckte, den Alma abriß und mit fachmännischem Blick gegen das Licht hielt: „Laut Isotopenanalyse ist das eine natürliche Substanz, von einem Tier oder so… von der Zusammensetzung der Isotopen her … ca. 7°06’21.3″S und 57°34’56.3″W, würde ich sagen…“ „Das ist ja…“ staunte Sam, „…mitten im brasilianischen Urwald!“ „Yup!“, machte Alma, „ich hoffe, der Boss hat Shorts.“
„Brasilianischer Urwald? Fuck!“, rief Cooler, nachdem ihm sein Team die bisherigen Ergebnisse präsentiert hatte, „ich habe nicht mal Shorts.“ „Aber immerhin schonmal ‘ne Sonnenbrille“, meinte Alma trocken, was ihr einen bösen Blick Coolers einbrachte, der dann fragte: „und was ist jetzt mit der Chemikalie?“ „Bin gerade fertig,“ sagte Sam, in einer Hand eine Dose Mountain Dew, und gab ihm einen Ausdruck. „Soll das ein Witz sein? Für mich sind das nur lustige bunte Kringel, Striche und ein Haufen Chinesisch! Übersetzung bitte! Und hören Sie um Himmels Willen auf, dieses Zeug zu trinken!“, herrschte Cooler ihn an. Seufzend stellte Sam seine Dose auf die Seite, nahm den Ausdruck und las: „Wir haben es hier mit einem neuartigen Brandbeschleuniger zu tun, der in kürzester Zeit ein Feuer mit irre hoher Verbrennungshitze erzeugt. Geringe Mengen reichen aus, das Zeug verdunstet nicht, riecht nach nichts und es entzündet sich durch UV-Licht!“ „Das heißt“, folgerte Cooler, „man könnte nachts oder bei Dunkelheit jemanden unbemerkt damit besprühen und wenn er am nächsten Tag aus dem Haus geht…“ „Wuuuuff!“ machte Sam. Cooler nickte, zog sich die Sonnenbrille von der Nase und starrte nachdenklich ins Leere: „Wo kommt dieses Zeug her, Sam?“ „Keine Ahnung, Boss, habe sowas noch nie gesehen. Aber…“, er zögerte. „Aber was?“ „Ich weiß nicht, ich habe da nur so eine wilde, haltlose Spekulation!“ „Wilde, haltlose Spekulationen haben sich doch in der Vergangenheit stets als exzellenter Ausgangspunkt für unsere Untersuchungen erwiesen“, resümierte Cooler, „also raus damit!“ „Naja, also…dieses Zeug… es hat an einer Stelle eine chemische Bindung, die…in der Natur nicht vorkommt und die man auch eigentlich nicht synthetisch herstellen kann.“ Sam zeigte mit dem Finger auf eine besonders kringelige Stelle einer phantasievoll aussehenden chemischen Strukturformel. „Eigentlich…?“ hakte Cooler nach. „Aber…“, fuhr Sam fort, „ich habe vor einem Monat einen Aufsatz in „Journal of arson and perilous chemicals“ gelesen, in dem der Autor eine neue Reaktion beschreibt, die er entdeckt hat, mit der man genau diese Bindung hinkriegt. Er heißt… Victor Illain, glaub ich.“ „Und wo arbeitet dieser Mr. Illain?“, verlangte Cooler zu wissen. „Bei Blackstone Pharmaceuticals“, sagte Alma, vor sich ein Laptop mit der „Boogle“-Suchmaske, in die sie soeben ‚Victor Illain‘ eingegeben hatte.
Kommentare (20)