Ohne jede Begeisterung hat sich der US-Kongress nun doch darauf verständigt, der Nasa eine Zukunft zu geben. Und diese Zukunft entspricht sogar weitgehend den Vorstellungen von US-Präsident Obama. Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen.

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Mit 304 zu 118 Stimmen hat das US-Repräsentantenhaus am Mittwochabend den “Nasa Authorization Act of 2010” beschlossen. Genereller Tenor der Abgeordneten: Lieber dieses blöde Gesetz als gar kein Gesetz. (Foto: Jeff Kubina/cc-by-sa)

Der Aufbruch in eine neues Raumfahrt-Zeitalter sieht anders aus: Fast jeder Parlamentarier, der sich am Mittwoch im amerikanischen Repräsentantenhaus zur Zukunft der Nasa äußerste, maulte über den vorliegenden Gesetzentwurf. Den Republikanern, sonst nicht des Sozialismus verdächtigt, ging die von Obama ins Spiel gebrachte Privatisierung der bemannten Raumfahrt zu weit. Den Demokraten ging es vor allem um Arbeitsplätze – um die Jobs, die in ihren Wahlbezirken aufgrund neu verteilter Raumfahrtaufträge auf dem Spiel stehen, vor allem aber um ihre eigenen Jobs: In einem Monat sind Parlamentswahlen, und die Prognosen sehen für die demokratischen Abgeordneten nicht sonderlich gut aus. Da werden lieber gezielt Geschenke verteilt als große Visionen zur Raumfahrt entwickelt.

Trotzdem ist ein halbwegs solides, in einigen Punkten sogar zukunftsweisendes Gesetz herausgekommen. Allerdings haben die Abgeordneten alles daran gesetzt, jede Form von Aufbruchstimmung oder gar Begeisterung für die Raumfahrt erfolgreich zu unterbinden. Das Signal aus dem Kongress an die Bevölkerung: Raumfahrt ist ein notwendiges Übel, aber immerhin schafft sie Arbeitsplätze.

Im Detail heißt das:

  • In den kommenden drei Jahren soll die Nasa rund 58,4 Milliarden Dollar bekommen.
  • Davon sollen 1,3 Milliarden Dollar an private Unternehmen fließen, die künftig (möglichst in Eigenregie) den Transport von Fracht und Menschen zur Internationalen Raumstation organisieren sollen.
  • Das Constellation-Programm und die Pläne eines bemannten Flugs zum Mond sind so gut wie tot.
  • Stattdessen sollen bemannte Missionen zu Asteroiden und irgendwann einmal auch zum Mars angestrebt werden.
  • Hierfür wird bis 2016 eine bemannte Schwerlastrakete entwickelt, in deren Bau die Erfahrungen aus dem Constellation-Projekt einfließen sollen.
  • Kommendes Jahr wird es einen weiteren, bislang nicht geplanten Shuttle-Flug geben.
  • Die ISS soll bis mindestens 2020 betrieben werden.

Und hier beginnen die Probleme. Während der Kongress klare Vorstellungen hat, wie die neue Superrakete für den Flug in die Tiefen des All auszusehen hat, ist jetzt schon absehbar, dass für ihre Entwicklung nicht genügend Geld zur Verfügung stehen wird. Es drohen die gleichen Probleme wie beim unterfinanzierten und ständig verzögerten Constellation-Programm. Auch für den zusätzlichen Shuttle-Flug fehlt das Geld, zumal die Nasa und ihre Auftragnehmer bereits begonnen haben, das Shuttle-Programm auslaufen zu lassen. Zudem würde für einen letzten Flug der Atlantis, sollte sie im All Probleme bekommen, keine Rettungsfähre mehr bereitstehen.

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Man hat’s ja: Im kommenden Juni soll die eigentlich schon eingemottete “Atlantis” zu einer allerletzten Shuttle-Mission starten. (Foto: Nasa)

Die größte Schwäche des Gesetzes: Es fehlen Visionen, es fehlen klare Ziele und Zeitvorgaben. Das Wort „Asteroid”, angeblich das große Ziel für die nächsten Jahrzehnte, kommt im 108-seitigen Gesetzentwurf gerade zweimal vor. Und zum Mars steht dort eher lapidar:

A long term objective for human exploration of space should be the eventual international exploration of Mars.

Apropos international: Immerhin haben sich nach Japan und Russland nun auch die USA offiziell für den Fortbestand der Internationalen Raumstation bis zum Jahr 2020 ausgesprochen. Fehlen nur noch die Kanadier und die Europäer, die sich bis Ende des Jahres festlegen wollen. Zugegeben, bei der europäischen Raumfahrt mit ihrem komplexen Geflecht von Abhängigkeiten weiß man nie genau, was letztlich raus kommt. Aber sollten die Esa-Mitgliedsländer tatsächlich die ISS versenken wollen, könnten sie sich in den nächsten Jahrzehnten jegliche internationale Kooperation abschminken. Für eine Raumfahrtagentur, die nicht einmal ihre nächste Marsmission allein auf die Beine stellen kann, wäre das keine wirklich nachhaltige Strategie.

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Kommentare (6)

  1. #1 Atrawog
    Oktober 1, 2010

    Die NASA wird in die ähnliche Probleme hineinlaufen wie beim Shuttle. Der neue Shuttle Derived Heavy Lift Launcher wird die mit Abstand leistungsfähige im Einsatz befindliche Rakete weltweit werden.

    Sowohl die Entwicklungs als auch die laufenden Kosten werden jedoch so hoch sein, das für die Entwicklung von entsprechenden Nutzlasten oder z.B. einer Mondlandefähre kaum Geld übrig bleibt.

    Was zur selben Situation wie in den 80er/90er Jahren führen würde. Wo zwischen Entwicklung des Space Shuttle und dem Start des ersten Teils der ISS 17 Jahre vergangen sind.

    Aus diesem Grund wollte Obama und die neue NASA Führung einen wirklichen Schlussstrich unter dem Shuttle und dem Constellation Programm ziehen und sich fürs erste rein auf die Flüge zur ISS konzentrieren.

    Das ist aber fürs erste am Widerstand des Kongress gescheitert und hat zum jetzigen “Kompromiss” geführt und es bleibt abzuwarten, ob die NASA Führung den Shuttle Derived Teil des Budgets nicht mehr oder weniger mit Absicht in den Sand setzt, oder anfängt ihn sehr kreativ umzuinterpretieren.

  2. #2 schlappohr
    Oktober 1, 2010

    Die Nasa hat in den Jahren nach ihrer Gründung Großartiges geleistet. Aber ich habe den Eindruck, dass sie in den letzten 20 Jahren ihren gesamten gigantischen Etat im Wesentlichen in zwei Dinge gesteckt hat:
    1. In die dauernde Wartung von fünf technisch veralteten Raumfähren, von denen dennoch zwei verunglückt sind
    2. in ihre eigene Verwaltung.

    Sind wir mal ehrlich: Solange ein einziger bemannter Raketenstart in den erdnahen Orbit das Bruttoinlandsprodukt eines Kleinstaates verschlingt, monatelange Vorbereitungen erfordert und zudem noch mit hohen Risiken verbunden ist, solange gibt das nix Gescheites mit dem Aufbruch zu den Sternen.
    Irgendjemand hat einmal gesagt: Erst dann, wenn jedes Land, das Flugzeuge bauen kann, auch einen Menschen ins All schießen und wieder zurückholen kann, ist die Menschheit reif für den Schritt in den Weltraum. Ich sag’s wirklich nicht gerne, aber die Russen mit ihren rustikalen Blecheimern sind diesem Ziel näher, als es die NASA jemals gewesen ist.
    Anstatt jedoch erstmal eine zuverlässige Transportinfrastruktur in den Orbit aufzubauen, werden wieder teure Prestigeprojekte geplant. In zwanzig Jahren haben wir dann vielleicht ein paar hundert Kilo Marsgestein in der Vitrine liegen, aber der interplanteren Raumfahrt sind wir kaum näher gekommen. Das ist so, als hätte man nach erstem Segelflug-Hüpfer der Wrights gleich angefangen, eine Concorde zu bauen.
    Ich bin ein absoluter Befürworter der bemannten Raumfahrt. Aber so wie wir das anpacken, wird da nichts draus.

  3. #3 rod
    Oktober 1, 2010

    Ja, das untersreiche ich so.
    Und es wird sich auch kaum etwas ändern in mittelfristiger Zukunft, die Antihaltung der Bevölkerung (“Solange es Hartz4 gibt braucht keiner in Weltraum fliegen”…) und auch weiter Teile der Regierung, unabhängig welches Land, setzt jedem größeren Ziel von vorn herein ein Ende.

    Es gibt m.E. nur 2 Möglichkeiten für die mittelfristige Zukunft

    – private übernehmen es, wie Virgin Galactic. Sobald sich irgendetwas findet mit dem sich langfristig Geld verdienen lässt, sei es Weltraumtourismus oder Abbau von z.B. He3
    können sich diese Schritte ergeben bzw. werden sich diese Schritte ergeben.

    – ein Wettrüsten (im All), dann kommt Schwung in die Sache.
    Mal angenommen China würde eine dauerhafte Basis auf dem Mond einrichten, müssten Amerika + Europa mit oder ohne Russland mitziehen. Aber anstatt dessen streitet man sich noch um die lächerliche Arktis…lasst die Pinguine und Eisbären doch in Ruhe…(und plündert lieber den Mond)…

    Moralisch sind wir Mensch eh nicht soweit. Aber da sich das nicht ändern wird, können wir auch jetzt schon damit anfangen das All zu plündern. (nüchtern betrachtet)

  4. #4 Dr. Webbaer
    Oktober 3, 2010

    Das Problem ist das Wirtschaftliche, es wurde zwar behauptet wie wirtschaftlich erfolgreich die Mondlandung war mit all ihren am Rande entstandenen Produkten, die wirtschaftlich dann zum Brenner wurden, oder auch nicht, der Webbaer hat hier hauptsächlich die Teflon-Pfanne im Blick (die sowieso gekommen wäre), und es wirkt alles nicht wirklich überzeugend.

    Private Ansätze dagegen sind nicht uncool, wer viel Geld zu zahlen bereit ist, um seine Brötchen im Orbit oder anderswo zu genießen, soll ruhig zahlen.

    Weil sich ein Austausch von Waren “spacetechnisch” für immer verbieten dürfte, bleibt eben nur die gute alte Dienstleistung. [1]

    Was Obama sich bei der Sache denkt, ist natürlich unklar, denkt wer überhaupt?:
    https://www.foxnews.com/politics/2010/07/05/nasa-chief-frontier-better-relations-muslims/ [2]

    MFG
    Wb

    [1] Der Ausflug ins All ähnelt dem Besteigen eines großen Bergs, wird ein dementsprechend ambitionierter Bergsteiger gefragt “Warum tun Sie das?”, dann lautet eine typische Antwort: “Weil der Berg da ist.” [i]
    [2] Sr wg. FOX, nächstes wird ein Medium der Liberals zitiert…
    [i] “life will find a way”

  5. #5 Alexander Stirn
    Oktober 4, 2010

    @Atrawog: Volle Zustimmung. Ich fürchte, die neue “Heavy Lift Rocket” wird genauso enden wie die “Ares”-Familie: unterfinanziert, überambitioniert, mit ständigen Verzögerungen, ein echter Klotz am Bein der Nasa. Und warum: Weil den meisten Politikern die Raumfahrt völlig egal ist, ihnen geht es nur darum, einen großen Teil der Arbeitsplätze aus dem “Constellation”-Programm zu erhalten. Genau so sinnlos ist auch der zusätzliche Shuttle-Flug. Und wenn die privaten Raumfahrer die ersten Rückschläge erleben (und die werden natürlich kommen), wird auch die Diskussion um den niedrigen Erdorbit neu entflammen.

    @rod: Ich sehe noch eine 3. Möglichkeit: Alle Raumfahrtnationen erkennen, dass die bemannte Raumfahrt in der heutigen Zeit, erst Recht mit einem derart ambitionierten Ziel wie dem Mars, nur noch gemeinsam angepackt werden.
    Zugegeben, das ist reichlich utopisch. Daher würde ich die größte Hoffnung auch auf private Unternehmen setzen, die – ähnlich den ersten Fluggesellschaften – die Raumfahrt entscheidend voranbringen könnten. Forschung wird dann allerdings nur noch ein kleiner Nebenaspekt sein.

  6. #6 Dr. Webbaer
    Oktober 9, 2010

    @Alexander Stirn

    Forschung wird dann allerdings nur noch ein kleiner Nebenaspekt sein.

    Isses nur Forschung, wenn der Staatsapparat mitwirkt? – Falls ja, warum war dann Forschung bei den bisherigen staatlichen Unternehmungen eigentlich erforderlich?

    Hmm. Ein internationales Zusammenwirken unterschiedlich aufgestellter Kräfte (Sozialisten, freie Demokratien, Plutokratien etc.) ist idT kaum vorstellbar.
    Warum soll das, was die Amis alleine geschafft haben, nicht auch heute gelingen können?

    Was ein wenig betrübt, ist die mittlerweile jahrzehntelange Passivität in diesem Bereich, aber es lohnt sich wirtschaftlich einfach nicht, gell?!

    MFG
    Wb