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Ganz andere Parasiten, was die Komplexität angeht möchte ich als gelernter Parasitologe zum Bierologie-Parasitentag beschreiben. Der auffälligste Unterschied zwischen Alex’ und meinen Parasiten, ist dabei sicher die Anzahl der “Hilfsmoleküle” die gebraucht werden, damit sich die “parasitierende-DNA” auf Kosten des Wirts replizieren kann. Oder weniger kompliziert: Es geht um Würmer.
Das Bild (Quelle) zeigtDirofilaria immitis: Einen Wurm (Klade 3), der im Herzen von Hunden und Katzen im Süden Europas und der USA vorkommt.


Genauer gesagt geht es um das Phylum mit dem ich mich auch während meiner Arbeit beschäftige: Nematoden oder eingedeutscht Fadenwürmer. Zunächst sollte man sich klar machen, dass Nematoden zu den häufigsten und artenreichsten Tiergruppen auf unserem Planeten gehören (daher auch dieses geniale Zitat). In dieser Organismengruppe gibt es nun zahlreiche Parasiten, sowohl von Tieren als auch von Pflanzen. Wollen wir nun die Entstehung des Parasitismus beleuchten müssen wir uns dazu zunächst die Phylogenie der Nematoden anschauen, sie basiert in ihren Grundzügen auf einer Arbeit von 1998. Die editierte Orginalversion des folgenden Bildes stammt aus einer neueren frei zugänglichen Publikation. Schauen wir uns den Baum zunächst ohne die zusätzlich eingefügten Taxa an. Es handelt sich bei den abgebildeten terminalen Taxa um Arten für die es umfangreiche EST-Projekte gegeben hat. Das macht den Baum übersichtlicher (weniger Taxa), bringt aber auch eine Überrepräsentation der für den menschen interessanten parasitischen Würmer.

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Es wurden 5 große monophyletische Gruppen, sogenannte Kladen (engl. Clade) gefunden. Ich werde mich in der Benennung an diese Nummerierung halten, da die lateinischen Namen recht verwirrend und teilweise ähnlich klingend sind. Die basale Klade1 enthält bereits freilebende Arten sowie Parasiten von Tieren (Trichinella) und Pflanzen. In der ebenfalls basalen Klade2 treten wiederum tierische Parasiten auf. Klade3, die mit den Kladen 4 und 5 eine “Superklade” bildet enthält nur tierische Parasiten (mehrere prominente menschliche Parasiten, z.B. in den Filarien). In Klade4 sind schließlich neben freilebende Arten und den ökonomisch wichtigsten Parasiten von Pflanzen auch tierische Parasiten (z. B. von Insekten) und sogar “Mischformen” (zwische Pflanzen und Insekten Parasiten, oder tierische Parasiten mit ausgprägten freilebenden Stadien wie die Strongyloiden) vertreten. Klade5 umfasst neben den freilebenden, bacteriovoren Modell-Nematoden der Gattung Caenorhabditis auch wichtige tierische Parasiten wie die Hakenwürmer.
Wer mitgezählt hat, stellt fest, was auch schon Blaxter und Kollegen 1998 geschlossen haben: Ein unabhängiges Entstehen des Parasitismus mindestens sieben mal. Da die genannten Parasiten sehr unterschiedliche Lebenszyklen haben kann man eigentlich nicht von “EINEM Parasitismus” reden kann. Pflanzen-Parasiten unterscheiden sich grundsätzlich von tierischen. Sie brauchen eine andere Morphologie aber auch eine andere molekulare Ausstattung um in ihrem Wirt überleben zu können. Es wurde festgestellt, dass sie teilweise die notwendigen Enzyme durch horizontalen Gentransfer von den Pflanzen selbst übernommen haben. Dies geschah wohl über Pilze mit denen die betreffenden Arten assoziiert sind.
Das Spektrum der Lebensweise von tierischen Parasiten erstreckt sich über einfache direkte Lebenszyklen mit einer Übertragung von Wirt zu Wirt bis hin zu komplexen Zyklen mit mehreren Zwischenwirten und freilebenden Formen.
Die molekularen Besonderheiten vieler tierischer Parasiten sind nicht nur wirts-ähnliche Moleküle, die das Immunsystem des Wirtes beeinflussen, sondern auch ein umfangreicher Verlust von Genen. Dieser Verlust kommt zustande und wird kompensiert durch symbiontische Bakterien der Gattung Wolbachia.


Doch wie genau kam es zum Entstehen von Parasitismus? Über welche Übergangsformen entwickelten sich freilebende Arten zu Parasiten
?

Einen Einblick kann vielleicht der als “Satelliten-Modell” zu C. elegans von Ralf Sommer in Tübingen untersucht Nematode Pristionchus pacificus geben. Dieser lebt in sogenannter Necromeny mit Käfern (z.B. diesem), d.h. die adulten Würmer leben in den verrottenden Kadavern der Käfer, ihre Larven warten als Dauer Larven auf den Käfern bis diese sterben. Man hat nun im Genom der necromenischen Würmer eine erhöhte Zahl an Detoxifikationsenzymen gefunden, wie sie ähnlich auch in Parasiten vorkommen. Zusätzlich zeigt die Formation von Dauerlarven molekular Ähnlichkeiten mit der Bildung von infiziösen L3 Larven (diese gelangen bei Parasiten in den Endwirt).
Dies alles spricht für eine alte These (das Paper auf Deutsch von 1956 kann ich leider nicht finden, wenn jemand mehr Erfolg hat soll er Bescheid sagen) dass es eine Präadaptation an ein parasitisches Leben in freilebenden Nematoden stattgefunden hat. Der Erwerb eines parasitischen Lebensstils müsste demnach von rein freilebenden Formen zur Formen mit Dauerlarven (Phoresy) über das Leben in Kadavern (Necromeny) zu echtem Parasitismus erfolgen.

Zweifel

Wem diese Erklärung etwas zu weit hergeholt vorkommt um ein in der Phylogenie so häufiges Ereignis wie den Erwerb von Parasitismus zu erklären, dem kann ich eine zweite noch unveröffentlichte (und vielleicht noch etwas halbgare) Theorie anbieten:
Ursprünglicher Parasitismus könnte mehrmals modifiziert worden und verloren gegangen sein. Diese Zweifel werden vor allem durch Beobachtungen zur Phylogenie genährt. Zunächst nochmals die Warnung, dass der oben abgebildete Baum sehr zugunsten parasitischer Formen beeinflusst ist. In allen Kladen, außer Klade3, gibt es sehr viele freilebende Arten, die Verteilung von Parasiten über den gesamten Baum alleine ist also noch kein Argument.
Bei einem Entstehen von Parasiten aus freilebenden Arten würde man aber, betrachtet man die Phylogeny innerhalb der Kladen hauptsächlich einfache Lebenszyclen in den basalen Taxa erwarten. Dies soll nicht heißen, dass basale Taxa immer eine primitive Form wiederspiegeln, schaut man sich mehrere basale Taxa in verschiedenen Kladen an wird aber der Erwerb von gleichen abgeleiteten Merkmalen immer unwahrscheinlicher. Im vorliegenden Fall, kann man dies nun beobachten. In den vergangenen zehn Jahren wurden einige zusätzliche Taxa in phylogenetischen Studien untersucht. Nun hat man in Klade3 als basales Taxon “meine” Würmer der Gattung Anguillicoloides und eine Gattung namens Gnathostoma gefunden. Beide haben einen sehr komplexen Lebenszyklus mit Fischen als Endwirten und aquatischen Invertebarten als Zwischenwirten. Außerdem findet man basal in Klade1 eine Gattung names Capillaria ebenfalls mit sehr komplexen Lebenszyklen mit Zwischenwirten. Taxa mit einfachen Lebenszyklus wie Ascaris in Klade3 oder Trichinella in Klade1 sind tief in der Phylogeny verschachtelt.

Der mittlere Abschnitt basiert hauptsächlich auf Dieterich and Sommer (2009) How to become a parasite – lessons from the genomes of nematodes. doi:10.1016/j.tig.2009.03.006

Der letzte Abschnitt enthält unpubilzierte Gedanken und Andeutungen aus Gesprächen mit Mark Blaxter, die allesamt noch überprüft werden müssen.

Kommentare (1)

  1. #1 Christian A.
    Juni 14, 2009

    Parasiten machen mir Angst, gleichzeitig finde ich sie höchst faszinierend – ist genauso wie Gewitter. Bei einer unserer früheren Katzen Kater sind mal Bandwurmendglieder ausm Arsch gekrochen, Zecken hasse ich wie die Pest, und das Bild oben mit den Würmen finde ich zum Übergeben gut geeignet. Häng ich mir mal aufs Klo für die nächste Feier, wenn ich zu viel getrunken habe und der Brechreiz noch nicht kommen will – super Artikel übrigens! 😉