In der Ausgabe 1-2008 der gut gemachten Zeitschrift Lab-Times weisen die Editoren (Seite 3) auf die merkwürdige Häufung einer idiotischen Phrase in der wissenschaftlichen Literatur hin. Der englische Ausdruck lautet, “than previously thought”.
Tatsächlich wimmelt es von Sätzen, in denen Forscher etwa sagen, daß es
im menschlichen Genom weniger Gene gibt, als man vorher gedacht hat,
oder daß eine ermittelte Mutationsrate höer (oder niedriger) als
gedacht war. Mir ist dieser Trend auch schon aufgefallen und auf den
Keks gegangen. Auf einer Tagung im Dezember 2007 in Göttingen etwa gab
ein Primatenforscher zu verstehen, daß Schimpansen über mehr soziale
Lernfähigkeit verfügen, als er vorher gedacht habe, und Altruismus sei
weiter verbreitet, als seine Kollegen sich vorher gedacht hätten.
Mit scheint, daß da gar nicht gedacht, sondern nur gesagt wurde, daß man sich etwas gedacht hat. Man hatte eben sein Vorurteil, und dem weist man die Qualität eines Vorgedachten zu. “Nachdenken sollt ihr”, hat mein Lehrer immer gesagt, und das würde man gerne auch den großen Forschern zurufen. Sie scheinen das Gegenteil zu tun und sich mit dem Vordenken zu befassen. Vielleicht vergrößert man so die Zahl der Publikationen. Erst denkt man nichts (und publiziert das) und wundert sich im Rückblick, das man tatsächlich nichts gewusst hat. Dann denkt man, daß man das jetzt besser kann, und wundert sich allgemein, daß niemand mehr hinhört. Denn woher weiß ich, daß man schon wieder nicht nach-, sondern nur vorgedacht hat. “Die Wissenschaft denkt nicht”, hat Heidegger einmal formuliert. Was verlockt die Gen- und Verhaltensforscher, ihm so gründlich recht zu geben?
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