In seinem Buch “Das Leben im Mittelalter”, das gerade bei Piper erschienen ist, stellt der französische Historiker Robert Fossier seine zu bejubelnde Ansicht vor, daß die Erfindung des Hufeisens für den Fortschritt der Menschheit wichtiger gewesen sei als die theologische “Summa” des Thomas von Aquin. Der offiziellen Geschichtsschreibung zufolge sind Hufeisen im Mittelalter erfunden worden. Vermutlich sind sie damals in großem Umfang eingesetzt worden, nachdem die Römer bereits Hipposandalen konstruiert hatten, um mehr Militärisches mit den Pferden unternehmen zu können.
Wie sehr das Hufeisen nicht nur zur Landwirtschaft – und damit zum Wohlergehen der Menschen -, sondern zum Denken beigetragen hat, zeigt sich daran, daß Hufeisen zum Glückssymbol aufgestiegen sind – dann hängt man sie mit der Öffnung nach oben auf – oder als Schutzmacht funktionieren – mit der Öffnung nach unten.
Mit anderen Worten – Hufeisen beschäftigen die Menschen mehr als theologische Schriften, auch wenn sie von Thomas von Aquin stammen, was die Frage aufwirft, warum wir so wenig über Hufeisen wissen. Seit wann gibt es sie? Wie fertigt man sie an? Welchen Vorteil verschafften sich Völker mit Hufeisen? Wie wird etwas ein Glückssymbol? Seit wann verwendet man es zum Spiel (bei dem ein Hufeisen so geworfen werden muss, dass es einen Stab umschlingt? Und so weiter. Könnte es nicht sein, daß wir mehr lernen, wenn wir über Hufeisen nachdenken, als wenn wir erfahren, daß Thomas von Aquin zwischen Wesen und Existenz unterschieden hat? Und wenn wir das schon lernen müssen, warum wenden wir es nicht auf Hufeisen an? Wie bringt ihre Existenz unser Wesen hervor – in Kampf und Spiel?
Im übrigen kann ich mir an dieser Stelle meine liebste Geschichte von Niels Bohr nicht verkneife. Der große dänische Physiker hatte ein Hufeisen über der Tür seines Sommerhauses. Auf die Frage, ob er denn an so etwas glaube, hat Bohr geantwortet: “Nein. Aber ich habe gehört, daß Hufeisen auch Glück bringen, wenn man nicht daran glaubt.”
Kommentare (1)